Volkszählung 2022: Rumänien schlittert in demographische Schieflage hinein
Die unlängst veröffentlichten offiziellen Ergebnisse der Volkszählung von 2022 stimmen bedenklich – die aktive Bevölkerung Rumäniens hat in den letzten Jahren um über eine Million Menschen abgenommen.
Mihai Pelin, 04.01.2023, 17:30
Gegenwärtig sind in Rumänien 7,6 Millionen Menschen erwerbstätig und über 11 Millionen Bürger nicht erwerbstätig oder arbeitslos. Die letztjährige Volkszählung, die vom Nationalen Institut für Statistik (INS) durchgeführt wurde, zeigt, dass sich der demografische Alterungsprozess seit der letzten Volkszählung verschärft hat und der Anteil der Bevölkerung über 65 Jahren gestiegen ist. Die Gesamtzahl der Einwohner liegt jetzt bei knapp über 19 Millionen, was einem Rückgang von mehr als einer Million in den letzten 10 Jahren entspricht.
Die Daten zeigen einen besorgniserregenden Trend: Die Bevölkerung Rumäniens schrumpft in der Erwerbsbevölkerung, während der nicht aktive Bevölkerungsanteil konstant bleibt. Von 42 Landkreisen (einschließlich Bukarest) haben 39 an Bevölkerung eingebüßt, wobei die Hauptstadt den größten Rückgang zu verzeichnen hat (166 000 Personen). In Rumänien gibt es 8,1 Millionen Erwerbstätige, und fast 500 000 Menschen sind arbeitslos, die meisten von ihnen Männer. Was die nicht aktive Bevölkerung betrifft, so machen Rentner und Sozialhilfeempfänger fast 40 % und Schüler und Studenten etwa 32 % aus.
Die Ergebnisse der Volkszählung enthalten auch eine gute Nachricht: Der allgemeine Bildungsstand der Bevölkerung hat an Niveau zugeommen. Mehr als 43 % haben ein Gymnasium absolviert oder eine andere Form der postsekundären, beruflichen oder technischen Ausbildung abgeschlossen — vor 10 Jahren waren es noch 37 %. Gleichzeitig gibt es in Rumänien derzeit 143 000 Analphabeten, also Menschen, die des Lesens und Schreibens unkundig sind.
Nach Ansicht von Experten wird es in Zukunft zu erheblichen Gleichgewichtsstörungen auf dem Arbeitsmarkt und im öffentlichen Rentensystem kommen. Der Soziologe Gelu Duminică etwa ist der Meinung, dass die Zukunft Rumäniens alles andere als rosig aussieht, weil sich der demografische Alterungsprozess immer stärker bemerkbar macht:
Derzeit kommen auf jeden Erwerbstätigen etwa 1,4 Leistungsempfänger, und Prognosen zufolge wird das Verhältnis in den nächsten 20 Jahren etwa 3,5 zu 1 betragen, d.h. ein Erwerbstätiger wird mit seinen Steuern und Abgaben etwa 3,5 Rentner und andere Leistungsempfänger unterstützen müssen. Zugleich verzeichnet der Rentenfonds derzeit ein Defizit von 2 Milliarden Euro. Mit anderen Worten: Bei 1,4 Leistungsempfängern pro Erwerbstätigen schnappen wir schon nach Luft, aber stellen Sie sich vor, wie es bei 3,5 sein wird. Man kann das Renten- und Sozialhilfesystem nicht wirklich aufrechterhalten, wenn man nicht das ganze System überdenkt und neu anpasst. Um es noch deutlicher zu sagen: Meine Generation wird die Rente in ihrer jetzigen Form und Höhe nicht mehr erhalten, und die Verarmung der über 65-Jährigen wird extrem ausgeprägt sein. Und wir werden nichts dagegen tun können. Im Moment gibt es keine Zauberformel dagegen, wenn es so weitergeht wie bisher.“
Der Soziologe Gelu Duminică meint noch, dass mittel- und langfristig zwei Lösungen in Frage kommen. Der erste Ausweg wäre die Unterstützung junger Familien durch verschiedene Steuererleichterungen und den Ausbau von Kinderkrippen, damit die Bevölkerung ermuntert wird, mehr Kinder in die Welt zu setzen. Die zweite Option bestünde darin, die im Ausland lebenden und arbeitenden Rumänen mit Anreizen zur Rückkehr in die Heimat zu ermutigen.