RRI Live!

Hören Sie Radio Rumänien International Live

Rumänische Revolution von 1989: Nach 29 Jahren im Kollektivgedächtnis verankert

Vor 29 Jahren entrann Rumänien gemeinsam mit den anderen mittel- und osteuropäischen Ländern der Tyrannei der kommunistischen Regime und kehrte zu der demokratischen Normalität zurück, der das Land Ende des Zweiten Weltkriegs beraubt worden war.

Rumänische Revolution von 1989: Nach 29 Jahren im Kollektivgedächtnis verankert
Rumänische Revolution von 1989: Nach 29 Jahren im Kollektivgedächtnis verankert

, 24.12.2018, 18:00

In Timişoara (Temeswar), Bukarest, Iaşi (Jassy), Cluj (Klausenburg), Braşov (Kronstadt), Sibiu (Hermannstadt) und anderen Städten gingen die Rumänen für Freiheit und Rechte auf die Stra‎ße. Es war der gro‎ße Moment dieser Generation, der ein Jahrhundert des Terrors, der Massenmorde und des Leidens beendete. Im Schicksalsjahr 1989 trauten sich die Menschenmassen letztendlich, offen auf der Stra‎ße gegen den Kommunismus zu kämpfen. Im eigenen Namen, aber auch im Namen ihrer Vorgänger und derer, die zum Schweigen gebracht worden waren, im Namen aller Toten ohne Grab, forderten sie ein menschenwürdiges Leben.



In den letzten Tagen des Jahres 1989 haben die Menschen mit Begeisterung an der Geburt des neuen Rumänien teilgenommen. Am 22. Dezember 1989 fühlten sich die Protestteilnehmer ihrem Sieg erheblich näher, an dem Tag, an dem Diktator Nicolae Ceauşescu mit dem Hubschrauber vom Dach des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei geflohen war. Die Dichterin Ana Blandiana war eine der ersten Intellektuellen, die an dem Tag Radio Rumänien ein Interview gegeben hatte.



Freunde, ich bin gerade im Rundfunkgebäude angekommen, ich komme vom Platz des Palastes, wo ich neben Zehntausenden von Menschen stand, die an einem Ort versammelt waren, und keiner von ihnen konnte wirklich glauben, dass er diesen Tag erlebt. Es fällt mir sehr schwer, zu glauben, dass wir nach so vielen Jahren der Demütigung, dass wir selbst imstande waren, nicht durch eine politische Vereinbarung, nicht durch die Unterstützung anderer, die grö‎ßer und stärker als wir sind, sondern durch uns selbst, mit unserer eigenen Seele die Befreiung schaffen. Die Toten von Timişoara und die Toten von Bukarest haben uns plötzlich das Vertrauen in uns und die Kraft gegeben, wir selbst zu sein.“




Die rumänische Revolution endete mit rund 1.200 Toten, dem blutigsten Übergang vom Totalitarismus zur Demokratie in Mittel- und Osteuropa des Jahres 1989. Der Historiker Ioan Scurtu war Leiter des Instituts zur Erforschung der Revolution, er geht im Interview mit Radio Rumänien der Frage nach, warum die Kommunistische Partei (PCR) keinen Reformer hatte, der in der Lage gewesen wäre, die Absetzung Ceauşescus zu fordern und einen friedlichen Regimewechsel zu gewährleisten.



