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Raul Passos aus Brasilien: „Geografisch fern, kulturell nah aneinander“

Raul Passos ist ein brasilianischer Musiker mit einer Leidenschaft für Literatur und Sprachen. Er lebt seit 2017 zusammen mit seiner Ehefrau in Rumänien.

Raul Passos aus Brasilien: „Geografisch fern, kulturell nah aneinander“
Raul Passos aus Brasilien: „Geografisch fern, kulturell nah aneinander“

, 14.12.2023, 18:00



RadioRomaniaInternational · Raul Passos aus Brasilien: Geografisch fern, kulturell nah aneinander“



Raul Passos ist ein brasilianischer Musiker mit einer Leidenschaft für Literatur und Sprachen. Er studierte Komposition und Dirigieren an der Fakultät für Musik und Bildende Kunst des Bundesstaates Paraná in Brasilien und Literatur an der Universität desselben Bundesstaates. Später absolvierte einen Master in Musikinterpretation an der Nationalen Universität für Musik in Bukarest, wo er seit 2017 lebt.



Raul Passos hat eine umfangreiche Erfahrung im Übersetzen und hat mehrere Artikel in einer brasilianischen Musikzeitschrift veröffentlicht. Im Laufe seiner Karriere unterrichtete er Klavier und war Chorleiter, lehrte Musiktheorie, übersetzte für die brasilianische Bundespolizei und für das rumänische Honorarkonsulat in Curitiba, der Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Paraná. Aufgrund der geografischen Entfernung näherte er sich Rumänien schrittweise an. Im folgenden erzählt er, wie es dazu kam:



Wir sind zwar geografisch etwas weit voneinander entfernt, das stimmt, aber kulturell und sprachlich sind wir uns sehr nahe. Ich habe mich seit meiner Kindheit zu Osteuropa im Allgemeinen hingezogen gefühlt. Mein Vater sprach viel über die Geschichte des Kontinents und insbesondere über Rumänien und Ungarn, Länder, die damals Satellitenstaaten der Sowjetunion, so dass eine magische Aura diese fernen Länder umgab. Er tat dies, um meine Neugierde zu wecken. Ich war immer auf der Suche nach Informationen über Osteuropa, und Rumänien war wohl das Land, das mein Interesse am meisten weckte. Später, als ich Student an der Fakultät für Komposition und Orchesterleitung war, hatte ich den brasilianischen Komponisten Harry Crowl als Tutor, der viel in der Welt herumgekommen war und einige Rumänen kannte, insbesondere den Komponisten Sorin Lerescu. Als er die Verbindung zu ihm erwähnte, sagte ich, dass ich gerne einmal nach Rumänien reisen würde, weil ich neugierig auf dieses Land war. Und er nahm meine Worte ernst und unternahm die ersten Schritte, damit ich nach meinem Universitätsabschluss hierher kommen konnte, um hier in Rumänien zu studieren. Und so begann meine Geschichte mit Rumänien und der rumänischen Sprache.



Nachdem ich hier in Bukarest ein Jahr lang ein Masterstudium belegte, kehrte ich nach Brasilien zurück. Ich hatte damals andere Verpflichtungen und Pläne in meiner Heimat; den Kontakt zu Rumänien habe ich jedoch nicht abgebrochen, denn ich hatte Rumänisch so gut gelernt, wie ich konnte, und ich lerne es immer noch und versuche, es so gut zu sprechen, wie es geht. Gleichzeitig habe ich damals begonnen, eine Brücke zwischen Rumänien und Brasilien zu bauen, da es sich um Länder handelt, die nichts oder nur sehr wenig voneinander kennen. Jedes Mal, wenn ich in Brasilien als Musiker auftrat, versuchte ich, von Zeit zu Zeit ein Werk eines rumänischen Komponisten wie George Enescu, Paul Constantinescu oder Marțian Negrea ins Repertoire aufzunehmen, damit das brasilianische Publikum zumindest ein wenig mit der rumänischen Kultur vertraut wird. Gleichzeitig begann ich, als Übersetzer aus dem Rumänischen ins Portugiesische zu arbeiten und einige rumänische Autoren zu übersetzen. Ich übersetzte und veröffentlichte einige Gedichte von Tudor Arghezi und Octavian Goga in mehreren Literaturzeitschriften in Brasilien. Und 2016 erhielt ich schlie‎ßlich eine Einladung vom Präsidenten der Organisation, für die ich derzeit arbeite: Da ich Rumänisch spreche, lud er mich ein, nach Rumänien zu übersiedeln, um die rumänische Filiale dieser Organisation zu leiten. Ich nahm die Einladung an und kam mit meiner Frau an, die zum ersten Mal mit mir hierher kam; sie spricht auch Rumänisch, obwohl sie ebenfalls Brasilianerin ist. Seit April 2017 leben wir hier in Bukarest.“





Wie hat sich Raul Passos in Rumänien eingelebt und was ist für ihn eine Auslandserfahrung wert?



Ich glaube, dass jedes Land es verdient, in der Tiefe und nicht nur an der Oberfläche kennengelernt zu werden. Ich hatte eine Lehrerin hier in Bukarest, die Pianistin Verona Maier, die sagte, dass Neugier eine Form der Liebe sei. Und so geht es mir mit Rumänien, ich hatte immer diese Neugier, diesen Wunsch, mehr zu erfahren. Ich glaube, das ist es, was meine emotionale Verbindung zu Rumänien ausmacht. Es ist ein Land, das viele Ähnlichkeiten mit Brasilien hat, und damit meine ich nicht allein die Verwandtschaft der Sprachen. Die Rumänen haben zum Beispiel diese Redensart, mit der sie Schwierigkeiten und Problemen mit Humor begegnen, sozusagen der Angst den Schrecken nehmen — und das ist auch eine Eigenschaft und Einstellung der Brasilianer. Seit ich hier bin, habe ich mehrere Lebensumstände und -einstellungen kennengelernt, die denen in Brasilien sehr ähnlich oder sogar gleich sind. Das rumänische Volk hat also bestimmte Eigenschaften, die den Brasilianern gar nicht so fremd sind.“



Als Kenner der rumänischen Sprache, mit seinen Vorkenntnissen über Rumänien und dank Freunden hatte es Raul Passos nicht schwer, sich in Bukarest einzuleben und an das hiesige Leben anzupassen. Das Leben hier war dennoch nicht immer leicht und es hat ihn auch verändert, wie er eröffnet. Fehlt ihm nicht dennoch manchmal etwas aus Brasilien?



Mir fehlen die alten Freunde, die ich dort zurückgelassen habe, Menschen, die mir besonders nahe sind. Aber das ist der Preis, den man als Übersiedler bezahlen muss, doch ich bereue es nicht, denn ich habe ein besonders schönes Leben in Rumänien. Abgesehen davon vermisse ich ein paar Lebensmittel und bestimmte Früchte, die es in Brasilien in Hülle und Fülle gibt und die man hier nur selten oder gar nicht findet. Rumänien hat mich immer dazu gebracht, einen neuen Zustand meines Lebens anzustreben, um jedes Mal ein besserer Mensch zu werden. Ich musste hier einige Herausforderungen meistern, aber wenn man sie in einem tieferen Sinne begreift, werden sie zu einem Weg zur Weiterentwicklung und Selbstverwirklichung. Hier in Rumänien habe ich Herausforderungen gefunden, die mir zu dieser inneren Entwicklung verholfen haben, und dafür bin ich Rumänien sehr dankbar.“

Foto: Piers Posner / eigenes Archiv
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