US-Amerikanerin Mary Claire Estes: Rumänien ist spannend, aber anstrengend
Mary Claire Estes lebt in Rumänien seit knapp drei Monaten. Sie kam Anfang des Sommers, nachdem sie im Dezember vergangenen Jahres die Ortschaft Bran und ihre Umgebung mit Begeisterung entdeckte.
Hildegard Ignătescu, 16.10.2017, 05:45
Mary Claire Estes arbeitete als Grundschullehrerin in den Vereinigten Staaten. Sie unterrichtete Englisch in Florida. Kurz nach ihrem ersten Rumänienbesuch beschloss sie, nach Rumänien zu ziehen. Derzeit unterrichtet sie Englisch und ein paar andere allgemeinbildende Fächer an der International School of Bucharest. Im Laufe der Zeit versuchte sie sich auch als Schriftstellerin. Mary Claire Estes schreibt außerdem einen Blog. Hier lässt sie gelegentlich ihre Meinungen zum Ausdruck kommen. Ebenfalls auf ihrem Blog können die Fotos gesehen werden, die sie in Rumänien an den Orten schießt, die sie besucht. Bukarest ist für Mary eine interessante Stadt. Die von ihr vorgestellten Bilder widerspiegeln eine spannende, lebenslustige Metropole:
Ich bin überwältigt von der Schönheit der Architektur in Bukarest. Die Stadtbewohner sind sehr offen und freundlich. Die Mehrheit spricht hervorragend Englisch. Ich bin nicht unbedingt überrascht davon, aber ich freue mich, das festzustellen. Die Stadt hat eine reiche Kultur und Geschichte, es gibt so Vieles zu sehen! Die Architektur in meiner Heimatstadt Orlando ist viel einfältiger, hat keine so große Tradition. Bei uns ist alles weit und breit, die Leute sperren sich in ihren Autos ein und fahren einfach los. Seitdem ich in Bukarest lebe, bin ich viel zu Fuß spazieren gegangen. Ich habe sogar mehrere Kilo abgenommen. Ich fühle mich sehr wohl. Und ich muss noch eins offen gestehen: Ich liebe das hiesige Essen!“
Mary Estes lernte mittlerweile ein bisschen Rumänisch. Sie kann nun auf Rumänisch grüßen und zählen. Sie mag die rumänische Sprache und auch, wie es sich hier leben lässt. Allerdings vermisst sie manchmal ihre Lieblingsrestaurants in den USA und den amerikanischen Kaffee, der in den Vereinigten Staaten wohl anders schmeckt. Sie mag gerne durch die Bukarester Parks herumstreifen. Doch am meisten gefällt ihr die Altstadt von Bukarest. Da hält sie sich oft auf. Zusammen mit anderen Expats beteiligt sie sich gerne an Karaoke-Abenden. Doch wie jedwede Großstadt hat auch Bukarest weniger schöne Seiten. Dazu Mary Estes:
Ich liebe Tiere und ich war sehr beeindruckt, herrenlose Tiere in den Straßen zu sehen. Die streunenden Hunde haben es am schwierigsten, es ist sehr traurig zu beobachten, wie sie verzweifelt nach Nahrung suchen. Die Katzen werden von irgendjemand gefüttert, das kann man erkennen. Die Hunde aber nicht. Die Bettler bei der U-Bahn machen mich traurig. Ich würde ihnen das ganze Geld schenken, das ich dabei habe. Das alles ist überwältigend — allerdings im negativen Sinne. Außerdem orientiere ich mich ziemlich schwer in der Stadt, vor allem bei der U-Bahn. In Orlando, eigentlich in den USA allgemein, fuhr ich nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Das ist also eine zusätzliche Herausforderung für mich. Doch es ist ganz spannend.“
Mary Estes studierte in den Vereinigten Staaten an der University of South Florida. Da machte sie auch ihr Englischdiplom. Nach dem Universitätsstudium ergänzte sie ihre Ausbildung mit einem Masterjahr an der University of Central Florida. Sie hat eine lange Erfahrung im Unterricht. Die Arbeit an der International School of Bucharest findet sie allerdings anspruchsvoller als erwartet:
Es ist eine durchaus neue Erfahrung. Obwohl ich seit 12 Jahren unterrichte, habe ich bislang nur in Florida gearbeitet, an Schulen in der gleichen Region. Bislang war mir nicht klar, was für eine begrenzte Perspektive ich über den Unterricht und die Schüler hatte, über die Bildung allgemein. Ich unterrichte hier Schüler, die eine größere Erfahrung als ich haben, und das in ihrem Alter. Sie sind viel jünger als ich, doch sie sind viel herumgereist, haben die Welt gesehen. Dazu kommen noch die kulturellen Unterschiede. Ich möchte in meinem Unterricht eine klare Struktur haben, ich bin eine eher organisierte Person. Doch hier unterbrechen die Schüler meinen Unterricht ständig mit Fragen. Sie fordern viel mehr meine Aufmerksamkeit. Sie sind sehr sympathisch, aber anstrengend. Ich fühle mich sehr wohl, doch der Energieaufwand ist viel größer hier in Rumänien.“
Als sie nach Rumänien zog, wusste sie kaum etwas über Rumänien. Sie wusste nicht einmal, wo das Land genau auf der Karte lag — wie sie offen gesteht. Mittlerweile ist es ihr Zuhause. Seit ein paar Jahren ist auch ihre Schwester nach Rumänien gekommen. Sie arbeitet an der US-Botschaft in Bukarest. Mary wünscht sich, mit ihrer Schwester durch Rumänien zu reisen. Die Berge findet sie besonders reizend. Die Gegenwart ist voller Versprechen für Mary. Rumänien ist der Beginn einer Liebesgeschichte. Doch was folgt für Mary?
Ich möchte noch mindestens 2-3 Jahre hier bleiben. Ich kann derzeit nicht behaupten, dass ich für immer hier leben möchte. Müsste ich Rumänien bald verlassen, so wäre ich mit Sicherheit traurig. Ich habe einem Freund erzählt, ich werde in Oktober Urlaub in den USA machen. Er sagte mir, ich werde bestimmt als eine andere Person wiederkehren. Ich verstand, was er meinte. Nach 5 Monaten in Rumänien bin ich sehr gespannt, meine Familie wiederzusehen. Ich schaue zurück auf mein bisheriges Leben und habe den Eindruck, alles war bis jetzt im Kleinformat. Die Welt ist so groß, es gibt so viele verschiedene Kulturen. Ich habe jetzt die Möglichkeit, die große Welt kennenzulernen.“