Theatermacher aus Frankreich: „Zu Rumänien habe ich eine herzliche und natürliche Verbindung“
Julien Daillère hat in der siebenbürgischen Stadt Târgu Mureș den Doktortitel der Kunstuniversität erlangt, und selbst wenn er jetzt wieder in Frankreich lebt, hat Rumänien einen festen Platz in seinem Herzen.
Hildegard Ignătescu, 08.12.2020, 18:00
Julien Daillère ist Theaterregisseur, Dramatiker und Darsteller. Er hat Wirtschaft in Paris und Deutschland studiert, seine Liebe gilt aber dem Theater. Am Nationaltheater in Chaillot hat er Theaterworkshops besucht und im Jahr 2016 hat er sein eigenes Theaterensemble gegründet. Seine ersten Stücke hat er selber inszeniert. 2015 hat er zum ersten Mal Rumänien besucht. In Târgu Mureș (Neumarkt am Mieresch) hat er den Doktortitel an der Kunstuniversität erhalten. Drei Jahre lang hat er sein Leben zwischen Rumänien und Frankreich aufgeteilt, jetzt lebt er in Frankreich. Über seine Rumänien-Erfahrung sagt Julien Daillère:
Am Anfang habe ich Rumänien zufällig gewählt, ich hatte den Rektor der Kunstuniversität in Târgu Mureș auf einer Konferenz in Paris kennengelernt, und er hat mich gefragt, ob ich nicht ein Doktoratsstudium bei der Universität in Târgu Mureș aufnehmen möchte. Im Februar 2015 war ich zum ersten Mal auf Besuch in der siebenbürgischen Stadt. Es wäre einfacher für mich gewesen, in Deutschland zu studieren, weil ich die Sprache kenne, aber irgendwie hat mich diese Stadt angezogen. Meinen Doktortitel habe ich mit der Aufführung »C’est bon. E ok. Rendben. This is just a story« bekommen, die Aufführung stand auch auf dem Programm der Saison Rumänien-Frankreich 2019. Jetzt lebe ich in Clermont-Ferrand und wohne hinter dem rumänischen Laden »Dor de Casă« (»Heimweh«), wo ich regelmäßig rumänischen Käse, Kuchen und den Brotaufstrich Zacuscă kaufe.“
Julien Daillère hat eine neue Form von Theater entworfen, die er als Covid-kompatibel“ bezeichnet. Es handelt sich um Theater am Telefon. Jetzt entwickelt er das Konzept zusammen mit dem Französischen Kulturinstitut in Cluj (Klausenburg):
Das Projekt begann im März 2020, als ich wegen des Notstands zu Hause isoliert war. So habe ich angefangen, Tele-Performance zu machen. Ich bin bei mir zu Hause und bin am Telefon mit einem Tele-Performer, der das Publikum vor den Augen hat. Ich gebe ihm Anweisungen am Telefon, was er auf der Bühne machen soll. Die Aufführung soll bald beim Tranzit House in Cluj stattfinden und trägt den Titel »Give me your body, I’ll tell you poetry«.“
Julien liebt Rumänien und ist mit seinen Freunden in Rumänien in Verbindung geblieben. Er glaubt, dass Rumänien etwas hat, was an anderen Orten der Welt nicht mehr zu finden sei:
Hier leben so viele Menschen, die mit der Tradition in enger Verbindung stehen. So was zu finden, ist eine einzigartige Chance, denn in Zukunft wird es notwendig sein, die Nähe zu dieser einfachen Lebensart, zur Natur, zu unserem Planeten wiederherzustellen. Die Rumänen sollten nicht mehr dem Neoliberalismus Westeuropas nacheifern. Das Rumänien, das ich liebe, ändert sich von Tag zu Tag, und das finde ich sehr traurig. Alles wird profitorientiert betrachtet und das ist mit so vielen Nachteilen für die Natur verbunden, und wir können leider nichts dagegen tun. Jetzt wird zum Beispiel in Târgu Mureș ein riesengroßes Einkaufszentrum gebaut. Jedes Mal, wenn ich mit meinen Freunden in Rumänien spreche, fühle ich eine herzliche und natürliche Verbindung, die ich anderswo nicht finden kann.“