Remember Timisoara
Bogdan Matei, 18.12.2019, 16:05
Am 18. Dezember 1989 eröffneten die repressiven Truppen des kommunistischen Regimes unter Timişoara, der größten Stadt im westlichen Banat, das Feuer auf junge Demonstranten, die auf den Stufen der orthodoxen Kathedrale der Stadt Zuflucht gesucht hatten. Am selben Tag wurden die Überreste von 43 Revolutionären von Kadern der Securitate, der geheimen politischen Polizei des Regimes, einfach aus der Leichenhalle des Kreiskrankenhauses gestohlen. Die Leichen wurden später in das Krematorium von Bukarest gebracht, um alle Spuren der Verbrechen zu beseitigen.
Unter vielen Kommentatoren herrschte ein Konsens: es sei kein Zufall gewesen, dass der Anfang vom Ende der kommunistischen Diktatur in Timişoara seinen Anlauf nahmen. Diese Stadt war geografisch am nächsten an der freien Welt. Seit Jahren empfingen die Menschen hier über ihre Fernsehantennen Bilder eines aus Sicht der Rumänen überraschend entspannten Jugoslawiens oder aus Ungarn, das als „lustigste Baracke“ im kommunistischen Lager galt. Ebenso hatte die habsburgische Herrschaft den Bewohnern von Banat einen bürgerlichen Geist und eine Solidarität zwischen den ethnischen Gruppen vermittelt, die es in anderen Teilen Rumäniens nicht wirklich gab.
Alles begann mit dem Wunsch der Behörden, den magyarischen Pastor László Tőkés aus Timişoara zu deportieren. Eine Handvoll Menschen zeigten sich solidarisch, und sehr schnell schloss sich ihnen die ganze Stadt an, um ihre Ablehnung zu zeigen. Die Liste der Demonstranten, die an diesen Tagen auf Timişoara getötet wurden, enthält nicht nur rumänische Namen, sondern auch ungarische, deutsche oder serbische.
Am 20. Dezember, als der Rest des Landes noch in der Sozialistischen Republik Rumänien war und daran nichts zu rütteln schien, wurde Timişoara vom Balkon des Opernhauses aus zur „freien Stadt“ erklärt. Die Armee weigerte sich dann, weiterhin auf die Demonstranten zu schießen und zog sich in die Kaserne zurück. Der erste Offizier, der sich mit den Revolutionären verbrüderte, Viorel Oancea, wurde zwei Jahre später zum Bürgermeister der Stadt, nachdem er die erste postkommunistische Kommunalwahl gewonnen hatte.
Am 21. Dezember 1989 griff der Aufstand von Timişoara auf andere Großstädte im Westen und Zentrum des Landes, Arad, Cluj, Sibiu und Braşov über, wo die Ordnungskräfte das Feuer auf die Demonstranten eröffneten. Am 21. Dezember mutierte eine von der Kommunistischen Partei in Bukarest organisierte Kundgebung in einen Volksaufstand gegen das Regime. Die Revolte gipfelte am nächsten Tag, dem 22. Dezember, als das Ehepaar Elena und Nicolae Ceauşescu in einem Hubschrauber flüchtete. Sie wurden später gefangen genommen und am Weihnachtstag nach einem Schnellverfahren vor einem Standgericht hingerichtet. Im Dezember 1989 starben mehr als tausend Menschen und mindestens 3.000 wurden verletzt. Rumänien wurde das einzige ehemalige kommunistische Land, in dem der Übergang zur Demokratie mit Gewalt vollzogen wurde.