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100 Jahre seit der Einbürgerung der Juden in Rumänien

1919 befand sich Rumänien in einer paradoxen Situation: Während die Juden aus den neu eingegliederten Landesteilen automatisch die Staatsbürgerschaft erhielten, tat man sich anfänglich schwer mit der Einbürgerung der Juden aus dem Altreich.

100 Jahre seit der Einbürgerung der Juden in Rumänien
100 Jahre seit der Einbürgerung der Juden in Rumänien

, 06.05.2019, 17:30

Bis 1919 hatten die rumänischen Juden keine Bürgerrechte, da die Verfassung von 1866 im berüchtigten Artikel 7 vorsah, dass nur die christlich-orthodoxen Religionsangehörigen rumänische Staatsbürger sein konnten. Viele Juden leisteten jedoch ihren Beitrag zur rumänischen Wirtschaft, Kultur und Kunst, und viele kämpften in der rumänischen Armee im Unabhängigkeitskrieg von 1877–1878 und in den Jahren des Ersten Weltkrieges.



1919, am Ende des Ersten Weltkrieges, erhielten die Juden des alten Königreichs Rumänien das Recht, Bürger Gro‎ßrumäniens zu werden. Die internationalen Friedensverträge zwangen Rumänien, die Rechte der nationalen Minderheiten anzuerkennen, die gleichzeitig mit den überwiegend von Rumänen bewohnten Gebieten zum Teil des neuen Staates wurden. Die rumänische Gesetzgebung von 1919 bestätigte blo‎ß eine internationale Realität, nach jahrzehntelangen Anstrengungen jüdischer Organisationen, die Bürgerrechte gefordert hatten.



100 Jahre nach der Anerkennung der rumänischen Staatsbürgerschaft erzählte die Historikerin Lya Benjamin die Geschichte der rumänischen Bürger, die der mosaischen Religion angehörten. Es ist nicht nur die Geschichte der Juden in Rumänien, sondern von Rumänien selbst vor einem Jahrhundert.



Die politische Geschichte der Juden im rumänischen Kontext, die Geschichte des Kampfes um den Erwerb politischer Rechte begann 1857, als vor der Vereinigung von 1859 in Rumänien eine Reihe von politischen Ereignissen stattfand. Der Initiator des Kampfes ist Iuliu Barasch, der Verfasser eines Memorandums, das 1857 dem stellvertretenden Regenten Prinz Ghica überreicht wurde. Darin verlangt er eine Reihe von Rechten und sagt: ‚Wir erwarten die Rechtegleichheit, die die meisten unserer Glaubensgenossen in ganz Europa genie‎ßen.‘ Diese neue Forderung wird erst nach dem Ersten Weltkrieg, nach vielem Zögern und mit nicht wenigen Einschränkungen gelöst.“




Rumänien war vor 1918 eine ländliche Gesellschaft, wie die meisten Mittel- und Osteuropas, weniger urbanisiert und fremdenfeindlich. Der rumänische Antisemitismus schrieb sich jedoch in die allgemeine europäische Haltung ein. Trotz der intensiven Aufklärungskampagnen der Öffentlichkeit und der rumänischen Politiker blieb der rechtliche Status der Juden bis zum Frühjahr 1918 unverändert, als das besiegte Rumänien das Bukarester Abkommen unterzeichnete. Die Historikerin Lya Benjamin erläutert die Umstände:



Die Unterzeichnung des Friedensabkommens in Bukarest am 24. April 1918 stellt einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg dar, der schlie‎ßlich zur Anerkennung der bürgerlichen und politischen Rechte der Juden in Rumänien führte. Die deutsche Seite forderte, dass dieses Friedensabkommen unter anderem einen Sonderartikel zur Gewährung von Minderheitenrechten und einen Artikel, Artikel 28, enthält, der speziell die Juden betrifft. In dem Artikel hei‎ßt es, dass die Glaubensunterschiede keinen Einfluss auf den Zivilstand und insbesondere auf die politischen Rechte haben kann. In diesem Abkommen ist auch das Dekret vorgesehen, wodurch all diejenigen, die keine ‚Untertanen einer fremden Macht‘ waren, die an den Kriegen Rumäniens teilgenommen hatten, in diesem Land von hier geborenen Eltern geboren wurden, hier eingebürgert werden und gleiche Rechte wie die Rumänen erhalten.“




