Exil-Rumänen zu Zeiten des Kommunismus: Ion Raţiu kämpfte für Demokratie
Ion Raţiu war einer der wichtigsten demokratischen rumänischen Politiker nach 1990, der in seiner Jugend sowohl gegen die faschistische als auch gegen die kommunistische Diktatur gekämpft hat.
Steliu Lambru, 28.08.2017, 05:30
1990 kam er aus seinem Exil in Großbritannien zurück nach Rumänien und trug zur Wiederbelebung der historischen Nationalen Christlich-Demokratischen Bauernpartei und zum Wiederaufbau der Demokratie in Rumänien bei. Ioan Raţiu wurde am 6. Juni 1917 im westrumänischen Turda in einer Intellektuellen-Familie geboren, die für die nationalen Rechte der Rumänen im Habsburgerreich und später in Österreich-Ungarn gekämpft hat. Er studierte Jura in Cluj (Klausenburg) und Wirtschaft in Cambridge und wurde auch aktiv in der Bauernpartei. 1940 wurde er als Diplomat angestellt und im Februar 1940 nach London geschickt. Nachdem Frankreich, der wichtigste Alliierte Rumäniens, besetzt wurde, arbeitete Raţiu weiter in der Botschaft Rumäniens in London, bis Anfang September 1940. Dann wurde die Macht von General Antonescu und der Eisernen Garde ergriffen. Raţiu lehnte die Allianz mit Nazi-Deutschland ab.
1985 erklärte Ion Raţiu in einem Interview für die Sendung Actualitatea românească“ des Senders Freies Europa, unter welchen Umständen er in Großbritannien geblieben ist. Das Interview stammt aus dem Archiv des Zentrums für Mündliche Geschichte des Rumänischen Rundfunks:
Nach der Abreise des Königs Karl II. und der Ausrufung des Legionären Staates habe ich im September 1940 gekündigt. Ich bin zum britischen Außenministerium gegangen und habe politisches Asyl beantragt. Das habe ich auch gleich bekommen. Ich hatte das große Glück, ein Stipendium an der Cambridge-Universität zu bekommen und habe nach drei Jahren ein Master of Arts-Diplom im Bereich der Wirtschaftswissenschaften bekommen. Während der Zeit in Cambridge habe ich eine Reihe von Radio-Sendungen mit patriotischem Inhalt gemacht, die im Mittelpunkt Siebenbürgen hatten, insbesondere nach der Trennung Nordsiebenbürgens von Rumänien im Jahr 1940. Im Studentenleben im Rahmen des Verbandes rumänischer Studenten in Großbritannien war ich auch aktiv.“
Ion Raţiu wirkte auch in den Propaganda-Bemühungen für den Austritt Rumäniens aus der Achsenmächte-Allianz. Er wollte, dass Rumänien und ganz Mittel- und Osteuropa unter dem Einfluss der westlichen Demokratie nach dem Krieg bleibt.
Ich habe im Internationalen Studenten-Ausschuss gearbeitet, da war ich Vize-Vorsitzender während des Krieges. Ich war auch im Weltjugend-Exekutiv-Komitee tätig. Uns war die Zukunft Europas nach dem Krieg wichtig, weil wir in England im Exil waren. Deswegen haben wir die Organisation CECCILS gegründet, »Central East European Students for a New Society«. Obwohl ich jung war, wurde ich von der Bewegung der freien Rumänen rekrutiert, die sich der Ausrichtung Rumäniens an die Politik Nazi-Deutschlands widersetzte und die der Meinung war, dass Rumäniens Platz an der Seite der großen demokratischen Mächte des Westens ist, die Großrumänien gegründet hatten. In dieser Periode habe ich Artikel geschrieben, Konferenzen organisiert und wurde auch vom BBC eingeladen.“
Ion Raţiu wurde ein wohlhabender Geschäftsmann. Er gründete aber auch eine antikommunistische Organisation, die Weltunion der Freien Rumänen, und gab eine demokratische Zeitung, Românul liber“ (zu deutsch Der freie Rumäne“), heraus. Das war auch eine der einflussreichsten Publikationen des rumänischen Exils. Ion Raţiu dazu:
Schon 1955 gab ich wöchentlich ein englisches Nachrichtenblatt heraus. Ich nannte es »Free Romanian Press«, Ziel war es, den Westen, insbesondere die Zeitungen und die eiflussreichen Abgeordneten und Politiker in England über die Lage in Rumänien zu informieren. Nach 20 Jahren wandelte sich diese Publikation in eine etwas größere Zeitschrift, es war eine monatliche englisch-französische Broschüre. 1965 habe ich den Acarda-Verein, den Kulturellen Verband der Rumänen in England gegründet. Wir nannten ihn ‚kulturell‘, in unserer siebenbürgischen Tradition bedeutete das aber auch ‚politisch‘.“
1985 war Ion Raţiu davon überzeugt, dass nur die Einheit aller Rumänen die Rückkehr zur Demokratie ermöglichen könnte.
1980 habe ich zusammen mit Professor Brutus Coste aus Amerika alle aufgefordert, etwas zu machen, damit dieses Land im Westen ehrwürdig vertreten wird. Bis 1975 war ein Rumänischer National-Ausschuss tätig. Wir waren der Meinung, dass dieser Kampf weiter gehen muss und haben uns 1984 organisiert.“
Ion Raţiu kam 1990 zurück nach Rumänien und wurde in der Politik aktiv. Er starb am 17. Januar 2000 in London, wurde aber — so sein Wille — in seinem Geburtsort Turda bestattet.