Ceauşescu hat nur die ihm treuen Personen gefördert, das waren alles Wendehälse. Ich habe zum Beispiel die Memoiren von Dumitru Popescu gelesen, einem Mitglied des exekutiven Politbüros des ZK der Kommunistischen Partei, in denen er erwähnte, dass nur Nicolae Ceauşescu bei den Sitzungen dieses Gremiums sprach. Alle anderen hörten zu und er verlie‎ß diese Sitzungen stets mit Kopfschmerzen und musste zu Fu‎ß nach Hause gehen, um sich auf dem Weg in das Primăverii-Viertel zu entspannen. Natürlich kam es ihm nicht in den Sinn, dass er im Grunde genommen aufgrund seines Amtes tatsächlich verantwortlich war. Wenn Ceauşescu am Ende nur noch alleine gesprochen hatte, und die anderen waren nur da, um zuzuhören und sich Notizen zu machen, lag dies auch an denen, die diese meiner Meinung nach beschämenden Situation akzeptierten. Der frappierendste Moment war der, als Ceauşescu empört aufschrie, weil gegen die Demonstranten in Timişoara keine drastischen Ma‎ßnahmen ergriffen worden waren: ‚Ich kann mit diesem politischen Exekutivkomitee nicht mehr zusammenarbeiten und ihr müsst euch einen anderen Generalsekretär wählen.‘ Und alle sprangen auf und sagten: ‚Verlassen Sie uns nicht, bitte, wir sind Ihnen treu, wir bleiben an Ihrer Seite, Sie bleiben an der Spitze.‘ Ich meine damit, nicht einmal als die zwölfte Stunde geschlagen hatte, würde ich sagen, hatte niemand den Mut, zu sagen: ‚Wir nehmen Ihren Rücktritt zur Kenntnis, wir sind eine kollektive Führung, wir teilen dem aufgebrachten Volk mit, dass Nicolae Ceauşescu zurückgetreten ist.‘ Vielleicht wären die Entwicklungen völlig anders gewesen und wir hätten das Blutbad gestoppt. Der Opportunismus dieser Menschen spielte eine sehr wichtige Rolle bei der Abfolge der dramatischen Ereignisse von damals.“




Der Prozess gegen Elena und Nicolae Ceauşescu am 25. Dezember 1989 war eine der spannungsvollsten Episoden der Revolution. Die beiden Tyrannen, die Rumänien seit fast 25 Jahren in Kälte und Hunger gehalten hatten, erhielten ihre wohlverdienten Strafen. Aber nicht lange danach bedauerten manche bereits das Ende der beiden, und der Prozess selbst, der immerhin für Gerechtigkeit gesorgt hatte, wurde in Frage gestellt. Der Politologe Ioan Stanomir von der Fakultät für Politikwissenschaften der Universität von Bukarest glaubt, dass die Erinnerungen vieler Menschen an die äu‎ßerst schwierigen Zeiten, die sie erlebt hatten, oberflächlich waren, und dass ihre Haltung nach der Rettung vor dem Bösen versöhnlicher wurde.



Es ist die Tat, die uns daran hindert, uns vom Kommunismus zu trennen. Genau diese Hinrichtung beweist die tiefe Kontinuität zwischen dem kommunistischen Regime und dem Iliescu-Regime. Ion Iliescu ist der Ausdruck eines Versuchs der Rumänen, sich zu distanzieren, ohne sich loszulösen. Ein typischer Versuch postkommunistischer Gesellschaften, eine Unschuld zu bewahren, die sie nicht mehr haben. Alle, die den Kommunismus erlebt haben, sind nicht länger unschuldig. Egal ob sie Opfer waren, ob sie Henker waren oder in der grauen Masse der Mitläufer. Totalitäre Regime stehlen die Unschuld der Menschen. Und dies ist meines Erachtens die wichtigste Möglichkeit, die sehr komplizierte Einstellung der Völker Osteuropas und der Völker der Sowjetunion gegenüber dem Kommunismus zu verstehen. Der Kommunismus ist wie ein Nessos-Hemd, das an einem haftet und wenn man es ausziehen will, verbrennt es einen.“




Auch fast drei Jahrzehnte danach ist die rumänische Revolution vom Dezember 1989 stark im Kollektivgedächtnis der Generation von damals verankert, da sie immer noch die Gegenwart beeinflusst. Und so wird es bleiben, bis die Generationen, die die Revolution nicht direkt erlebt haben, sie aufarbeiten und ihr anders gedenken werden.

Geschichte der modernen rumänischen Zivilisation: 100 Jahre seit Herausgabe von Lovinescus Werk

Geschichte der modernen rumänischen Zivilisation: 100 Jahre seit Herausgabe von Lovinescus Werk

Eugen Lovinescu ist 1881 in Fălticeni, im Norden Rumäniens, geboren und 1943 in Bukarest gestorben. Er ist unter anderem für sein umfangreiches...

