Die Republik von Ploieşti: komischer Putsch mit nachhaltiger Wirkung
Es gibt wenige Episoden in der rumänischen Geschichte, die für so viele Lacher sorgen, wie der kurzlebige Putsch gegen Fürst Karl. Doch trotz seiner Komik gilt der Mini-Staatsstreich als wichtiger Meilenstein in der Geschichte des rumänischen Staates.
Steliu Lambru, 05.09.2016, 18:17
Am 8. August des Jahres 1870 trafen sich in Ploieşti zwei Geheimbünde, um einen gewagten Plan auszulösen: Fürst Karl von Hohenzollern-Sigmaringen sollte abgesetzt, eine Republik dann ausgerufen werden. Die Verschwörer wollten das Telegrafenamt in der Stadt besetzen und hofften, dass die Armee und die Bewohner einiger wichtiger Städte sich mit der Bewegung solidarisieren werden. Die linksliberal — oder rotliberal, wie es damals hieß — geprägten Gruppen waren von der Herrschaft Karls und von dem Regierungschaos unter ihm enttäuscht. Nicht weniger als Hintergrund wichtig war der am 19. Juli 1870 ausgebrochene Krieg zwischen Deutschland und Frankreich. Rumänien begegnete dabei den Franzosen mit Sympathie, der 1866 in Rumänien eingetroffene Deutsche Karl von Hohenzollern-Sigmaringen wurde stattdessen angefeindet.
Die Führer der Verschwörung gingen zögerlich vor, auch weil einige Offiziere einen Rückzieher andeuteten. Eine Gruppe um den Anwalt und Journalisten Alexandru Candiano-Popescu hielt sich aber an den Plan und besetzte die Präfektur und das Telegrafenamt. Vor einer Menge von mehreren Tausend Menschen rief Candiano-Popescu die Absetzung von Karl und gleichzeitig seine eigene Einsetzung als Präfekt des Gebiets Prahova aus. Nach seiner Ansprache marschierte die Menschenmenge auf eine nahliegende Kaserne zu, um sich zu bewaffnen. Der Kommandeur verweigerte den Rebellen den Einlass, daraufhin marschierten diese zum Stadtgefängnis und befreiten die Gefangenen. Kurze Zeit später brach aber der Leiter des Telegrafenamtes in der Stadt Predeal die Verbindung zu Bukarest ab. Am gleichen Abend verhaftete die Armee rund 400 Verdächtige, aber auch mehrere Politiker von den Liberalen: Ion C. Brătianu, Eugeniu Carada und Nicolae Golescu. Alexandru Candiano-Popescu, der Rädelsführer, wurde in der Stadt Buzău aufgegriffen. Nach weniger als einem Tag Bestand löste sich die Republik von Ploieşti auf. Die Mächtigen schienen wenig nachtragend zu sein — 41 Verschwörer kamen vor Gericht, wurden aber freigesprochen.
Die Episode wurde zum beliebten Gesprächsthema am Stammtisch; der just aus Ploieşti stammende Schriftsteller und spätere Wahlberliner Ion Luca Caragiale verarbeitete sie dramaturgisch und literarisch. Doch die Republik von Ploieşti hatte eine besondere Bedeutung für die Stabilisierung der rumänischen Politik. Silvia Marton von der Fakultät für Politikwissenschaften an der Universität Bukarest glaubt, dass die Rebellion aufgrund der Funktionsmängel des jungen rumänischen Staates unvermeidbar war:
Zum damaligen Zeitpunkt herrschte eine Aufbruchsstimmung — alles war möglich, alles war offen. Alle Akteure — die Aufständischen, Karl, die Konservativen, die Liberalen, die Moderaten — standen vor einem riesigen Gestaltungsbedarf. Das führte zu unbedachten Handlungen mit durchaus kritisierbaren Ergebnissen. Sie wollten ein Parlament einrichten, vielleicht auch eine Republik, aber daran per se lag ihnen nicht sehr viel.“
Ob Monarchie oder Republik war weniger wichtig, sagt die Politikwissenschaftlerin — wichtig war, dass das Parlament eine hohe Bedeutung hat. Auch Karl selbst war auf der Suche nach seiner richtigen Position im Machtgefüge, ihm war nicht sehr klar, was genau vor sich geht. Brătianu als liberaler Vordenker verhielt sich in allen Regierungen dominant, die Konservativen versuchten, ein Mitspracherecht durchzusetzen, in die Jahre gekommene Revolutionäre von 1848 hatten ihre eigenen Ideen.
Die Anklage sprach von einem Staatsstreich, es ist aber eine antikonservative Reaktion gewesen. Es war weniger eine prorepublikanische Rebellion, sondern eher eine Bewegung gegen die Konservativen und teilweise auch gegen Karl von Hohenzollern, den einheimischen Preußen, wie er damals genannte wurde“, sagt Silva Marton. Die Verschwörer wollten ein Ende der Privilegien der Bojaren, die in der konservativen Politik viel mitbestimmten. Die bürgerlichen Aufständischen sprachen direkt von Demokratie, sie stritten den Konservativen die politische Geltungshoheit ab. So unsinnig die Republik von Ploieşti heute erscheint — sie wirkte lange nach. Der Umgang der Politik mit Staat, Reformen, Bürgern, Herrschern änderte sich nachhaltig.
Wie Silvia Marton erklärt, glaubten viele, dass ein Aufstand gegen Karl automatisch einer Befürwortung seines Vorgängers Alexandru Ioan Cuza gleichkam. Doch die 1848er Revolutionäre, die Liberalen, Roten und Radikalen waren auch Cuzas Gegner. Für sie bestanden zwischen Cuza und Karl keine signifikanten Unterschiede. Karl war autoritär und ignorierte das Parlament, Cuza lehnte den Dialog ab. Karl war in ihren Augen zu Cuza geworden. Nach Ansicht der Liberalen war eine Konzentration von zu viel Macht in einer Regierung gefährlich. Sie wollten, dass die Regierung Rechenschaft ablegt vor dem Parlament. Und ab 1870-1871 setzte sich diese Idee langsam durch — auch eine Folge der Republik von Ploieşti. Die Demokratie wurde konsolidiert, die Republik von Ploieşti gilt so gesehen auch als letzte Geburtswehe“ des modernen rumänischen Staates, der 1877-1878 seine Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich erkämpft. Pikant dabei: Der Rebell Alexandru Candiano-Popescu kämpft als General im Unabhängigkeitskrieg mit und wird später Adjutant von König Karl, dem Herrscher, den er 1870 absetzen wollte.