Sowjetisierung nach 1946: Säuberungen in der rumänischen Armee
Die Sowjetisierung war ein Prozess, durch den staatliche Institutionen und anschließend die ganze Gesellschaft in den Satelliten-Staaten der UdSSR nach sowjetischem Vorbild umgestaltet wurden.
Steliu Lambru, 25.01.2016, 18:29
Die Sowjetisierung war ein Prozess, durch den staatliche Institutionen und anschließend die ganze Gesellschaft in den Satelliten-Staaten der UdSSR nach sowjetischem Vorbild umgestaltet wurden. Auch wenn dieser Prozess stufenweise verlief, war der Rhythmus rasch. 1948 war der Staat schon sowjetisiert und der längere, aber leichter zu gestaltende Prozess der Sowjetisierung der Gesellschaft fing an.
Die Sowjetisierung begann in Rumänien durch die Amtseinführung des Regierungskabinetts unter der Führung von Petru Groza. Die erste Institution, die sowjetisiert wurde, war die Armee. Unter dem Vorwand einer Entfaschisierung ordnete der Alliierte Kontroll-Ausschuss, der seinerseits unter sowjetischer Kontrolle stand, die Beseitigung von Dutzend Tausenden Militärangehörigen an, die der Sympathie mit Deutschen beschuldigt wurden. Der benutzte Begriff war Säuberung“ und dadurch wollte man den Entlassenen ein Schuldgefühl herbeiführen und der Bevölkerung einen Akt der Gerechtigkeit vorspielen.
Mircea Carp wurde aus der Rumänischen Königlichen Armee beseitigt. Er hatte an der sowjetischen Front gekämpft, wurde verletzt und für seinen Mut dekoriert. 1997 wurde er vom Zentrum für Mündliche Geschichte interviewt. Carp erinnerte sich an den Augenblick, in dem er die Nachricht der Entlassung der Offiziere hörte, die mutmaßlich Sympathie für die Deutschen gehegt hatten:
Bis zum 9. August 1946 war ich noch in der rumänischen Armee tätig, ich war Unterleutnant. Ich hatte im Krieg gekämpft, sowohl an der Ost- als auch an der West-Front, wurde verletzt, dekoriert und arbeitete in meiner Kaserne, im Kavallerie-Ausbildungszentrum in Sibiu. Die Stimmung in der Armee war zu dem Zeitpunkt sehr schlecht, insbesondere unter Offizieren und Unteroffizieren, weil schon ein Jahr zuvor das Gesetz für die Bereitschaftsstellung gebilligt worden war. Das Gesetz sah die Entlassung vieler Offiziere und Unteroffiziere vor, niemand wusste aber, wann es und unter welchen Bedingungen es angewandt werden wird. Wir alle waren uns aber sicher, dass es in erster Reihe politische Bedingungen geben wird, dass alle Offiziere und Unteroffiziere, die vom neuen Regime, zu dem Zeitpunkt nur ein prokommunistisches Regime, nicht begeistert waren, die Armee verlassen werden.“
Nach dem stalinistischen Modell der großen Säuberung der 1930er Jahre wurden die fähigsten rumänischen Offiziere gezwungen, die Armee zu verlassen. Die Entfaschisierung bedeutete der Anfang des Kommunismus. Mircea Carp erinnert sich an den Tag, als ihn die offizielle Nachricht der Entlassung erreichte:
Am 9. August 1946 wurde die Liste mit den über 9000 entlassenen Offizieren veröffentlicht. Ich war damals zusammen mit Einheiten der Kavallerie und einem Artillerie-Regiment im Gebirge, wir halfen beim Löschen von Waldbränden. Als ich dann zurück in Sibiu war, kam der Offiziersbursche und überreichte mir eine Zeitung, ich glaube das war die Zeitung »Glasul Armatei«. Dort waren all diese Namen, auch meiner, aufgelistet. Die erste Säuberung eines ziemlich großen Teils der rumänischen Offiziere, insbesondere von Generälen und Obersten, hatte eigentlich schon zuvor, im August 1945, stattgefunden. Infolge eines Befehls des Alliierten Kontroll-Ausschusses, der eigentlich dem Sowjetischen Kontroll-Ausschuss unterstellt war, hat General Susaikov dem Verteidigungsministerium die Weisung erteilt, etwa 200 rumänische Generäle und Oberste mit angeblich deutschen Sympathien aus der rumänischen Armee zu beseitigen. Natürlich handelte es sich dabei nicht um Generäle und Oberste mit deutschen Sympathien, sondern einfach um Generäle und Oberste, die ihre Pflicht an der Ost-Front erfüllt hatten. Sie durften bis zum Ende des Krieges in der Armee bleiben, weil ihre Dienste und militärische Fähigkeiten gefragt waren.“
In der rumänischen Geschichte begann eine neue Etappe. Auch in Mircea Carps Leben und im Leben Dutzend Tausender Offiziere und Unteroffiziere, die von nun an gezwungen wurden, am Rande der Gesellschaft zu leben, begann eine neue Etappe. Mircea Carp dazu:
Das Gesetz führte zur Bereitschaftsstellung von 9000 aktiven Offizieren. Es folgten auch andere Säuberungen und kurz danach wurden etwa 5500 Unteroffiziere aus politischen Gründen beseitigt. Wenn bei der Säuberung von 1945 noch Offiziere für ihre klar antisowjetische Gesinnung beseitigt wurden, so handelte es sich bei den Säuberungen von 1946 in erster Reihe um die Säuberung der Offiziere, die sich nicht bereit zeigten, das neue Regime zu akzeptieren. Ein Jahr lang waren wir in Bereitschaft, standen der Regierung zur Verfügung, um für andere Tätigkeiten eingesetzt zu werden. Ein Jahr später wurden wir Reservisten. In dem Jahr haben wir den gleichen Sold wie aktive Armee-Angestellte bekommen und erfreuten uns derselben Privilegien wie aktive Offiziere. Wir durften jedoch keine Militärkaserne mehr betreten. Ich kann mich noch erinnern, am 9. August ging ich zur Kaserne in Sibiu und schon um 8 Uhr morgens hat man mir gesagt, ich dürfe die Kaserne nicht mehr betreten. Am nächsten Tag musste ich zum Kapitän der Einheit, zusammen mit weiteren Offizieren der Einheit, die in Bereitschaft gestellt wurden. Wir haben die letzten Anweisungen bekommen, dass wir in der Einheit und in der Armee nichts mehr zu suchen hatten. Natürlich fiel uns die Trennung schwer. Die Offiziere, die nicht in Bereitschaft gestellt wurden, schämten sich sogar, dass sie aus der Armee nicht beseitigt wurden, während ihre Kameraden, deren Meinung sie teilten, in Reserve gestellt wurden.“
Die Sowjetisierung der rumänischen Armee durch die Beseitigung der fähigsten Offiziere und Unteroffiziere stellte die sowjetische Art und Weise dar, eine angeblich bessere Gesellschaft zu errichten. Die resultierende neue Armee hatte als repressives Instrument des Regimes gegen Widersacher zu dienen.