Die Liberalen haben eine neue Führung gewählt
Der rumänische Ministerpräsident Florin Cîțu wird Vorsitzender der PNL, die Situation in seinem Kabinett ist aber weiterhin vertrackt.
Ştefan Stoica, 27.09.2021, 00:22
Ministerpräsident Florin Cîțu ist seit Sonnabend Vorsitzender der PNL, der wichtigsten Partei in der Bukarester Regierungskoalition. Er hat den ehemaligen Ministerpräsidenten und Parteivorsitzenden Ludovic Orban herausgefordert. Die beiden schonten sich im Kampf um den Vorsitz nicht. Kommentatoren sind sich einig, dass die Streitereien dem Image der Partei großen Schaden zugefügt und vor allem die Tätigkeit der Regierung beeinträchtigt haben. Und das während in Rumänien erneut die Corona-Intensivbetten knapp werden und die Energiepreise dramatisch gestiegen sind. Der neue Vorsitzende der Liberalen, Florin Cîțu, glaub mit seiner Wahl werde sich das Land positiv verändern. „Ich verspreche Ihnen, dass ich der Präsident aller Liberalen sein werde, unabhängig davon, wem Sie ihre Stimme gaben. Wir sind eine geeinte Partei und wir werden alle unsere Kräfte gegen unseren politischen Gegner, die PSD, einsetzen. Sie sollten wissen, dass dies nicht nur eine Kampagne war, sondern eine Bewegung, die mit der Nationalliberalen Partei beginnt und die Rumänien zum Besseren verändern wird“.
Während Florin Cîțu für 60 % der PNL-Kongressteilnehmer die Lösung ist, so ist er für den ehemaligen Regierungspartner, die USR-PLUS, das Problem. Die Partei verließ die mitte-rechtsorientierte Koalition, nach dem Cîțu den Justizminister Stelian Ion seines Amtes enthob und erklärte, nur dann in die Regierung zurückzukehren, wenn Florin Cîțu nicht mehr Regierungschef ist.
Das Kabinett, das nach dem Ausscheiden der USR-PLUS in der Minderheit ist, droht zu zerbrechen, wenn der von dieser Partei gestellte Misstrauensantrag im Parlament angenommen wird. Der Antrag wurde von der USR-PLUS gemeinsam mit der ultranationalistischen Oppositionspartei AUR eingereicht, wird gegenwärtig vom Verfassungsgericht geprüft und könnte mit den Stimmen der sozialdemokratischen Opposition das Parlament passieren. Um eine neue parlamentarische Mehrheit für seine Regierung zu finden, hat der neugewählte Vorsitzende der Liberalen Verhandlungen mit allen politischen Parteien angekündigt.
Die oppositionelle PSD will erklärtermaßen Cîțu stürzen. Die Sozialdemokraten sagen, dass die Tage der derzeitigen Regierung gezählt seien und dass sie für den Fall, dass der Antrag der USR-PLUS und AUR vom Verfassungsgericht zurückgewiesen werde, einen eigenen Misstrauensantrag einreichen werden. Der PSD-Vorsitzende Marcel Ciolacu dazu: „Auf jeden Fall wird die PSD nach dem Urteil des Verfassungsgerichts, wenn kein Konflikt vorliegt, sofort für den Misstrauensantrag stimmen. Wenn es einen Konflikt gibt, wird die Sozialdemokratische Partei sofort einen eigenen Misstrauensantrag einreichen und andere Parteien auffordern, sich uns anzuschließen.“
Es gibt eine weitere Möglichkeit — eine Minderheitsregierung gebildet aus der PNL und dem Ungarn-Verband. Diese gab es bereits einmal, von 2007 bis zu den Wahlen 2008, als das Kabinett des liberalen Călin Popescu Tăriceanu mit informeller Unterstützung der PSD durchregieren konnte. Doch der Preis war hoch und droht nun derselbe zu sein: der Verzicht auf alle wichtigen Reformprojekte und die Verabschiedung populistischer, finanziell nicht tragfähiger Maßnahmen. Und das zu einer Zeit, in der der Finanzexperte Florin Cîțu wiederholt und lautstark versprochen hat, die verantwortungslose Ausgabe öffentlicher Gelder zu stoppen und die Verwaltung zu reformieren.