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Bessarabien: Spielball der Mächte im russisch-türkischen Frieden von 1812

Das 19. Jahrhundert war von mehreren Kriegen zwischen dem Osmanischen Reich und Russland geprägt – der erste davon endete 1812 mit einem für das Fürstentum der Moldau denkbar schlechten Ergebnis: Russland annektierte den östlichen Teil des Gebiets.

Bessarabien: Spielball der Mächte im russisch-türkischen Frieden von 1812
Bessarabien: Spielball der Mächte im russisch-türkischen Frieden von 1812

, 14.08.2017, 17:30

Die alte russisch-türkische Rivalität verkomplizierte die Verhältnisse in diesem Teil Europas. Durch den Vertrag von Tilsit von 1807 willigte Napoleon I. ein, dass Russland die rumänischen Fürstentümer Moldau und Walachei besetzt, falls das Zarenreich über die Osmanen siegt. Nach sechs Jahren Krieg unterschrieben die Mächte einen Friedensvertrag in Bukarest, am 28. Mai 1812. In der bekannten Karawanseray des Armeniers Manuc wurde die Annektierung Bessarabiens besiegelt, also des Streifens zwischen Pruth und Dnjestr. Unter welchen internationalen Voraussetzungen verhandelt wurde, erzählt Andrei Cuşco von der Universität Chişinău:



Es kommt also offensichtlich zur Teilung des Fürstentums der Moldau. Die Annektierung findet zu einem für das Russische Reich sehr kritischen Zeitpunkt statt, im Kontext der Vorbereitung der Invasion Napoleons. Der seit 1806 dauernde russisch-türkische Krieg musste schnellstmöglichst beendet werden. Das ist die Priorität, die den damaligen Ablauf der Ereignisse erklärt. Die Pläne des russischen Reiches waren ja ambitionierter, es ging um die Besetzung beider rumänischer Fürstentümer. Darum ging es auch bei den Verhandlungen zwischen Zar Alexander I. und Napoleon vor 1812. Später einigte man sich nur auf die Moldau. Gegen Frühling 1812 waren die Russen bereit, einzulenken. Die Ereignisse überstürzten sich, sie gaben sich mit der Moldau allein zufrieden, allerdings bis zur Grenze auf dem Sereth-Fluss.“




Das Zarenreich gab also schrittweise nach und musste sich letztendlich dem Druck des Moments beugen und sich nur mit dem Ostteil der Moldau zufriedengeben, sagt Andrei Cuşco.



Warum wurde der Pruth zur Grenze? Weil Zar Alexander I. es so seinen Unterhändlern vorgegeben hatte. Der zukünftige Marschall und Napoleon-Besieger Michail Kutusow und der später in Bukarest eingetroffene Admiral Tschitschagow sagten klar, dass der Pruth die maximalste Konzession der russischen Seite sei. Am 28. Mai 1812 entstand also aufgrund des Friedens von Bukarest eine neue Region, die damals noch nicht Bessarabien hie‎ß. Im ersten Jahr der Besatzung hie‎ß sie einfach »Moldau jenseits vom Dnjestr«. Das hatte weder geographisch noch historisch und auch nicht territorial irgendwelche Tradition. »Bessarabien« war ursprünglich nur der Namen des südlichen Teils, des Budschaks, der bis zum russisch-türkischen Krieg von den Tataren besetzt war.“




Manche Historiker sind aufgrund der Dokumente zur Auffassung gelangt, dass der Verlust des Ostteils der Moldau auf das stümperhafte Vorgehen der osmanischen Unterhändler zurückzuführen sei. Hätten sie die Unterschreibung des Friedens weiter verzögert, hätten die Russen nicht einmal dieses Gebiet annektiert.



Es wird auch gesagt, dass man vielleicht die Teilung der Moldau hätte vermeiden können, wenn nur der Sultan einige Monate bis zur Invasion Napoleons gewartet hätte. Das kann man so direkt nicht beantworten, aber es gab mehrere Möglichkeiten, die man berücksichtigen kann — was sich tatsächlich zugetragen hat, ist nur eine davon“, meint Andrei Cuşco — so könne man ihm zufolge auch spekulieren, was passiert wäre, wenn die Russen die gesamte Moldau annektiert hätten. Es sei nicht auszuschlie‎ßen, dass das gesamte rumänische Nationalgefüge nicht in der Form entstanden wäre, in dem wir es heute kennen, sagt der Historiker. Russland war damals in voller Expansion und nicht zu halten. Andrei Cuşco sieht deshalb auch einen Lichtblick im Dunkeln der Annektierung:



Es ist wenig wahrscheinlich, dass die Russen am Dnjestr Halt gemacht hätten, diese Grenze hatten sie bereits 1792 erreicht. Diese Version der Ereignisse hat für die moldauische Eliten ein Dilemma angeregt, für die Bevölkerung weniger. Der westliche Teil der Moldau hat gerade deshalb eine Vereinigung mit der Walachei angestrebt, um einen Gegenpol zu Russland zu schaffen. Die Annektierung von 1812 hat das Projekt der Vereinigung der rumänischen Fürstentümer gewisserma‎ßen beschleunigt — dahingehend haben wir eine positive Konsequenz.“




Aus Sicht der Menschen in Bessarabien führten die Ereignisse natürlich zu neuen Komplikationen, meint Andrei Cuşco. Die östlichen Gebiete koppelten sich ab. Trotz enger Verbindungen zu den gleichsprachigen Menschen östlich des Pruth war 1848 Bessarabien vollständig in Russland integriert.

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