Nach mehreren Vertagungen hat das Bukarester Berufungsgericht alle von den Anwälten vorgebrachten Einwände und Anträge zurückgewiesen und die Rechtmäßigkeit der von der Staatsanwaltschaft erhobenen Anklage festgestellt.
Das Gericht ordnete daraufhin die Eröffnung des Hauptverfahrens in diesem Fall an. 34 Jahre nach der Wende werden nun der erste Präsident des postkommunistischen Rumäniens, Ion Iliescu sowie der ehemalige stellvertretende Ministerpräsident Gelu Voican Voiculescu und der ehemalige Luftwaffenchef General Iosif Rus angeklagt, Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben, für die es keine Verjährungsfrist gibt. Die letzte Phase der chronologische Geschichte des Verfahrens begann vor vier Jahren. Im April 2019 wurde die Militärstaatsanwaltschaft damit befasst, aber zwei Jahre später verwiesen es die Richter des Obersten Gerichtshofs an die Staatsanwaltschaft zurück, da Unregelmäßigkeiten in der Anklageschrift beanstandet wurden. Nachdem die Militärstaatsanwälte die Anklageschrift neu formuliert hatten, kündigte Rumäniens ehemalige Generalstaatsanwältin Gabriela Scutea im August 2022 an, dass das Verfahren an den Obersten Gerichtshof geht. Sechs Monate später entschied ein Eröffnungsrichter, dass der Oberste Gerichtshof für die Verhandlung gar nicht zuständig sei, so dass der Fall vor dem Berufungsgericht in Bukarest landete.
Der Sachverhalt liest sich brisant: Der Hauptangeklagte, Ion Iliescu, Mitglied der ehemaligen Nomenklatura des kommunistischen Regimes, fiel in den 1970er Jahren bei Diktator Nicolae Ceaușescu in Ungnade, der ihn an den Rand drängte und aus wichtigen politischen Positionen entfernte. 1989 wurde er zur zentralen politischen Figur der antikommunistischen Revolution und stand in der Folge dreimal an der Spitze des rumänischen Staates: zwischen dem 22. Dezember 1989 und Mai 1990 bereitete er den Übergang vor, wurde dann jedoch in den Jahren 1990, 1992 und 2000 demokratisch gewählt. Laut Anklageschrift habe Ion Iliescu während der Revolution jedoch bewusst versucht, Legitimität durch die Manipulierung der öffentlichen Meinung zu gewinnen. Zwischen dem 22. und 30. Dezember 1989 für die systematische Irreführung der öffentlichen Meinung durch die Armee verantwortlich gewesen sein. Dadurch sei eine allgemeine Psychose ausgelöst und verstärkt worden, die zu zahlreichen Schießgefechten unter nicht verfeindeten Gruppierungen führte, bei denen in diesem Zeitraum 857 Menschen starben, 2.382 verletzt wurden und 585 unrechtmäßig inhaftiert waren. Ion Iliescu und die anderen Angeklagten haben die ganze Zeit über erklärt, dass sie unschuldig sind und die Anklage bestritten. Im Laufe der Zeit waren die Ereignisse vom Dezember 1989 Gegenstand von Ermittlungen in mehr als 4 500 einzelnen Strafverfahren. In 112 dieser Fälle wurden 275 Personen vor Gericht gestellt.