Mihail Moruzov – der Geheimdienstler, der überall mitmischte
Die Boulevardpresse könnte über das Leben von Mihail Moruzov, dem Leiter des Nachrichtendienstes Rumäniens in der Zwischenkriegszeit, schreiben, es sei wie ein Roman. Die Realität ist aber viel interessanter als die Fiktion.
Steliu Lambru, 27.04.2015, 18:10
Die Boulevardpresse könnte über das Leben von Mihail Moruzov, dem Leiter des Nachrichtendienstes Rumäniens in der Zwischenkriegszeit, schreiben, es sei wie ein Roman. Die Realität ist aber viel interessanter als die Fiktion und das Leben von Mihail Moruzov erweist sich als zu komplex für einen Roman. Mihail Moruzov war ein Mensch von außerordentlicher Intelligenz, der eine der stärksten Staatsstrukturen führte und dabei einige der wichtigsten Entscheidungen der rumänischen Regierung beeinflusste.
Geboren wurde Moruzov am 8. November 1887 in einer großen Familie mit sieben Kindern, im ostrumänischen Zebil, Landkreis Tulcea, der als Tor zum Donaudelta gilt. Sein Vater, Nicolae Moruzov, war Priester, seine Mutter stammte aus einer ukrainischen Kosakenfamilie, die sich in Rumänien niederließ. Horia Sima, der Leiter der faschistischen Eisernen Garde, beschrieb Moruzov als einen Mann mit breitem, fast flachgedrücktem slawisch-mongolischem Gesicht“. Sein Nachfolger an der Leitung des Nachrichtendienstes, Eugen Cristescu, zeichnete seinerseits ein realitätsnahes Porträt von Moruzov: Er konnte Russisch und Bulgarisch, Sprachen, die er in seiner Familie gelernt hatte, aber keine westeuropäische Sprache, deswegen stieß er auf große Schwierigkeiten in seinen beruflichen und sozialen Beziehungen. Er hatte drei Gymnasialjahre abgeschlossen, dennoch las er kein Buch, sondern nur Zeitungen, die er allerdings sehr oberflächlich las.“
Mihail Moruzov liebte sein Land und wollte ein treuer Bürger sein. So kann man auch seine erste Mission im Auftrag des rumänischen Nachrichtendienstes rechtfertigen, woran er sich als Volontär beteiligte. Der Historiker Cristian Troncotă beschrieb die Mission wie folgt: 1909 entdeckte und anschließend machte er den rumänischen Behörden einen Plan der Bulgaren aus der Dobrudscha bekannt, die einen Aufstand gegen den rumänischen Staat entfachen wollten. Während des Ersten Weltkriegs arbeitete er für die rumänische Gegenspionage in der Dobrudscha und im Donaudelta und trug somit erheblich zur Abwehr verhängnisvoller Aktionen rumänischer Deseurteure russischer Nationalität, der bulgarischen und deutschen Propaganda innerhalb der russischen Armee und der Aktionen der russischen Diplomaten in Sulina bei. 1920 wird Moruzov beschuldigt, im Auftrag der russischen und bulgarischen Spionage gehandelt sowie Geld geschmuggelt zu haben. Infolgedessen wird er im Jahr 1920 verhaftet, kurz danach wird er dennoch aus Mangel an Beweisen freigelassen.
