Zehntausende Rumänen protestieren gegen geplante Gesetzesänderungen
Als Reaktion auf die beabsichtigte Änderung der Justizgesetze und des Steuergesetzbuches protestierten Zigtausende empörte Bürger in den Großstädten Rumäniens.
Corina Cristea, 06.11.2017, 15:05
Die umstrittenen Gesetze zur Justizreform sorgen wieder für eine gespannte Lage in Rumänien. Opposition und Zivilgesellschaft sind unzufrieden mit den neuen Fassungen der Entwürfe der Regierung über eine Neudefinition des Tatbestands Amtsmissbrauch mit einer festgelegten akzeptablen Schwelle. Die Schwelle bezieht sich auf den durch Amtsmissbrauch entstandenen Schaden. Die Opposition beklagt, dass mit den neuen Gesetzesänderungen die Regierung versucht, ihre wegen Amtsmissbrauch angeklagten Mitglieder, vor allem den Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei, Liviu Dragnea, von einer Strafverurteilung zu retten.
Die Entwürfe der Regierungkoalition über Änderungen der Justizgesetze und anderer gesetzlichen Normen haben dazu geführt, dass Zigtausende empörte Rumänen am Sonntag abend in Bukarest, in mehreren rumänischen Großstädten und auch im Ausland auf die Straße gegangen sind, um ihre Unzufriedenheit lautstark zum Ausdruck zu bringen. In Bukarest sammelten sich mehr als 20.000 empörte Bürger vor dem Sitz der Regierung; anschließend organisierten sie einen Protestmarsch bis zum Parlamentsgebäude. Die Demonstranten riefen Parolen gegen die Regierung und klagten gegen die Inkompetenz und die Korruption, die sich bei den Machthabern breitgemacht hätten. Die Unzufriedenheit der protestierenden Rumänen hat viele Gründe: die politischen Absicht der Regierenden, die Justizgestze zu ändern, die desolate Situation im Bildungswesen und im Gesundheitswesen, und auch das sog. Gestotter” in Bezug auf das Steuersystem. Einige Stimmen aus der protestierenden Menge:
Ich will in einem normalen Land leben. Ich will, dass mein Kind in eine gesunde Gesellschaft geboren wird. Ich will nicht, dass mein Kind das Land verläßt, um im Ausland zu leben. Die Sozialdemokratische Partei soll Rumänien verlassen! Von mir aus können alle rumänische Politiker das Land verlassen!”
Mit den Änderungen der Justizgesetze versuchen die Regierenden, ihre eigene Haut zu retten. Dieses Durcheinander im Steuerbereich darf nicht sein! Alle Leute, mit denen wir darüber diskutieren, fragen uns, wohin dieses Land geht, ob es sich noch lohnt, in Rumänien zu investieren, ob wir noch hier bleiben sollten, oder aber die Firmen zumachen und weggehen solten.”
In allen Großstädten Rumäniens — Cluj, Timişoara, Sibiu, Iaşi, Arad, Suceava, Brăila, Constanţa, Oradea, Ploieşti — machten die Leute mobil, sie diskutierten auf den Sozialnetzen und gingen auf die Straße. Der Vorsitzende des Verbandes Oradea Civica, Sebastian Duma, der die Proteste in Oradea organisierte, erklärte dazu:
Der Grund, warum wir auf der Straße protestieren, ist derselbe wie im Februar dieses Jahres — diesmal aber bei Stärke Hoch Zwei. Es ist dasselbe wir im Winter geschehen, die berühmt-berüchtigte Eilverordnung Nr. 13 ist wieder im Parlament, aber viel schlimmer, eben in der Stärke Hoch Zwei. Was jetzt passiert, ist viel gefährlicher als die damalige Situation im Parlament. Die Absicht der Regierenden ist einerseits, dass viele korrupte, strafbare Politiker und Würdenträger, die in Rumänien hohe Ämter belegen, unbestraft davonkommen. Andererseits, und das ist noch gravierender, beabsichtigen die Machthaber, mehrere Straftaten, die sie selbst begangen haben, einfach aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Diese Menschen haben doch jede Grenze überschritten! Was in Februar geschah, als die Regierenden wie gemeine Diebe, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion versuchten, eine Eilverordnung zu erlassen, die sie von Haftstrafen oder Strafurteilen retten sollte, war sehr schlimm, aber was heute passiert ist viel, viel schlimmer.”
Derselben Meinung sind auch die protestierenden Bürger in anderen Großstädten Rumäniens. Ferner sind die Demonstranten auch mit den von der Regierung vorgeschlagenen neuen Steuermaßnahmen unzufrieden. Wenn beginnend mit dem 1. Januar 2018 die Sozialbeiträge vom Arbeitnehmer anstatt vom Arbeitgeber bezahlt werden müßten, könnte das zu einer Senkung der Löhne und zum Verlust von Arbeitsplätzen, klagen die protestierenden Rumänen.