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Phanarioten-Zeitalter: zwiespältige Wahrnehmung

Kaum eine Epoche wurde so kontrovers von Historikern diskutiert wie die Phanariotenzeit: Einige sahen in ihr eine Epoche der Korruption und des Verfalls, andere betrachteten sie als Ausgangspunkt der Modernisierung.

Phanarioten-Zeitalter: zwiespältige Wahrnehmung
Phanarioten-Zeitalter: zwiespältige Wahrnehmung

, 14.05.2018, 18:00

Das 18. Jahrhundert ist in der Geschichte Rumäniens als Phanarioten-Jahrhundert“ nach dem Namen des Phanar-Viertels (auch Fanar, Fener) in Konstantinopel bekannt. Von hier stammen die Fürsten der Walachei und der Moldau in der Periode. Übersetzt in die Sprache der universellen Geschichtsschreibung, könnte man das rumänische Phanarioten-Jahrhundert als ancien régime“ bezeichnen. Von der Romantik als Jahrhundert der Korruption und des allgemeinen Verfalls betrachtet, sind die heutigen Historiker der Auffassung, dass es auch ein Jahrhundert der Kultur und der Suche war.


Die Phanarioten waren Mitglieder der reichen griechischen Adelsfamilien, die in der osmanischen Hauptstadt Handel betrieben. Die Phanarioten leiteten die ökumenische Patriarchenkirche und hatten die osmanische Verwaltungshierarchie durchdrungen. Sie wurden insbesondere als Dolmetscher für den osmanischen Staat und für die Botschaften in der osmanischen Hauptstadt eingesetzt. Aus kultureller Sicht ist die Phanarioten-Ära gleichbedeutend mit der Einführung des orientalischen Lebensstils und seiner Moral und mit der Stärkung des griechisch-orthodoxen Christentums in allen türkischen Einflussgebieten. Manchmal wurde der Phanariotismus auch Byzantinismus genannt. Eigentlich beginnt das phanariotische Zeitalter in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, andere Historiker halten die Epoche für eine orientalische Entsprechung des Barock.



Formell erscheinen Phanarioten in der Geschichte Rumäniens im Jahr 1711 in der Moldau, als der letzte bodenständige Fürst, Dimitrie Cantemir, Zuflucht in Russland fand, und 1716 in der Walachei. Mehr als 100 Jahre lang wurden die Throne der beiden rumänischen Fürstentümer von mehreren Familien griechischer Herkunft wie Mavrocordat, Caragea, Suţu, Mavrogheni, Moruzi und albanischer Herkunft wie Ghica besetzt. Es gab aber auch rumänische Familien, die die griechische Kultur und Sprache annahmen, wie die Callimachis, und auch rein rumänische Familien wie Racoviţă und Sturdza.



Die Romantik machte den Orientalismus und das Phanariotentum für den wirtschaftlichen Rückgang und das Fehlen politischer Reformen in der rumänischen Gesellschaft verantwortlich. Aber es muss gesagt werden, dass aus den Reihen der Phanarioten die neue nationalen Eliten rekrutiert wurden. Diese haben die Modernisierung der rumänischen Gesellschaft nach 1800 unterstützt. Die Historikerin Georgeta Penelea-Filiti erläutert die historische Wahrnehmung der Phanarioten-Epoche, die formell mit der 1821 von Tudor Vladimirescu geführten Revolution endete:



