Hermannstadt, ein Juwel mittelalterlicher Architektur
Es sind 12 Jahre her, seitdem die Stadt Sibiu (dt. Hermannstadt) Kulturhauptstadt Europas war. Vor kurzem lenkte die siebenbürgische Stadt wieder einmal die ganze Aufmerksamkeit auf sich, indem sie zum Austragungsort des EU-Gipfels wurde.
Ana-Maria Cononovici, 22.05.2019, 17:45
Die Stadt Sibiu (dt. Hermannstadt) ist das südliche Tor Siebenbürgens — eine alte Stadt, die zum ersten Mal 1191 urkundlich erwähnt wurde. Die Stadt rühmt sich mit ihrer Altstadt und der Architektur. Besonders auffallend sind in diesem Zusammenhang die sogenannten Augen“ der Stadt — die eigentlich nichts anderes sind als Fensteröffnungen im Hausboden der Gebäude. In Sibiu führen alle Wege zum Großen Ring, bekannt unter dem Namen Piaţa Mare. Piaţa Mare ist einer der drei historischen Ringe in der Stadt. Er wurde 1366 gegründet, gleichzeitig mit dem Abschluss der Bauarbeiten am dritten Verteidigungsring der Stadt. Im Mittelalter wurden hier Jahrmärkte organisiert und verschiedene Zeremonien ausgetragen.
Auch heute noch ist der Große Ring der Ort, an dem die meisten Veranstaltungen stattfinden. Im Winter z.B. wird hier der schon berühmte traditionelle Weihnachtsmarkt organisiert. Die Gebäude rund um den Hauptplatz beeindrucken durch die schöne Architektur. Es sind die Häuser, in denen einst die Oberschicht des Bürgertums — die sogenannten Patrizier — lebten. Sämtliche Gebäude wurden nach ihren Bauherren getauft: Haller-Haus, Hecht-Haus, Lutsch-Haus oder Weidner-Haus. Bemerkenswert sind auch das Blaue Haus, das Haus der Generäle, das Rathaus, die Römisch-Katholische Kirche und selbstverständlich das renommierte Palais Brukenthal. Im Schloss Brukenthal fand unter anderem das Treffen der Staat- und Regierungschefs Europas statt.
Im Schloss Brukenthal wurde am 25. Februar 1817 das erste Museum auf dem Gebiet des heutigen Rumänien eröffnet. Diese Leistung ist dem damaligen Gouverneur Siebenbürgens, Samuel von Bruckenthal, zu verdanken.
Der Weg vom Großen zum Kleinen Ring (rum. Piaţa Mică) führt an einer weiteren Sehenswürdigkeit vorbei, dem Ratsturm. Dieser Turm verteidigte das Eingangstor in den mittleren Ring der Burg. Der Turm lag in unmittelbarer Nähe zum heutigen Rathaus — das zumindest geht aus den Urkunden des Jahres 1324 hervor. Im Roten Haus am Kleinen Ring ist derzeit ein luxemburgisches Kulturzentrum untergebracht. Dies ist nicht dem Zufall zu verdanken, sondern verdeutlicht einmal mehr, dass Hermannstadt und Luxemburg im gleichen Jahr, nämlich 2007, Europäische Kulturhauptstadt waren.
Die Lügenbrücke (rum. Podul Minciunilor) ist ein weiteres Wahrzeichen der Stadt. Die Brücke wurde ursprünglich 1771 gebaut, dann 1859 von der Firma Friedrichshütte zu einem gusseisernen Schmuckstück rekonstruiert. Sie war die erste gusseiserne Brücke auf dem Gebiet des heutigen Rumänien. Weil sie auch die erste Brücke war, die nicht auf Pfeilern stand, wurde sie Liegebrücke“ genannt. Von liegen“ zu lügen“ war es nicht weit; so erhielt sie bald die Bezeichnung Lügenbrücke“, und es begannen sich mancherlei Legenden um diesen Namen zu ranken. Junge Paare spazieren gern über die Brücke, deren Tragwerk mit Rosetten und einer Bordüre mit kreisförmigem Zierrat und neugotischen geometrischen und Pflanzenornamenten geschmückt sind. Eine weitere Sage besagt, die Brücke solle einstürzen, sobald ein Lügner sie betritt; eine andere, dass sich früher an Markttagen die geschwätzigen Leute unter der Brücke versammelten und sich allerlei Klatsch und Tratsch“ berichteten. Von dieser legendenbehafteten Sehenswürdigkeit gibt es einen wunderschönen Blick über die Stadt und über den kleinen Ring bis hin zum Ratsturm.
Darüber hinaus wurde Sibiu dieses Jahr zur Europäischen Gastronomieregion erklärt. Lediglich 8 Regionen in Europa erhielten diese Auszeichnung bis jetzt, darunter Katalonien und die Lombardei.