Die rumänische Volkswirtschaft in der Zeit des Königs Karl I.
Karl I. von de Hohenzollern-Sigmaringen war ab 1867 Herrscher über die Vereinten Rumänischen Fürstentümer und ab dem 10. Mai 1881 der erste König von Rumänien. Er gilt bei vielen Historikern als wichtigstes Staatsoberhaupt in der Geschichte des Landes.
Monica Chiorpec, 22.09.2014, 15:45
Karl I. von de Hohenzollern-Sigmaringen war ab 1867 Herrscher über die Vereinten Rumänischen Fürstentümer und ab dem 10. Mai 1881 der erste König von Rumänien. Er gilt bei vielen Historikern als wichtigstes Staatsoberhaupt in der Geschichte des Landes. Während der 48-jährigen Amtszeit Carols I. erlangte Rumänien seine Unabhängigkeit und wurde zur konstitutionellen Monarchie, zeitgleich wurden die Grundlagen für den modernen rumänischen Staat geschaffen.
Carol I. war in der Innenpolitik der Garant des Gleichgewichts, indem er ein Umfeld der Disziplin und Präzision schuf — Werte, die ihm durch die preußische Erziehung in einer Familie mit Dynastie-Tradition übertragen wurden. Carol förderte zudem die Modernisierung der ökonomischen Strukturen in einem Land, das Mitte des 19. Jahrhunderts der mittelalterlichen Organisationskultur noch nicht entwichen war. Der neue Herrscher war in Bukarest gelandet, einer Hauptstadt, die einem Marktflecken glich. Allerdings sollte es Carol I. dank seines deutschen Organisationstalents gelingen, innerhalb eines halben Jahrhunderts die Modernisierung Rumäniens beschleunigt voranzutreiben. Mit politischem Fingerspitzengefühl stellte der Monarch eine Alternanz liberaler und konservativer Regierungen sicher, so dass keines der Lager die Möglichkeit bekam, seine Autorität zu schwächen.
Unmittelbar nach seiner Ankunft im Lande leitete Carol I. mit der Einführung des Leu eine besonders wichtige Währungsreform in die Wege. Obwohl Rumänien noch nicht unabhängig war, konnte es 1867 eine eigene Währung durchsetzen. In einer ersten Phase wurden lediglich Münzen geprägt. Später jedoch, mit der Gründung der Nationalbank Rumäniens 1880, wurden die ersten Banknoten gedruckt. Mit Hilfe der Nationalbank, aber auch mit Hilfe von privatem Kapital, wurden bis Anfang des 20. Jahrhunderts etwa 24 Handelsbanken gegründet. Bis 1914 waren weitere 210 Banken hinzugekommen.
Während der Herrscherzeit Carol des I. war die rumänische Wirtschaft überwiegend von der Landwirtschaft getragen. Mehr als die Hälfte der Bauern besaßen weniger als 5 Hektar Ackerland, wobei für den Unterhalt einer Familie zwischen 5 und 10 Hektar notwendig gewesen wären. In diesen trüben Zeiten wurden die sogenannten Volksbanken“ gegründet, die der Unterstützung der Landwirtschaft dienen sollten. Die Banken wurden von Einheimischen verwaltet, die das lokale Wirtschaftsumfeld und die Kreditnehmer gut kannten. Der Großteil der landwirtschaftlichen Produktion stammte von den Großgrundbesitzern und wurde exportiert. Die ersten 40 Jahre der Amtszeit von Carol I. brachten eine sechsfache Erhöhung der Agrarproduktion des Landes. Die Landwirtschaft wurde somit zur Basis der Wirtschaft, auf die sich später die Entwicklung der Industrie stützen sollte. Stark entwickelten sich zunächst die Förderung und Raffination des Erdöls. Die Anzahl der Textil- und Lebensmittelfabriken verdoppelte sich. Allerdings führte der Einfluss des Fremdkapitals in der Industrie zu einer hohen Konzentration in bestimmten Regionen, wobei weitere Gegenden dem Industrieaufschwung stark hinterherhinkten.
Die Deutschen besaßen zu dem Zeitpunkt 35% der Industrie, gefolgt von den Briten mit 25%, den Niederländern mit 13%, den Franzosen mit 10% und den Amerikanern mit 5,5%. Das rumänische Kapital hatte einen Anteil von nur 5,5%. Zwischen 1903 und 1914 wurden viele der Großunternehmen gegründet, die bis zu Beginn des Zweiten Weltkriegs die Erdölindustrie kontrollieren sollten. Einen historischen Überblick bietet uns Dr. Alin Ciupală, er ist Dozent am Lehrstuhl für Geschichte der Universität Bukarest.
Während der Amtszeit von König Carol I. blieb Rumänien überwiegend ein Agrarland, so wie es auch vor 1866 der Fall gewesen war und wie es während der Zwischenkriegszeit bleiben sollte. Dennoch treten gewisse Neuerungen ein. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts beginnt Rumänien einige seiner wichtigen Bodenschätze zu verwerten, allen voran die Erdölvorkommen. Das Erdöl bot dem Land eine außerordentlich gute Chance, in kürzester Zeit sollten die größten Erdölkonzerne der Welt hierherkommen, sowohl aus Deutschland als auch aus den Niederlanden, den USA oder Großbritannien. Das Erdöl sollte das Aussehen Rumäniens verändern, denn infolge der Erschließung dieser Vorkommen durch die gemischten Gesellschaften, an denen der Staat und die erwähnten internationalen Konzerne beteiligt waren, flossen beachtliche Geldsummen in die Staatskassen, die die Regierung für den Bau der bis dato fehlenden und notwendigen Infrastruktur nutzen konnte. Außerdem wurde 1887 das erste wichtige Gesetz für die Unterstützung der Industrie verabschiedet, ein Gesetz zur Ermutigung dieser Wirtschaftsbranche in Rumänien. Nichtsdestotrotz bleibt Rumänien bis zu Beginn des Ersten Weltkriegs eine Agrarwirtschaft, wie ich schon anfangs sagte, trotz der vielen neuen Elemente. Die Haupteinkommen stammen nach wie vor aus der Bewirtschaftung der Ackerflächen. Ferner besteht damals auch ein großes soziales Problem, denn die rumänischen Dorfgemeinden werden von der Existenz eines Großbesitzertums dominiert. In Rumänien hat es keine kleinen und mittleren Besitztümer der Bauern gegeben, sondern im Gegenteil, die meisten Ländereien gehörten den Großgrundbesitzern. Und das führte zu einer relativ langsamen Entwicklung der Landwirtschaft, wegen des fehlenden Interesses an größeren Investitionen in die Landwirtschaft, angesichts der Tatsache, dass die Großgrundbesitzer billige Arbeitskraft benötigten.“
Im Vergleich zu den europäischen Industriestaaten konnte der ländliche Bevölkerungsüberschuss nicht von den Städten übernommen werden, eben weil es an einer starken Industriebranche fehlte. Der soziale Druck nahm somit immer mehr zu, so dass 1907 einige beispiellose soziale Bewegungen ihren Lauf nahmen. Der Aufstand der Bauern machte auch international auf die Niederlagen dieser Herrscherzeit aufmerksam. Und das weniger als ein Jahr nach der Eröffnung der Jubiläumsausstellung von 1906, die Europa die wirtschaftlichen Fortschritte Rumäniens in den 40 Jahren seit dem Amtsantritt von Carol I. präsentieren sollte.