Forschungen, die in Bezug auf die Geschichte Rumäniens durchgeführt und nicht veröffentlicht wurden, zeigen, dass es zwei Epochen von maximalem Interesse gibt. Eines ist das Alter, als die Daker und Römer hier waren, die Zeit des Römischen Imperiums. Und dann ist da noch die Phanarioten-Epoche. Die Antike gilt als eine Zeit des Ruhms, die Phanariotenzeit hingegen als eine Epoche, die man kritisiert. Alles, was schlecht war, wurde den Phanarioten angelastet. Es wird gesagt, dass unser heutiges Verhalten von den Phanarioten verschuldet sei. Natürlich ist unsere Mentalität heute nicht unbedingt eine Konsequenz dessen, was damals war, aber der Mensch ist froh, jemanden zu beschuldigen, ohne sich selbst zu hinterfragen, ohne darüber nachzudenken, was er selbst zu verantworten hat. Dieses Bild ist kein rezentes, es wurde von der romantischen Geschichtsschreibung unter der Leitung von Bălcescu und Kogălniceanu erstellt, es gab auch Griechen, die die Phanarioten insgesamt dämonisierten. Das Ergebnis war total negativ. Aber dann kam Nicolae Iorga gegen Ende des 19. Jahrhunderts und versuchte, die Dinge in Ordnung zu bringen.“




Die Hauptstädte der beiden Fürstentümer, Bukarest und Iaşi, waren nach dem Vorbild der Epoche im wahrsten Sinne des Wortes zwei orientalische Hauptstädte. Die wenigen ikonographischen Quellen aus dem 18. Jahrhundert zeigen uns ein Bukarest und ein Iaşi, wo kleine Häuser und einige Kirchen an den Ufern des bescheidenen Flusses vorherrschen. Im nächsten Jahrhundert tendierten die beiden Hauptstädte dazu, ausgeprägtere städtische Identitäten zu bekommen, Bukarest bekam eine etwas grö‎ßere Bedeutung. Die Hauptstadt der Walachei ist repräsentativ für diese Zeit, weil sie die grö‎ßte Stadt war, in der die wirtschaftlichen Interessen der Region aufeinander trafen und nach 1800 auch die politischen Interessen der gro‎ßen europäischen Mächte wie Frankreich und England. Bukarest des frühen 19. Jahrhunderts war eine Mischung aus Völkern, einem wachsenden Wirtschaftsknotenpunkt, wechselnden sozialen Kategorien, Reformen, Krisen und entstehende Institutionen. Die Eliten stellten sich unterschiedliche Regierungsformen vor und suchten Unterstützung in den Kanzleien der Gro‎ßmächte. Das Stadtbild von Iaşi, der Hauptstadt der Moldau, entsprach weitgehend jenem Bukarests.



Die rumänische Geschichtsschreibung hatte meistens eine negative Einstellung gegenüber den Phanarioten. Aber in den letzten Jahren haben einige Autoren diese Jahre erneut unter die Lupe genommen und den Zeitraum objektiver betrachtet. Georgeta Penelea-Filiti glaubt, dass die Zeit gekommen ist, das 18. Jahrhundert ohne Leidenschaft zu betrachten:



Der Gräzist und Byzantinist Tudor Dinu schlägt vor, die Phanarioten weder zu loben noch zu beschuldigen, sondern lediglich die Geschichte von Bukarest in allen möglichen Aspekten darzustellen. Wenn man das Phanarioten-Jahrhundert, das 18. Jahrhundert, in Bukarest näher betrachtet, sieht man den au‎ßerordentlichen Einfluss und Beitrag dieser Griechen in der Entwicklung der Stadt. Warum? Weil es im rumänischen Raum damals einige dynamische Elemente gab: die Griechen, Juden und Armenier. Von diesen standen die Rumänen den Griechen am nächsten. Diese Seelenverwandtschaft zwischen den Griechen und den Rumänen wurde damals verstärkt. Die Kaufleute, die Handelsbewegung, der Bukarester Markt, alle diese bildeten den Vereinigungsort unerwarteter Idee. Es herrschten damals die Phanarioten-Fürsten. Es ist ein ausgewogenes und faires Image, das für viele Menschen neu ist.“



Rumänien hat sich vor fast zwei Jahrhunderten von der Phanarioten-Epoche getrennt. Ihr Erbe ist noch in der Diskussion und die Pluralität der Meinungen darüber kann nur ein Zeichen von Reife und Unvoreingenommenheit sein.

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