Nach Chruschtschows Abrechnung mit Stalin1956: Machtkämpfe unter rumänischen Kommunisten
Beim 20. Kongress der Kommunistischen Partei der UdSSR hat Generalsekretär Nikita Chruschtschow den Personenkult rund um seinen Vorgänger Stalin angeprangert. Damit läutete er einen Destalinisierungsprozess auch in den Satellitenstaaten ein.
Steliu Lambru, 29.08.2016, 16:48
Beim 20. Kongress der Kommunistischen Partei der Sowjetunion hat Stalins Nachfolger, Nikita Chruschtschow, den Personenkult rund um seinen Vorgänger angeprangert. Damit läutete er einen Destalinisierungsprozess auch in den Satellitenstaaten der Sowjetunion ein.
Mit Chruschtowschs Geste kamen Hoffnungen auf Änderungen auf. Durch die Verurteilung von Stalin begann Chruschtschow den sogenannten Destalinisierungsprozess, der in allen sozialistischen Ländern Auswirkungen hatte. Gheorghe Gheorghiu-Dej, Generalsekretär der Rumänischen Kommunistischen Partei, war in Rumänien einer der stärksten Befürworter des Stalinismus. Auf dem von Chruschtschow eröffneten Weg haben die rumänischen Kommunisten versucht, etwas zu verändern. Miron Constantinescu war ein idealistischer Intelektueller, der aus Überzeugung Mitglied der Kommunistischen Partei geworden war. Er hatte während des Regimes von Gheorghiu-Dej von den Aufstiegsmöglichkeiten in der Hierarchie der Partei profitiert und war Mitglied der Delegation der rumänischen Kommunisten bei der 20. Tagung der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. Dort meinte er, es sei der Augenblick gekommen, Dejs Autorität zu untergraben.
Der Historiker Gheorghe Onişoru vom Nationalen Institut für die Aufarbeitung des Totalitarismus erläutert, wie die Moskau eingeläutete Änderung die kommunistischen Führer in den der Satelitländern überraschte:
Chruschtschows Bericht passte Gheorghe Gheorghiu-Dej gar nicht in den Kram. Es war ein Moment, in dem er glaubte, dass er die Situation in Rumänien fest im Griff habe. 1952 hatte er eine gegnerische Gruppe, gebildet aus Ana Pauker, Vasile Luca und Teohari Georgescu aufgelöst, 1954 hatte er Lucreţiu Pătrăşcanu, einen weiteren Widersacher, hinrichten lassen. Dej wusste es, seit 1952 die Sitzungen des Politbüros zu manipulieren und seine Nachteile gegenüber seinen Widersachern in Vorteile zu verwandeln und die Theorie der Vereschwörung der drei ehemaligen Mitkämpfer gegen die Partei in die Welt zu bringen. Dej kann man getrost als echten Stalinisten betrachten. Nachdem die rumänische Delegation zurück in die Heimat gekehrt war, wurde Chruschtschows geheimer Bericht und der Bericht der rumänischen Delegation später als sonst bekanntgemacht, und zwar erst am 23.-25. März 1956, während einer Plenarsitzung des Zentralkomitees. Der dritte Punkt sah die Vorstellung des Berichts der Delegation der Rumänischen Arbeiterpartei vor, die an dem zwanzigsten Kongress der Kommunistischen Partei der Sowjetunion teilgenommen hatte. Berichterstatter war Dej selbst. Miron Constantinescu hatte den Geheimbericht über den angeprangerten Personenkult und dessen Auswirkungen gelesen. Constantinescu erklärte daraufhin, er sei mit Dejs Bericht einverstanden, zu diesem Zeitpunkt waren also keine Meinungsunterschiede zu vermerken. Diese traten aber bei der ersten großen Sitzung des Politbüros von Anfang April 1956 mit voller Wucht in Erscheinung.“
Schon am nächsten Tag beginnt Miron Constantinescu seinen Angriff gegen Dej. Historiker Gheorghe Onişoru dazu:
Auf der Tagesordnung der Sitzung im April standen die Sondergerichte des Innenministeriums, die Erschießung einiger Verbrecher nach dem gewöhnlichen Strafrecht, die missbräuchlichen Verhaftungen, die Verfolgung durch die informativen Strukturen des Innenministeriums einiger Personen im Staatsausschuss für Wirtschaftsplanung, der von Miron Constantinescu geleitet wurde, und die Überwachung von Constantinescu selbst. Im Politbüro sprach man nur noch unter vorgehaltener Hand. Constantinescu ging am ersten Tag in die Offensive und sprach von der Notwendigkeit der Sitzung, weil die Parteimitglieder dem Personenkult frönen würden. Constantinescu unterstreicht die Tatsache, dass der Personenkult in Rumänien negative Auswirkungen habe, und fügt hinzu, dass nach 1952, mit der Auflösung der Gruppe um Ana Pauker, sich besorgniserregende Entwicklungen in der Tätigkeit des Innenminiusteriums bemerkt machen würden. Die politische Polizei Securitate würde ungehindert missbräuchlich handeln. Constantinescu sagte noch, die Securitate habe sich nach 1953 nicht mehr an die Anweisungen der Partei gehalten. Als er den Wirtschaftsplanungsauschuss CSP geleitet habe, seien mehrere Beamte, die mit ihm direkt zusammengearbeitet haben, von der politischen Miliz angeworben sein. Constantinescu prägte dabei den Spruch ‚Der Genosse Dej ist einer der besten Perteiführer, die wir haben, aber nicht der einzige‘.“
Dej war jedoch viel zu mächtig und wurde von Constantinescus Angriffen nicht geschwächt. Mit einem geschickten Diskurs passte er sich dem neuen Wind an, der aus Moskau wehte, so dass er seine Machtposition in der Partei beibehalten konnte und zudem der neuen idologische Linie von Moskau Treue schwor. Historiker Gheorghe Onişoru dazu:
Diejenigen, die die Mehrheit im Politbüro bildeten, haben Dej unterstützt, darunter Alexandru Drăghici. Gheorghe Apostol greift ebenfalls Constantinescu an. Chivu Stoica fragt Constantinescu, warum er auf das Problem nicht schon im März verwiesen habe, als der Bericht vorgestellt worden war. Auch Alexandru Moghioroş unterstützt Dej und fragt Constantinescu, warum er Dejs Methoden nicht früher kritisiert habe. Constantinescu wurde wiederholte Male lautstark gefragt, ob er nicht etwa einen forcierten Zusammenhang herstellen wolle zwischen dem, was in der UdSSR bezüglich des Personenkultes passiert war, und den Methoden von Dej. Bodnăraş, Dejs Freund, kommt als letzter zu Wort und macht Constantinescu nieder. Miron Constantinescu entschuldigt sich am nächsten Tag für die Art und Weise, wie er das Problem im Politbüro vorgestellt habe, und sagt, er sei bereit, sich jedweder Entscheidung des Politbüros zu fügen. Die Sitzung endete mit Dejs Rede. Alles war nun wieder in Ordnung, Constantinescus Rebellionsversuch war gescheitert.“
Dej hat nach diesem Entmachtungsversuch Rumänien weiter mit einer eisernen Hand geführt und nachträglich sogar erklärt, dass in Rumänien das Problem der Destalinisierung zur damaligen Zeit gar nicht bestanden habe, weil er das bereits vor Stalins Tod selbst gelöst habe. Dej überlebte folglich allen Attacken seiner Widersacher und sollte zwei Jahre später, 1958, die zweite Etappe seiner Diktatur einläuten — die Epoche des National-Kommunismus.