Geschichte der modernen rumänischen Zivilisation: 100 Jahre seit Herausgabe von Lovinescus Werk
Parteizeitung „Scânteia“: die Anfänge des Presseorgans der rumänischen Kommunisten

Parteizeitung „Scânteia“: die Anfänge des Presseorgans der rumänischen Kommunisten

Eine der stärksten Waffen der Propaganda der kommunistischen Regime war die Presse. Die Rede- und Pressefreiheit ist ein Recht, das im 18....

Parteizeitung „Scânteia“: die Anfänge des Presseorgans der rumänischen Kommunisten
Geschichte des Kommunismus: Wie sich die Securitate vom KGB emanzipierte

Geschichte des Kommunismus: Wie sich die Securitate vom KGB emanzipierte

  RadioRomaniaInternational · Geschichte des Kommunismus: Wie sich die Securitate vom KGB emanzipierte   Es war der bis dahin kremltreue...

Geschichte des Kommunismus: Wie sich die Securitate vom KGB emanzipierte
Gheorghe Gheorghiu –Dej şi Petru Groza /

Die Agrarreform der Kommunistischen Partei

Selbst in ländlichen Gebieten, in denen der Boden das wichtigste Produktionsmittel war, musste das Privateigentum abgeschafft werden. Dies war in...

Die Agrarreform der Kommunistischen Partei

Die rumänische Militärflotte im Zweiten Weltkrieg

Bis dahin besaßen die rumänischen Fürstentümer keine Fluss- und Seemilitärflotten, da sie einerseits das Recht dazu nicht hatten, weil sie unter...

Die rumänische Militärflotte im Zweiten Weltkrieg
Pro Memoria – zur Geschichte Rumäniens Montag, 16 September 2024

Nicolae Titulescu und die rumänische Diplomatie der 1930er Jahre

Das Ende des Ersten Weltkriegs hatte eine angespannte Atmosphäre und von Ressentiments geprägte europäische Beziehungen hinterlassen. Die...

Nicolae Titulescu und die rumänische Diplomatie der 1930er Jahre

Der Plan Z

Die nach 1945 besetzten Länder Mittel- und Osteuropas, denen kommunistische Parteiregime aufgezwungen wurden, hatten praktisch keine nationalen...

Der Plan Z

Rundfunkgeschichte: Hörspiele für Kinder waren ein konstanter Erfolg

  RadioRomaniaInternational · Rundfunkgeschichte: Hörspiele für Kinder waren ein konstanter Erfolg   Hörspiele für Kinder aus dem...

Rundfunkgeschichte: Hörspiele für Kinder waren ein konstanter Erfolg

Partner

Muzeul Național al Țăranului Român Muzeul Național al Țăranului Român
Liga Studentilor Romani din Strainatate - LSRS Liga Studentilor Romani din Strainatate - LSRS
Modernism | The Leading Romanian Art Magazine Online Modernism | The Leading Romanian Art Magazine Online
Institului European din România Institului European din România
Institutul Francez din România – Bucureşti Institutul Francez din România – Bucureşti
Muzeul Național de Artă al României Muzeul Național de Artă al României
Le petit Journal Le petit Journal
Radio Prague International Radio Prague International
Muzeul Național de Istorie a României Muzeul Național de Istorie a României
ARCUB ARCUB
Radio Canada International Radio Canada International
Muzeul Național al Satului „Dimitrie Gusti” Muzeul Național al Satului „Dimitrie Gusti”
SWI swissinfo.ch SWI swissinfo.ch
UBB Radio ONLINE UBB Radio ONLINE
Strona główna - English Section - polskieradio.pl Strona główna - English Section - polskieradio.pl
creart - Centrul de Creație Artă și Tradiție al Municipiului Bucuresti creart - Centrul de Creație Artă și Tradiție al Municipiului Bucuresti
italradio italradio
Institutul Confucius Institutul Confucius
BUCPRESS - știri din Cernăuți BUCPRESS - știri din Cernăuți

Mitgliedschaften

Euranet Plus Euranet Plus
AIB | the trade association for international broadcasters AIB | the trade association for international broadcasters
Digital Radio Mondiale Digital Radio Mondiale
News and current affairs from Germany and around the world News and current affairs from Germany and around the world
Comunità radiotelevisiva italofona Comunità radiotelevisiva italofona

Provider

RADIOCOM RADIOCOM
Zeno Media - The Everything Audio Company Zeno Media - The Everything Audio Company