Rumänien wählt am Sonntag neuen Präsidenten
Die Bürger entscheiden zwischen Regierungschef Victor Ponta und dem Bürgermeister von Sibiu, Klaus Johannis.
Ştefan Stoica, 10.11.2014, 15:37
Das Rennen um das höchste Amt im Staat hat mit den Wahlkämpfen der Vergangenheit wenig Gemeinsamkeiten, obwohl genauso viel auf dem Spiel steht. Im Vergleich zu den diesjährigen Kandidaten trafen in früheren Wahlkämpfen politische Schwergewichte aufeinander – Ion Iliescu und Emil Constantinescu, bzw. Adrian Năstase und Traian Băsescu, der jetzige Amtsinhaber. Auch aus diesem Grund vermag der Wahlkampf in diesem Jahr kaum Leidenschaft hervorrufen.
Ein Fernsehduell zwischen den beiden Kandidaten – Ponta mit 40% der Stimmen im ersten Wahlgang und der um zehn Prozentpunkte schwächerer Iohannis – hat wenig Erfolgsaussichten, da die Wahlkampfteams keine Kompromisslösung in Bezug auf den Austragungsort erreichen konnten und einander vorwerfen, einen Dialog abzulehnen. Wie ein Politikommentator bemerkte, steht im Moment kein Wahlprogramm oder Projekt zur Debatte, sondern die Debatte selbst. Ein weiteres Thema, das sich auf den Wahlkampf störend auswirkte, war die fehlerhafte Organisierung des ersten Wahlgangs im Ausland, als zahlreiche Rumänen infolge von Logistikschwierigkeiten nicht wählen konnten. Grund für die Unzufriedenheit war das langwierige Abstimmungsverfahren und die unzureichende Anzahl der Wahllokale im Ausland. Die langen Menschenschlangen und enormen Warteizeiten stießen Proteste in vielen rumänischen Großstädten sowie in europäischen Hauptstädten an.
Auch der Wahlkampf vor der Stichwahl ist von Merkmalen typisch rumänischer Politik geprägt. So werfen sich beide Lager bestandslose Vorwürfe an den Kopf. Über Klaus Iohannis, einem Siebenbürger Sachsen, kolportiert die Linke, dass er das Land spalten wolle — solche Anschuldigungen gehören eigentlich zum Wahlkampfarsenal der 1990er Jahre. Die Rechte zeigt hingegen mit dem Finger auf Victor Ponta und streut, dass er die Steuern erhöhen und ab 2015 sogar die progressive Besteuerung wieder einführen will.
Immerhin trachten Politiker nach ad-hoc Allianzen – das einzige normale politische Verhalten in einem so wichtigen Wahlkampf. Hier haben die Kandidaten eine jeweils andere Taktik gewählt. Premierminister Ponta hat sich nach Verhandlungen die Unterstützung mehrerer aus dem Rennen ausgeschiedener Kandidaten gesichert – so des früheren liberalen Premierministers Calin Popescu Tariceanu, des ehemaligen Direktors der Gegenspionage, Teodor Meleşcanu und zweier Populisten, Corneliu Vadim Tudor und Dan Diaonescu.
Klaus Iohannis, hinter dem die so genannte Christlich-Soziale Allianz steht, weigerte sich offen, um die Stimmen seiner Gegenkandidaten aus dem ersten Wahlgang zu pokern. Aber auch so sicherten ihm zwei Kandidatinnen aus dem konservativen Lager ihre Unterstützung zu: die Ex-Justizministerin Monica Macovei und Elena Udrea, die Chefin der Staatspräsident Basescu nahestehenden Partei der Volksbewegung (PMP). Beide riefen ihre Kernwählerschaften auf, am Sonntag für Iohannis zu stimmen. Die mitregierende Ungarnpartei (UDMR) ließ ihren Wählern offen, nach eigenem Gewissen zu stimmen. Niemand kann aber garantieren, dass die Wähler dem jeweiligen Aufruf folgen werden. Die Partei der Unentschlossenen könnte unter diesen Umständen das Zünglein an der Waage darstellen.