Minderheitenpolitik: Zur Geschichte der ungarischsprachigen Bolyai-Universität in Klausenburg
Der rumänisch-ungarische Streit des 20. Jahrhunderts wurde auch auf akademischem Terrain ausgetragen: Schauplatz war die Universität Klausenburg.
Steliu Lambru, 25.02.2019, 17:30
Die Hochschule setzte die Tradition des 1581 gegründeten Jesuitenkollegs und der 1872 gegründeten Universität mit ungarischer Unterrichtssprache fort. Die Universität in Cluj (dt. Klausenburg, ung. Kolozsvár) wurde zum Streitobjekt, zumal die Rumänen während der Revolution von 1848 eine rumänische Universität gefordert hatten, ein Wunsch, der ihnen in Österreich-Ungarn verwehrt blieb.
Nach 1918, als Siebenbürgen Bestandteil Rumäniens war, wurde in Cluj die Ferdinand I.“-Universität gegründet, und die alte Franz-Joseph“-Universität fand bis 1940 im ungarischen Szeged einen Unterschlupf. Nachdem Nordsiebenbürgen im August 1940 erneut an Ungarn abgetreten worden war, kehrte die ungarische Universität an den Ursprungsort zurück. Jetzt war für die rumänische Universität die Zeit gekommen, in Sibiu (Hermannstadt) Zuflucht zu suchen und erst nach 1945 nach Cluj zurückzukehren, als Rumänien das nördliche Siebenbürgen erneut übernahm.
Um die Wünsche beider Gemeinschaften zu erfüllen, beschlossen die Kommunisten, in Cluj zwei Hochschulen zu gründen, die rumänische Universität Victor Babeş“, nach dem Namen eines großen rumänischen Arztes, und die ungarische Universität János Bolyai“, zu Ehren eines großen ungarischen Mathematikers. 1959 fusionierten die beiden Einrichtungen und so entstand die heutige zweisprachige Babeş-Bolyai-Universität.
János Fazekás war in den Jahren des Kommunismus einer der Anführer der ungarischen Minderheit. In einem Interview mit dem Zentrum für Mündliche Geschichte des Rundfunks aus dem Jahr 2002 teilte Fazekás die Ansicht, Nicolae Ceauşescu sei für die Abschaffung der Bolyai-Universität verantwortlich gewesen.
Lassen Sie mich über Ceauşescus Chauvinismus erzählen. Als er die soziale und nationale Homogenisierung der Gesellschaft ins Programm der Partei aufnahm und formulierte, verstand er darunter die erzwungene Assimilation der nationalen Minderheiten und die Schaffung eines einzigartigen Volkes, einer neuartigen Nation. Er organisierte die Abschaffung der Bolyai-Universität, wobei auch Ion Iliescu mithalf, denn er war damals Präsident des kommunistischen Studentenverbands. Er organisierte in Klausenburg die nationale Konferenz, auf der rumänische und ungarische Studenten sprechen sollten, um die Vereinigung der beiden Universitäten zu fordern, jedoch mit dem Ziel, die Bolyai-Universität allmählich verschwinden zu lassen. Als die Nationale Studentenkonferenz abgehalten wurde, ging Ceauşescu zu Gheorghiu-Dej [damals Generalsekretär der Partei und Vorgänger Ceauşescus — Anm. d. Red.] und fragte: ‚Genosse Dej, was machen wir? Die Studenten fordern, die beiden Universitäten zu vereinen!‘ Darauf antwortete Gheorghiu-Dej: ‚Lass uns auf die Jugend hören, denn die Jugend kann immer voraussehen.‘ Und Dej trat dem Ganzen bei und so wurde er überredet, auf der Konferenz das Wort zu ergreifen.“
János Fazekás habe laut eigener Aussage versucht, die Bolyai-Universität zu retten, habe es aber nicht geschafft.
