Tributzahlungen der Donaufürstentümer an das Osmanische Reich
Der Balkan gehörte jahrhundertelang zur Einflusssphäre des Osmanischen Reiches. Die rumänischen Fürstentümer, die Moldau und die Walachei, waren keine Ausnahme. Sie standen unter der Oberhoheit der Türken und mussten folglich dem Sultan Tribut zahlen.
Steliu Lambru, 06.01.2014, 15:49
Der Balkan gehörte jahrhundertelang zur Einflusssphäre des Osmanischen Reiches. Die rumänischen Donaufürstentümer, die Moldau und die Walachei, waren keine Ausnahme. Sie standen unter der Oberhoheit der Türken und mussten folglich dem Sultan Tribut zahlen.
Das Niveau des Tributs schwankte und stellte eine große Belastung dar. Die schädlichste Folge war die Korruption. Schlimmer als die wirtschaftlichen Verpflichtungen waren die Entstehung, die Verbreitung und die Fortdauer einer Kultur der Schmiergeldzahlung, die die wirtschaftliche Entwicklung erdrosselte. Die rumänischen Reformer sahen Ende des 18. Jahrhunderts und zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den wirtschaftlichen Verpflichtungen der Donaufürstentümer gegenüber den Türken den Hauptgrund der schlechten Verwaltung von öffentlichen Geldern. Das war ihrer Meinung nach der Grund für die desaströse Lage.
Die Zahlung der wirtschaftlichen Verpflichtungen begann 1395 in der Walachei mit der Übergabe des sogenannten haraci (< türk. haraç) während der kurzen Herrschaft des Fürsten Vlad der Usurpator. Der Haraç wurde später von den Nachfolgern Mircea des Alten gezahlt. In der Moldau wurde der Haraç zum ersten Mal 1456, nach einem politischen Abkommen von 1455, während der Regierungszeit von Petru Aron bezahlt. Der Historiker Bogdan Murgescu von der Bukarester Fakultät für Geschichte erläutert die Struktur der wirtschaftlichen Verpflichtungen der rumänischen Fürstentümer gegenüber dem Osmanischen Reich in der Geschichte.
Der Haraç war eine pauschale Summe, die vom Fürsten gezahlt wurde. Der Haraç stellte aber nicht die Gesamtheit aller wirtschaftlichen Verpflichtungen gegenüber dem Osmanischen Reich dar. Zu diesen Verpflichtungen gehörten auch weitere Summen. In erster Reihe der Pîşkeş oder die Protokoll-Geschenke. Es wurde viele Male Geld übergeben, andere Male Pelze, Falken, Pferde oder andere Güter. Der Anteil des Haraç variierte. Am Anfang stellte der Haraç die wichtigste Zahlung, die Pîşkeş stellten gelegentliche Protokoll-Geschenke dar. Damit endet die Liste der Verpflichtungen.“
Der Geschichte der osmanischen Macht folgten auch die wirtschaftlichen Verpflichtungen. Wenn die Sultane auf Expansionskurs gingen, wuchsen diese. Und umgekehrt, als das Osmanische Reich begann, zu zerfallen. Bogdan Murgescu erläutert:
Solange sich die Abhängigkeit der Donaufürstentümer gegenüber dem Osmanischen Reich vertiefte, kamen zusätzliche Anträge. Manche zielten nicht unbedingt aufs Geld ab, sondern auf die Belieferung der osmanischen Armee, der osmanischen Burgen, sogar auf die Belieferung von Konstantinopel selbst. Es handelte sich um Lieferung von Produkten, Tieren, Holz für den Schiffsbau und für den Bausektor, manchmal sogar um die Entsendung von Maurergehilfen für Militärbauten. Es waren Tributzahlungen in Naturalien.“
Für die Throne der beiden Fürstentümer fand eine regelrechte Ausschreibung statt. Es wurden enorme Summen gezahlt. Die Thronprätendenten sahen aber diese Zahlung als eine Investition. Bogdan Murgescu erklärt:
Dazu kamen Gelder, die nicht mehr offiziell waren, die aber in enger Verbindung mit den Verhandlungen für den Thron standen. Die Prätendenten boten bestimmte Summen an, der amtierende Fürst bot seinerseits dem Sultan oder hohen osmanischen Würdenträgern Summen an, um nicht ersetzt zu werden. Es wurden Geld, Juwelen und andere wertvolle Objekte angeboten. Als die Mehrheit der Fürsten von Istanbul aus ernannt wurden, wuchsen diese Summen immer mehr. Sie wurden größer als die ofiziellen Haraç und Pîşkeş. In den Jahren 1580-1594 lag der Anteil der Zahlungen für den Thron bei 60%, der Haraç bei unter 20% und der Pîşkeş bei etwa 20 % aller Verpflichtungen. Das Schmiergeld für den Thron summierte sich zu einem höheren Betrag als alle anderen Verpflichtungen zusammen. Das war ein extremer Fall. Der Vorrang der Thron-Zahlung blieb auch im 17. und insbesondere im 18. Jahrhundert bestehen.“
Der Haraç ging in die offizielle Schatzkammer des osmanischen Staates hinein und der Pîşkeş floss in die persönliche Kasse des Sultans, der Sultanin, des Großwesirs oder anderer Würdenträger. Die Zahlungen für den Thron wurden nicht verzeichnet. Wir wollten wissen, wie wichtig die Zahlungen der Donaufürstentümer für das Osmanische Reich waren. Der Historiker Bogdan Murgescu mit einer Antwort:
Die rumänischen Fürstentümer stellten einen kleinen Prozentsatz in der Gesamtheit ihrer Vasallenstaaten dar. So auch die gezahlten Steuern. Die Walachei und die Moldau brachten dem Osmanischen Reich unter 10% der offiziellen Einkommen ein. Es bleibt aber das Problem der Schmiergeldzahlungen, die viel höher waren. Wenn wir das Steueraufkommen pro Kopf berechnen, sehen wir, dass die Last in den rumänischen Fürstentümern größer war als die in den direkt von osmanischen Gouverneuren verwalteten Regionen. Für die Türken war es kein schlechtes Geschäft, die Autonomie der rumänischen Fürstentümer aufrecht zu erhalten. Die rumänischen Fürsten sammelten für die Türken viel mehr ein als die osmanischen Paschas.“
Beginnend mit dem Ende des 18. Jahrhunderts und dem Anfang des 19. Jahrhunderts sank der türkische Einfluss im rumänischen Raum und damit auch die Zahlungsverpflichtungen. Die letzte Steuer, der Haraç, verschwand 1877. Er wurde für die Ausrüstung der rumänischen Armee, die ein Jahr später den Unabhängigkeitskrieg gegen die Türken gewann, benutzt.
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