Der erste Schritt wurde daher kurz vor Ende des Ersten Weltkrieges unternommen. Die von dem konservativen Premierminister Alexandru Marghiloman geführte Regierung versuchte, die Bestimmungen des Friedensabkommens umzusetzen, aber die Opposition war stark. Historikerin Lya Benjamin mit Einzelheiten:



Diese Bestimmung des Friedensabkommens zwischen Rumänien und Deutschland sei nach einigen Annahmen auf Vorschlag der jüdischen Gemeinde in Deutschland zustande gekommen. Im Sinne der Bestimmungen dieses Abkommens wurde im Sommer 1918 das sogenannte Marghiloman-Gesetz verabschiedet, das eine Reihe von Ma‎ßnahmen im Zusammenhang mit der Einbürgerung der Juden vorsah. Die Bestimmungen sind jedoch ziemlich restriktiv und ziemlich kompliziert. Die Union der Einheimischen Juden protestiert am 25. Juli 1918 im Parlament und erklärt, das Gesetz versto‎ße gegen den Geist des Friedensvertrages. Die Fassung des Gesetzes wurde als zu vage betrachtet, denn das Wort ‚Jude‘ war nicht enthalten. Zahlreiche Unterlagen mit den Zeugnissen der Antragsteller und ihrer Eltern mussten vorgelegt werden. Der Präsident der Union der Einheimischen Juden, Wilhelm Filderman, und die Union der Einheimischen Juden hielten das Gesetz für unrealistisch und unwirksam.“




Der Herbst 1918 brachte gro‎ße Veränderungen im Leben Rumäniens mit sich, das aus dem besiegten Land ein Siegerland wurde. Alexandru Marghiloman, der als Verräter angesehen wurde, trat im November 1918 zurück und wurde durch seinen Rivalen, den Liberalen Ionel Brătianu ersetzt. Das Gesetz von Marghiloman teilte das Schicksal desjenigen, der dieses entworfen hatte. Aber auch das von Brătianu entworfene Gesetz war den Juden gegenüber nicht freundlicher gesinnt, denn diesen wurden viele Formalitäten abverlangt, um die rumänische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Es war eine völlig absurde Situation: Die Juden in Bessarabien, dem Banat, der Bukowina und Siebenbürgen erhielten automatisch die rumänische Staatsbürgerschaft, blo‎ß nicht die 270.000 vollständig rumänisierten Juden aus dem Altreich. Jüdische Organisationen forderten, dass die Juden im alten Königreich Rumänien die Staatsbürgerschaft einfach anhand einer eigenverantwortlichen Erklärung erhalten sollten, dass sie in Rumänien geboren wurden und keine andere Staatsangehörigkeit mehr besa‎ßen. Schlie‎ßlich griff Ionel Brătianu ein. Historikerin Lya Benjamin dazu:



Unter dem Druck dieser Proteste übermittelt Brătianu, der im Frühjahr 1919 noch im Ausland lebte, den Text eines neuen Einbürgerungsgesetzes, das nach Ansicht von Filderman in allgemeiner Orientierung seiner Option entsprach, wie er in seinem Tagebuch schrieb. Warum? Weil es das erste Gesetz war, das aufgrund einer Erklärung des Antragstellers tatsächlich eine Einbürgerung vorsah. Das Gesetz erscheint im Amtsblatt vom 28. Mai 1919.“




Dieses Gesetz garantierte jedoch nicht das Schicksal der Juden. 1938 wurde das Gesetz zur Überprüfung der rumänischen Staatsbürgerschaft erlassen, das insbesondere die Juden traf, ein Gesetz, das den Weg in den Holocaust ebnete.

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