Rumänien, Nazi-Deutschland und die antisemitische Politik der 1940er Jahre
In der ersten Hälfte der 1940er Jahre waren Rumänien und Deutschland verbündet. Die beiden Länder arbeiteten allerdings nicht nur an der Front zusammen, sondern auch bei der Gestaltung antisemitischer Politiken.
Steliu Lambru, 07.01.2019, 17:30
Deutschland betrieb im Zweiten Weltkrieg eine Politik der schrittweisen Vernichtung der Juden, die ab 1942 immer radikaler wurde. Sie fand ihren negativen Höhepunkt in der sogenannten Endlösung“, durch die die Juden in die Lager auf dem Gebiet des heutigen Polen deportiert und dort hingerichtet wurden. Auf der anderen Seite hat Rumänien eine sprunghafte antisemitische Politik angewandt, zunächst mit einer radikalen Haltung und später mit der Ablehnung der Inhaftierung von Juden in Lagern.
Der Historiker Ottmar Traşcă vom George-Bariţiu-Institut für Geschichte in Cluj (Klausenburg) beschrieb im Interview mit Radio Rumänien die Beziehungen zwischen Rumänien und Deutschland in der Haltung zu den Juden in der ersten Hälfte der vierziger Jahre. Ende der 1930er Jahre und Anfang der 1940er Jahre habe Rumänien eine durchwegs antisemitische Politik geführt, so der Historiker. Bei der Gestaltung seiner Rassenpolitik sei das Antonescu-Regime auch von der deutschen Seite beraten worden.
Das Antonescu-Regime hatte ursprünglich während der Regierung der rechtsextremen Eisernen Garde von 1940 eine Politik der Rumänisierung eingeführt, die nach dem Sturz der Regierung im Januar 1941 fortgesetzt wurde. Ab März 1941 wurde in Rumänien, an der deutschen Gesandtschaft in Bukarest, ein Berater für jüdische Fragen angestellt, der SS-Kapitän Gustav Richter. Was war dessen ursprünglicher Auftrag? Er war auf Ersuchen der Antonescu-Regierung zusammen mit anderen Beratern aus anderen Bereichen gekommen, und sein Auftrag bestand darin, die antisemitischen Gesetze in Rumänien mit denen Deutschlands zu harmonisieren. Ab Herbst 1941 und besonders ab 1942 musste er die Anwendung der Endlösung in Rumänien vorbereiten. Bei allen wichtigen antisemitischen Gesetzen, die zwischen 1941 und 1942 erlassen wurden, war Gustav Richters Rolle ausschlaggebend.“
Die Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Rumänen bei der Beseitigung der Juden aus Bessarabien, der nördlichen Bukowina, Transnistrien und Odessa verlief sehr gut. Ottmar Traşcă hat in deutschen Militärarchiven recherchiert und dort eindeutige Beweise für die Annäherung zwischen den Deutschen und den Rumänen entdeckt.
Mit dem Ausbruch des deutsch-sowjetischen Krieges geht die jüdische Angelegenheit in eine andere Phase über. Und zwar findet jetzt eine Zusammenarbeit zwischen den deutschen Vernichtungseinheiten, den sogenannten »Einsatzgruppen«, auf rumänischem Gebiet statt, worunter wir Bessarabien, die nördliche Bukowina und Transnistrien verstehen. An der Südflanke standen 4 Einsatzgruppen hinter den deutschen und rumänischen operativen Einheiten. Die Einsatzgruppe D wurde von Oberst Otto Olendorf angeführt. Die Vernichtungsbilanz dieser Einsatzgruppe D ist schockierend, sie ermordete mehr als 90.000 Menschen. Als ich mir die Berichte ansah, die täglich an die Berliner Zentrale geschickt wurden, gab es dort Verweise auf die Zusammenarbeit mit den rumänischen Behörden. Und überall heißt es, ‚die Zusammenarbeit ist sehr gut‘, einschließlich mit der Armee, der Gendarmerie und der Polizei. Die Art und Weise, in der die rumänischen Behörden und das Antonescu-Regime mit den Juden aus Bessarabien, der nördlichen Bukowina und Transnistrien umgegangen sind, hat auf der Ebene der deutschen Führung Bestürzung ausgelöst, und ich beziehe mich hier sogar auf Adolf Hitler. Am 19. August 1941 sagt Hitler zu Goebbels: ‚In der jüdischen Frage handelt ein Mann wie Antonescu viel radikaler als wir es bisher getan haben.‘ Eine solche direkte Anerkennung von Hitler sagt sehr viel aus.“
Im Juni 1942 stimmte die rumänische Regierung der Deportation der rumänischen Juden zu, die sich damals im Ausland befanden. So wurden 5.000 Juden überwiegend aus Frankreich nach Auschwitz deportiert, wo sie ihr Ende fanden. Die Vorgehensweise der Antonescu-Regierung sollte sich jedoch bald ändern, berichtet der Historiker Ottmar Traşcă.
Die Situation ändert sich im Herbst 1942. Wir wissen sehr wohl, dass die Regierung von Antonescu im August 1942 die Deportation aller rumänischen Juden beschlossen hatte, angefangen mit den Juden aus den westlichen Landkreisen Temesch, Turda und Arad. Warum wurden sie letzten Endes aber nicht deportiert? Vor allem dank der Einflussnahme von Wilhelm Filderman, eines jüdischstämmigen rumänischen Politikers und Anwalts, der Antonescu kannte. Seine Stellungnahmen waren sehr gut konstruierte, argumentierte Interventionen. Filderman war sehr geschickt darin, einen äußerst sensiblen Punkt Antonescus zu berühren, nämlich die siebenbürgische Frage. Filderman fragte, wozu die Deportation der Juden überhaupt nutzen würde, solange Ungarn nicht das Gleiche tat. Die Deportation der Juden hätte Rumänien Kopfzerbrechen bereitet und Nachteile im Wettbewerb zwischen Rumänien und Ungarn um die Zugehörigkeit Siebenbürgens geschaffen. Ungarn hatte keinen einzigen Juden deportiert, jeglicher Druck aus Deutschland war zurückgewiesen worden. Fildermans Argument hatte Wirkung. Wir kennen außerdem die Interventionen des Barons Francisc Neumann, die Interventionen von Iuliu Maniu, die der Königinmutter Elena. Zusätzlich zu diesen Interventionen haben wir im Oktober 1942 durch die Gesandtschaft der Schweiz in Rumänien eine drastische diplomatische Stellungnahme der US-Regierung erhalten, in der die US-Regierung mit Vergeltungsmaßnahmen gegen rumänische Bürger in Amerika drohte, wenn die Deportationen von Juden nicht gestoppt würden. Und vor allem haben wir Stalingrad, das für die Haltungsänderung entscheidend war. Antonescu war pragmatisch, er war kein schwacher Heerführer, spätestens nach Stalingrad verstand er, dass Deutschland den Krieg verloren hatte. Anstelle der Deportation der rumänischen Juden in die Todeslager in Polen gab es im Dezember 1942 einen Wendepunkt in der Politik von Antonescu, nämlich die Zustimmung für die Auswanderung der Juden nach Palästina.“
Doch das Belastende bleibt: Rumänien und Deutschland gingen in der Politik der Vernichtung europäischer Juden in den Jahren des Zweiten Weltkrieges einen gemeinsamen Weg. Obwohl sie letztendlich unterschiedliche Ansichten über die Endlösung“ hatten, geht die Verantwortung beider Länder in die Geschichte ein.