Nach 1918 erlebt die Karriere von Moruzov einen furiosen Aufstieg. Für seine Erfolge bei der Informationstätigkeit während des Ersten Weltkriegs wird er befördert. Anschließend wird er zum Gründer des Sonder-Nachrichtendienstes 1924. Die Nachbarschaft der Sowjetunion und ihre aggressive Politik hatten die Notwendigkeit des Dienstes deutlich gemacht. In den 1930er Jahren gehört Moruzov zum engeren Umfeld des Königs Carol II. — die Gruppe wurde als Kamarilla des Königs“ bezeichnet, weil sie staatliche Strukturen für politische Raufereien und persönliche Bereicherung ausnutzte. Etwa zur gleichen Zeit entwickelt sich die Beziehung zu den Anführern der Legionäre, insbesondere zu Horia Sima. Das bestätigt der Oberst Traian Borcescu, ehemaliger Agent des Sondernachrichtendienstes, in einem 1996 aufgezeichneten Interview mit dem Zentrum für Mündliche Geschichte des Rundfunks:
Horia Sima war Moruzovs Agent, denn Moruzov wollte Informationen aus dem nahen Umfeld von Hitler bekommen. Und durch Horia Sima konnte er sich sowohl militärische Informationen über die Wehrmacht besorgen, deren Geheimdienst, die sogenannte »Abwehr«, von Canaris geleitet wurde, als auch politische Informationen über Hitler. Durch Horia Sima gelang eine Annäherung an Himmler und für die Annäherung an die Wehrmacht arbeitete Moruzov auch mit anderen Personen zusammen.“
Gemäß dem Zeitzeugenbericht von Teodor Aleonte, Offizier im Sondernachrichtendienst, hatten die Legionäre mehrere Informanten und Agenten in der Staatssicherheit als umgekehrt. Traian Borcescu glaubte zu wissen, welche Karten der Legionärsanführer Horia Sima und Mihail Moruzov im Kampf um die Einflusssphären im Staatsapparat spielten:
Die Freundschafts- und Kooperationsbeziehungen zwischen Moruzov und Horia Sima werden dadurch deutlich, dass König Carol die Bildung einer Legionärsregierung zuließ. Moruzov hatte ihm eingetrichtert, dass Horia Sima auch ihn töten könnte, das versetzte Carol in Angst und Panik. Und jetzt stand Sima kurz bevor, der Regierung beizutreten, obwohl er kurz davor verhaftet und verurteilt werden sollte. Also hat Moruzov Horia Sima gerettet und ihn befördert. Und bestimmt hat er ihm auch ein paar Groschen zukommen lassen. Moruzov kannte die Vergangenheit von Horia Sima, wie er rekrutiert worden war und was er gemacht hatte. Deshalb dachte Moruzov, Horia Sima würde sich bei ihm dafür revanchieren, dass er ihm sein Leben gerettet und ihm zum Aufstieg verholfen hatte. Das sollte aber nicht eintreffen, denn in solchen Situationen werden Wohltäter getötet. In Jilava wurden alle umgebracht, der letzte, der starb, war Moruzov. Nach der Verhaftung und Hinrichtung von Moruzov kam der von Hitler entsandte Canaris nach Rumänien. Das, weil Himmler Hitler über die Entwicklung im Land in Kenntnis gesetzt hatte. Und Canaris ist bei Antonescu vorstellig geworden und hat sich nach Moruzov erkundigt. Da hat Antonescu geantwortet: ‚Es tut mir leid, aber die Legionäre haben ihm den Garaus gemacht.‘“
Mihail Moruzov ist am 5. September 1940 auf Befehl von Ion Antonescu verhaftet worden. Die Eiserne Garde hatte davor Druck ausgeübt, denn sie wollte ihn für die zahlreichen Gesetzwidrigkeiten an der Spitze des Sondernachrichtendienstes vor Gericht bringen. Auch wenn die Kamarilla von Carol versuchte, auf mehreren Hochzeiten zu tanzen und sich Deutschland anzunähern, scheiterte sie und ihre Mitglieder, einschließlich Moruzov, landeten mit wenigen Ausnahmen im Gefägnis. Eines seiner größten Vergehen in den Augen der Legionäre war die Beteiligung an den Plänen Carols, die Anführer der Eisernen Garde in den Jahren 1938-1939 zu beseitigen. In der Nacht zum 27. November wurde Mihail Moruzov gemeinsam mit weiteren 63 früheren Amtsträgern in seiner Zelle in der Gefängnisanstalt von Jilava von einer Legionärsgruppe getötet.