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Rumänisches Fernsehen in den 1960er–70er Jahren: staatliche Propaganda, aber auch sozialer Auftrag

Zwischen 1945 und 1989 waren die rumänischen Massenmedien der kommunistischen Führung und Zensur unterworfen. Der Prozess der Unterwerfung verlief schrittweise, wirkte aber nachhaltig.

Rumänisches Fernsehen in den 1960er–70er Jahren: staatliche Propaganda, aber auch sozialer Auftrag
Rumänisches Fernsehen in den 1960er–70er Jahren: staatliche Propaganda, aber auch sozialer Auftrag

, 18.02.2019, 17:30

Ab Mitte der 1940er Jahre wurden Printmedien und Hörfunk zentral gesteuert. Die Geburtsstunde des Fernsehens fand vor einem Hintergrund der ständigen Kontrolle vonseiten der Staatspartei statt. Die rumänische Presse diente in der Nachkriegszeit der kommunistischen Propaganda, aber das 1957 gegründete Fernsehen versuchte, auch sozialen Themen und Unterhaltungssendungen nach westlichen Standards Rechnung zu tragen. Der Journalist Ion Bucheru war Anfang der 1970er Jahre Vizeintendant der Rumänischen Rundfunkanstalt. Zuvor hatte er bei den Printmedien gearbeitet und sah den Posten beim Fernsehen als Herausforderung an. In einem Interview mit dem Zentrum für Mündliche Geschichte des rumänischen Hörfunks von 2003 erklärt Bucheru, dass das Fernsehen eine Investition gewesen sei, mit der versucht wurde, Rumänien den Anschluss an die restliche Welt zu ermöglichen.



Der Zufall wollte es, dass ich 1970 eine Stelle beim Fernsehen angeboten bekam. Es sei erwähnt, dass zu dem Zeitpunkt gerade die neue Sendeanlage in der Calea Dorobanţilor fertiggestellt worden war, zu dem Zeitpunkt eine der modernsten Sendeanlagen der Region, die technisch mit den neuesten und den leistungsstärksten Geräten ausgestattet war — auf jene Zeit bezogen, natürlich. Leider waren die Dimensionen nicht genau berechnet worden, d.h. bei der Planung und dem Bau war ein Betrieb von etwa 50 bis 55 Stunden pro Woche vorgesehen: Sendung, Produktion und Ausstrahlung. Für dieses Arbeitsvolumen war die Sendeanlage ideal, sie war funktional gebaut, die gro‎ßen Studios, die Produktion, insgesamt waren die drei Studios zu diesem Zeitpunkt ausreichend. Nun, bald sollte sich die Investition aufgrund des Ausma‎ßes des Fernsehens als überholt erweisen. Ich sollte den gesamten journalistischen Bereich übernehmen, d.h. alle journalistischen Programme, soziale Recherchen, all das, was Reportage bedeutete, au‎ßerhalb der Nachrichten und des Journals und der Wirtschaftsprogramme.“




Natürlich bestand der Hauptauftrag des staatlichen Fernsehens in der Propaganda zugunsten des Regimes. Im Interview von 2003 machte Bucheru keinen Hehl daraus.



Von einem Vizepräsidenten erwartete man die Koordination und Ausrichtung einiger Bereiche und natürlich die politisch-ideologische Ausrichtung der Programme und ebenso die unbedingt notwendigen kulturellen Elemente, die zu dieser Zeit, in den 70er Jahren, selbstverständlich waren. Der gesamte Prozess erlebte irgendwann einen sehr schnellen, sehr scharfen, dramatischen, sogar tragischen Verfall. Als ich zum Fernsehen kam, war die allgemeine Ausrichtung der Anstalt jene eines Parteiorgans, wie das in der gesamten Presse der Fall war. Der erste Punkt der Verfassung sah die Parteiführung in allen Tätigkeitsbereichen vor, insbesondere in den Bereichen des geistigen, kulturellen, politischen, ideologischen Lebens. Ich glaube nicht, dass irgendjemand der Welt vorgaukeln sollte, er hätte vor 89 in der rumänischen Presse gearbeitet, ohne in der Parteipresse zu arbeiten! Natürlich gab es einen gewaltigen Unterschied zwischen der Art und Weise, in der dieses Prinzip bei Kulturzeitschriften wie »Secolul XX« (»Das 20. Jahrhundert«) oder »România Literară« gelebt wurde, obwohl auch diese als Organ des Schriftstellerverbandes eine gewisse Bedeutung hatte, und etwa bei der Rundfunkanstalt. Im Grunde war es aber dasselbe.“




In den 1970er Jahren erreichte das rumänische Fernsehen 117 Stunden Sendezeit pro Woche, eine beeindruckende Statistik für seine damaligen Ressourcen, die jedoch im Vergleich zu westlichen öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern eher bescheiden ausfiel. Trotzdem habe das Fernsehen eine kulturpädagogische Funktion übernommen, berichtete Ion Bucheru.



Das Filmrepertoire war recht ordentlich, obwohl die Spielfilme einen geringeren Anteil hatten als bei westlichen Fernsehsendern, darunter auch das öffentliche Fernsehen. Die Filme waren pädagogisch wertvoll. Die Serien waren im Allgemeinen aufmerksam ausgewählt und ich gehörte zu den gro‎ßen Konsumenten von BBC-Fernsehserien. Es ist zum Beispiel interessant, dass die »Forsyte Saga« in Bukarest ausgestrahlt wurde, noch bevor sie in Paris ausgestrahlt wurde. Das Fremdsprachenprogramm begann in den 1970er Jahren, als ich dort ankam, mit dem präzisen Auftrag, Fremdsprachenkurse im Fernsehen anzubieten.“




Auch die sozialen Inhalte waren in den 1970er Jahren, in denen ein wenig Meinungsfreiheit erlaubt war, äu‎ßerst beliebt. Aber dies sollte sich im nächsten Jahrzehnt ändern. Ex-Vizeintendant Ion Bucheru erinnerte sich 2003 an zwei sehr beliebte soziale Sendungen: Reflector“ und Ancheta socială“.



Ich war für »Reflector« als Vertreter der Institutionsleitung verantwortlich. Die Sendung wurde zu dieser Zeit zweimal in der Woche gesendet, und »Ancheta socială« wurde mindestens alle zwei Wochen ausgestrahlt. »Reflector« war 20, manchmal 25 Minuten lang, »Ancheta« stieg auf 50 Minuten an und sogar eine Stunde. Diese beiden Programme waren zu einer sozialen Institution geworden: Die Menschen wandten sich oft an »Reflector« und »Ancheta socială«. Die fünf Produzenten des »Reflector« waren wie Staatsanwälte, die ihr Mandat wie ein öffentliches Mandat ausübten. Sie hatten einen persönlichen Briefwechsel mit den Menschen, sie wurden einfach von Personen gerufen, die keine andere Hoffnung mehr hatten, oder von Institutionen, die sogar die rechtlichen Möglichkeiten zur Beilegung von Rechtsstreitigkeiten mit Privatpersonen und anderen Behörden ausgeschöpft hatten.“




In den späten 1970er Jahren bü‎ßte das rumänische Fernsehen jedoch an Attraktivität ein, und seine Programme wurden zunehmend farblos und dem Personenkult um Nicolae Ceauşescu verschrieben. In den 1960er und vor allem in den 1970er Jahren hatten die Journalisten der Anstalt aber bewiesen, dass sie ihren Beruf professionell hätten ausüben können, wenn sie die Freiheit gehabt hätten.

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