Rumänisches Parlament nimmt Sitzungen wieder auf
Mit dem ersten Herbsttag im Kalender nimmt auch das bikamerale Parlament in Rumänien seine Arbeit wieder auf.
Bogdan Matei, 01.09.2021, 14:56
Laut Angaben der Spitzenpolitiker der Regierungskoalition (PNL-USRPLUS-UDMR) ist die Oberste Priorität auf der Agenda der Legislative die Verabschiedung eines Gesetzes zum Schutz der sogenannten vulnerablen Verbraucher. Im Senat wurde der Gesetzentwurf bereits verabschiedet, nun soll die Abgeordnetenkammer darüber beraten. Mit dem neuen Gesetz soll Familien mit geringen Einkommen geholfen werden, die seit der vollständigen Liberalisierung des Energiemarktes am 1. Juli erhöhten Strom- und Gasrechnungen zu bezahlen, da man im Winter eine regelrechte Preisexplosion erwartet. Die in der Opposition befindlichen Sozialdemokraten (PSD) fordern eine beschleunigte Verabschiedung, zudem sollte das Gesetz schon in diesem Winter wirken, und nicht erst ab nächstes Jahr, wie die Regierung plant. Die PSD möchte zudem eine Preisdeckelung, falls die Energiepreise aus dem Ruder laufen.
Im Senat, der Oberkammer des rumänischen Parlaments, sollen indessen die Diskussionen über die Abschaffung der Sonderstaatsanwaltschaft für Ermittlungen gegen Richter und Staatsanwälte (SIIJ) fortgeführt werden. Experten aus dem In- und Ausland sind einhellig der Meinung, dass diese von der ehemaligen PSD-Regierung auf den Weg gebrachte Behörde völlig überflüssig und nur dafür geschaffen worden sei, um ermittelnde Staatsanwälte einzuschüchtern und damit die Bekämpfung der Korruption zu unterbinden. Die Spitzenpolitiker der derzeitigen Regierungskoalition sind sich zwar auch einig, dass die Sonderstaatsanwaltschaft abgeschafft werden muss, es herrscht aber kein politischer Konsens, wie man dabei vorgehen soll.
Die PSD möchte im Senat auch die Verabschiedung eines Gesetzes durchboxen, mit dem Politikern, gegen die strafrechtliche Verurteilungen vorliegen, der Zugang zu öffentlichen Ämtern verwehrt werden soll. Nachdem die PSD sich der korrupten Führungsriege um den kürzlich aus dem Gefängnis entlassenen Liviu Dragnea einigermaßen entledigt hat, pocht sie damit nun auf ein Thema, das jahrelang im Diskurs des bürgerlichen Politikspektrums Vorrang hatte. Die Sozialdemokraten möchten ferner auch einen Misstrauensantrag gegen die Regierung des Liberalen Florin Cîţu auf den Weg bringen.
Die PSD befindet sich laut jüngsten Umfragen in einer komfortablen Position. Nervosität und Frustration sind allgegenwärtig in der rumänischen Gesellschaft, und zwei Drittel der Bürger erachten, dass Rumänien sich in die falsche Richtung bewegt. Sollten nächsten Sonntag Wahlen stattfinden, so würden 35% der Befragten für die PSD und nur 21% für die PNL stimmen. Auf den dritten Platz in der Wahlgunst der Rumänen landet mit 15% laut Umfragen die nationalistisch-konservative Allianz für die Einheit der Rumänen (AUR). Der Juniorpartner der Koalition (USRPLUS) bewegt sich im 5%-Bereich, ebenso der Ungarnverband (UDMR), was in etwa dem Anteil der wahlberechtigten Bürger ungarischer Nationalität entspricht.
Auch innerhalb der Regierungskoalition herrscht alles andere als Friede, Freude, Eierkuchen“. Mit den endlosen Querelen um die Abschaffung der Sonderstaatsanwaltschaft und der bislang missglückten Initiative der USR, die Bürgermeisterwahlen wieder in zwei Wahlgängen stattfinden zu lassen, haben die bürgerlichen Parteien einen Teil ihrer Stammwählerschaft verprellt. In diesem Herbst werden Liberale (PNL) und USR-PLUS ihren jeweiligen Parteitag veranstalten, bei dem eine neue Führungsspitze gewählt werden soll. Bis dahin bleibt alles in Wahlkampfmodus, was mitunter zu seltsamen Situationen und manchmal auch zu Schlägen unter der Gürtellinie führt, über die sich wiederum die Boulevardpresse freut.