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George Enescu und das kommunistische Regime

George Enescu ist zweifelsohne der bekannteste rumänische Komponist. Doch seine Biographie hat auch dunkle Stellen.

George Enescu und das kommunistische Regime
George Enescu und das kommunistische Regime

, 24.09.2013, 16:10

George Enescu (1881-1955), einer der bekanntesten und berühmtesten rumänischen Komponisten, hat ein beeindruckendes Werk hinterlassen. In seiner Musik sind Einflüsse des ausgehenden 19. und der Moderne des 20. Jh. vereint. Enescus Biographie hat aber auch dunkle Stellen. Die Historiker haben in den Archiven entdeckt, dass Enescu als Künstler und Intellektueller mehr geschätzt wurde als der eigentliche Mensch. Er hat mit dem kommunistischen Regime paktiert, das die Macht in Rumänien 1945 mithilfe der sowjetischen Armee erobert hatte.



Trotz seiner Kollaboration wurde George Enescu aber auch bespitzelt. Die Geheimdienste und Verfolgungsorgane des kommunistischen Regimes haben ihn nicht aus den Augen gelassen. Der Historiker Adrian Cioroianu, Professor an der Geschichtefakultät der Bukarester Universität, erklärt dieses Paradox:



George Enescu war Anfang der 1950er Jahre ein Ziel der Bespitzelung, so wie es die meisten Intellektuellen damals waren. Als Enescu Ende der 1940er Jahre das Land verlie‎ß und sich ins Exil begab, tat er es in einer ungewöhnlichen Weise. Er hat seine Ausreise verhandelt. Enescu wurde vom kommunistischen Regime manipuliert. Es begann mit einer Reise in die UdSSR im Jahre 1945. Seine Ehefrau beriet ihn, wie er seine Beziehungen zum Ministerpräsidenten Petru Groza pflegen soll. Enescu wurde skrupellos für politische Zwecke missbraucht. Er wurde Abgeordneter des Blocks der Demokratischen Parteien unter der Leitung der Kommunistischen Partei im ersten Parlament, das infolge der gefälschten Wahlen vom 19. November 1946 enstand. Danach hat man ihm erlaubt, in die USA auszureisen. Später lie‎ß er sich im Westen nieder. Er wurde aber weiter bespitzelt, obwohl er einen Briefwechsel mit Petru Groza pflegte.“



Die Ambiguität gegenüber Freunden und Feinden war eine typische Eigenschaft des Stalinismus. Adrian Cioroianu meint, es sei heute schwer zu beurteilen, ob Enescu willentlich mit den kommunistischen Machthabern paktierte oder viellmehr politische Naivität an den Tag legte. Die Bedingungen für seine Ausreise seien aber ein gutes Beispiel dafür, wie es einem Intellektuellen ergehen kann, wenn er in der Entourage eines verbrecherischen Regimes verkehrt.



George Enescu wurde 1945 vom Regime in Bukarest eingeladen und ermutigt, in die UdSSR zu reisen. Dort wurde er gut empfangen, die Konzertsäle waren voll und er nahm den Anlass wahr, um mit Dawid Oistrach zu spielen. Nach seiner Rückkehr in Rumänien wurde Enescu in einer beispiellosen Weise missbraucht. Er musste im Herbst 1945 an verschiedenen Arbeitertreffen teilnehmen, wurde bei Sitzungen des Rumänischen Vereins zur Pflege der Beziegungen zur Sowjetunion (ARLUS) weitergereicht, um dort über die Erfolge der Kulturpolitik und der Kunst in der Sowjetunion zu berichten. Aus diesem Grund meinte ich, dass Enescu naiv war. Man kann ihn nicht mit dem Schriftsteller Mihail Sadoveanu vergleichen, der alle seine Schritte minutiös geplant und ausgehandelt hat. Sadoveanu war ein Intellektueller, der in Symbiose mit dem Regime gelebt hat. Sadoveanu war überhaupt nicht naiv, sondern ein Profiteur des Regimes. Er hat seine Begabung für Geld und Vorteile verkauft. Ich glaube, Groza hat sich gefreut, als Enescu das Land verlie‎ß, da der Komponist keine Ahnung von Politik hatte. Seine Frau sagte ihm immer, was er tun und mit wem er sprechen sollte. Enescu komponierte, führte das Leben eines Intellektuellen, der in seiner Musikwelt lebt. Das Regime wollte ihn weg haben, unter der Bedingung, dass Enescu nichts gegen die neue Staatsordung sagt. Wäre er in Rumänien geblieben, hätte er alle Chancen gehabt, in einem Gefängnis zu sterben. Enescu war ein aufrichtiger Monarchist, ein echter Demokrat mit einer prowestlichen Orientierung. Er war aber gleichzeitig auch so naiv, zu glauben, dass man in der Sowjetunion die Kunst liebe. Enescu hatte aber nicht begriffen, dass man es in der Sowjetunion nicht mit der Liebe zur Kunst zu tun hatte. Entweder liebte man Stalin und beugte sich tief vor ihn, oder man konnte sich in seine Kunst zurückziehen und versuchen, kulturell zu überleben.“



Der Historiker Adrian Cioroianu ist der Auffassung, dass Enescus Idealismus ihn nicht vor kritischen Blicken der Nachkommenschaft schütze:



Was muss ein Intellektueller tun, welche Rolle spielt er, wie kann er seinem Land helfen, wenn es schwierige Zeiten durchmacht? Welche moralische Botschaft richtet er an seine Zeitgenossen? Schickt es sich, nach Paris fliehen, während das Land vom Feind erobert wird? Wie wäre es gewesen, wenn König Ferdinand und Königin Maria während des Ersten Weltkrieges nach Paris geflohen wären? Meine Frage ist: Welche moralische Botschaft strahlt noch eine ermutigte Flucht aus? Es liegt auf der Hand, dass das Regime einen Dirigenten wie Egizio Massini brauchte, der alles tat, was Petru Groza ihm sagte, einen Komponisten wie Matei Socor brauchte, der den nationalen Rundfunk leitete und einen unglaublichen Beitrag zur Kommunisierung Rumäniens leistete, obwohl er aus bürgerlichen Verhältnissen stammte. Die Kommunisten brauchten Menschen, die sich manipulieren lassen. Aus diesem Grund wurde auch George Enescu vom Regime hofiert, doch traute man ihm nicht ganz über den Weg.“



Die privilegierte Beziehung Enescus zum kommunistischen Regime brachte beiden Seiten Vorteile. Sie ist aber auch ein gutes Beispiel dafür, wie man mit Naivität und Gutgläubigkeit einem mörderischen Regime unter die Arme greifen kann.

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