Damals war ich im Krankenhaus in Otopeni und wurde entlassen, und ich sagte Gheorghiu-Dej: »Genosse Dej, wie konnten Sie so einen Fehler machen? Sie haben vergessen, dass Sie im Jahr 1947, als Sie vom Vertrag von Paris zurückkamen und von Oradea aus sprachen, Folgendes gesagt haben: ‚Ich habe Nordsiebenbürgen zurückerhalten, aber ich habe es nicht als Folge eines sogenannten historischen Rechtes zurückbekommen. Ich habe es nicht zurückbekommen, weil die Mehrheit dort Rumänen sind. Wir haben es nicht zurückbekommen, weil wir am letzten Teil des Krieges gegen Hitler teilgenommen haben, aber wir haben es wegen der demokratischen Politik unserer Partei, der Regierung von Petru Groza, zurückbekommen.‘« Das habe ich gesagt, und dann zeigte ich ihm die Zeitung, in der stand, dass der Genosse Dej bei den Verhandlungen zum Vertrag von Paris leichtes Spiel hatte, als er zeigte, dass es eine ungarische Universität gab, eine andere ungarische Universität in Târgu Mureş für Medizin, die Ungarische Akademie der Schönen Künste, das ungarische Konservatorium in Cluj, als wir ungarischsprachigen Schul- und Hochschulunterricht hatten.“
Ernő Gáll war Vizerektor der Bolyai-Universität. In einem Interview von 1995 hob er die schwierigen Momente der ungarischen Universität in der stalinistischen Zeit hervor.
Es gab diese beiden Universitäten nach ‘45 in Cluj und es entstand eine gewisse Zusammenarbeit zwischen ihnen. Diese Zusammenarbeit war natürlich und notwendig und stand im Einklang mit der damaligen Ideologie, mit der internationalen Ideologie, die Freundschaft predigte. Lehrkräfte, die dort arbeiteten, durchliefen auch die stalinistische Periode, besonders nach 1949, als die beiden Rektoren dieser Universität in stalinistischen Prozessen festgenommen und verurteilt wurden. Es geht um Ludovic Csogor, den Rektor der Universität und gelernter Arzt, sowie Edgár Balogh, der zweite Rektor. In diesen Jahren ist das Bildungsniveau natürlich gefallen, und es gab Jahre, in denen diese Universität nicht höher als eine durchschnittliche Schule bewertet werden konnte. In keinem Fall konnte sie als moderne Universität in Betracht gezogen werden. Zu meinem Glück hat sich die Situation in den Jahren 1952/53, vor allem nach Stalins Tod, verbessert und die Universität hat tatsächlich eine Phase relativen Wachstums und geistiger Entwicklung erlebt. Die Lehrer wurden nicht gewechselt, neue Kader wurden ausgebildet.“
Ernő Gáll glaubte, dass das Schicksal der Universität, die er geleitet hatte, nach der antikommunistischen Revolution von 1956 in Ungarn besiegelt wurde.
1956 war die ungarische Revolution eine dramatische und tragische Wende und ein Ereignis. In vielerlei Hinsicht. Unter dem Impuls der Ereignisse in Ungarn begannen die ungarischen Intellektuellen in Klausenburg, insbesondere die Schriftsteller, die Lage zu kritisieren. Das heißt, es entstand eine Bewegung, die die bisherige Situation in Frage stellte, und diese Strömung und dieses Gefühl der relativen Befreiung beeinflusste sicherlich Studenten und Professoren. Die Studenten entwickelten ein Memorandum, in dem sie bestimmte Rechte forderten, und so hat man sich in einer ziemlich widersprüchlichen Situation wiedergefunden. In meinem Herzen und im Bewusstsein war ich bei ihnen, aber als Prorektor musste ich alle Komplikationen und Schwierigkeiten bewältigen. Danach gab es eine Welle der Vergeltung. Viele Studenten und viele Lehrer, vor allem junge Kader, wurden 1957 während der Repression festgenommen.“
Trotz der bewegten Geschichte eines turbulenten Jahrhunderts ist die Universität Babeş-Bolyai“ heute eine multikulturelle. Sie ist ein positives Beispiel dafür, wie eine problematische Geschichte ein praktikables Modell des Zusammenlebens erzeugen kann.