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Ian Tilling: Britischer Polizist in Ruhestand engagiert sich für Opfer häuslicher Gewalt

Seit 30 Jahren arbeitet der Brite in seiner Wahlheimat mit behinderten und benachteiligten Kindern und betreut ein Zentrum für Opfer häuslicher Gewalt und Obdachlose.

Ian Tilling: Britischer Polizist in Ruhestand engagiert sich für Opfer häuslicher Gewalt
Ian Tilling: Britischer Polizist in Ruhestand engagiert sich für Opfer häuslicher Gewalt

, 03.11.2020, 18:00

Nach der Revolution von 1989 waren die internationalen Medien voll mit Bildern von Kindern in Horrorheimen in Rumänien. Es dauerte nicht lange, und es kamen Dutzende Hilfstransporte ins Land. Es waren Ausländer, die, tief beeindruckt von dem, was sie in den Medien gesehen hatten, entschlossen waren, diesen Kindern zu helfen. Unter ihnen befand sich auch unser heutiger Gast, Ian Tilling aus Gro‎ßbritannien.



Ian Tilling arbeitete zwei Jahre lang mit behinderten Kindern im Zentrum von Plătăreşti nahe Bukarest und beschloss, anschlie‎ßend für immer in Rumänien zu bleiben. Am Ende einer 23-jährigen Karriere bei der örtlichen Polizei in der britischen Stadt Kent wurde er mit der Medaille für vorbildliches Verhalten ausgezeichnet. Er zog nach Rumänien und gründete 1992 den Verein Casa Ioana“, ein Zentrum für Opfer häuslicher Gewalt und eine Unterkunft zwecks eines Neuanfangs für obdachlose Familien. Ian Tilling organisiert auch regelmä‎ßig humanitäre Aktionen für Obdachlose in Bukarest.



Zum ersten Mal kam er im August 1990 nach Rumänien. Er erinnert sich noch genau, wie das Land einige Monate nach der Revolution aussah:



Die Reise nach Bukarest war schrecklich und wunderbar zugleich. Schrecklich, weil es keine Stra‎ßen gab und die Bedingungen sehr schwierig waren. Stattdessen war die Aussicht fantastisch, die Natur war wunderschön. Das machte die Reise sehr interessant. Als wir in Bukarest ankamen, war es spät in der Nacht und die Stadt schien ärmlich zu sein. Das hatten wir nicht erwartet. Wir erreichten schlie‎ßlich das Hotel Athénée Palace, ein ziemlich luxuriöses und recht teures, aber wir hatten keine andere Unterkunft. Ich erinnere mich, dass wir am Morgen von einem Kind begrü‎ßt wurden, das der Krankenschwester, mit der wir zusammen waren, eine Blume gab. Es war eine nette Geste, und das Kind wurde in den folgenden Tagen unser kleiner lokaler Reiseleiter, der uns sehr half. Zunächst arbeitete ich im Waisenhaus der Mutter Teresa in Bukarest, bevor ich einige britische Krankenschwestern traf und ins Zentrum in Plătăreşti wechselte, wo ich einen Monat lang mit den dortigen Kindern arbeitete, die schwere körperliche und geistige Behinderungen hatten. Ich erinnere mich, dass ich nur auf dem Markt Lebensmittel kaufen konnte. Es gab zwar auch ein Lebensmittelgeschäft auf dem Magheru-Boulevard, aber meine Haupteinkäufe tätigte ich auf dem Markt. Vor den wenigen Läden bildeten sich Warteschlangen, und Stra‎ßenbeleuchtung gab es nur auf den Hauptboulevards. Alles war langweilig, es gab nirgendwo Farbe, es gab keine Werbetafeln, alles war eintönig. Als wir zurückfuhren und eine Nacht in Braşov (Kronstadt) verbrachten, einer Stadt, die so anders ist als Bukarest, so schön, in den Bergen gelegen, war ich überrascht.“




Auf der Rückreise war er froh Rumänien, hinter sich gelassen zu haben. Er sagte, dass es vier Wochen extremer Gefühle waren. Er dachte nicht, dass er jemals zurückkehren würde. Doch es sollte anders kommen. Es war, als würde uns ein unsichtbarer Magnet zurückziehen, erinnert sich Ian Tilling. Jetzt ist er ein bekannter Leiter von Programmen im sozialen Bereich. In 30 Jahren in Rumänien koordinierte er mehrere Teams, die europäische Programme und ein Weltbankprogramm zur sozialen Eingliederung von Obdachlosen und Alleinerziehenden umgesetzt haben. Der von ihm gegründete und geführte Verein Casa Ioana“ beherbergt 20 Familien und neun Frauen, die betreut, psychologisch und professionell beraten werden, um ein unabhängiges Leben zu führen. Nach einem Jahr, denn solange dauert die Unterkunft im Casa Ioana“, finden über 80% der hier Untergebrachten ein neues Zuhause und einen Job. Seitdem er hier lebt, hat Ian viele Veränderungen wahrgenommen:



Viele Dinge haben sich verändert und ändern sich immer weiter zum Besseren. Ich bin froh, das festzustellen. Rumänien ist jetzt NATO-Mitgliedsland und Teil der Europäischen Union. Ich bin in diesen Jahren viel gereist und habe nur gute Eindrücke und Lob für das Land und die Menschen hier erhalten, als ich sagte, dass ich aus Rumänien komme. Viele Rumänen gingen ins Ausland, und die überwiegende Mehrheit von ihnen leistete einen guten Beitrag in den Ländern, in denen sie leben. Rumänien sollte — und ich denke, das tut es schon — die natürliche Schönheit seiner fabelhaften Orte fördern, die das Herz von Prinz Charles und anderer Persönlichkeiten berührt haben, die Interesse an der Natur und den reichen Traditionen haben. Ein anderer wichtiger Bereich wäre das Gastgewerbe, einer in dem Rumänien Fortschritte machen und verstehen muss, dass es gegenüber Touristen eine einladende und freundliche Kultur entwickeln muss. Und nicht nur der rumänische Staat, sondern wir alle müssen dies tun, wir sollten uns alle bemühen, ein besseres Image und unsere Erfolge im Ausland bekannt zu machen.“




Ian vermisst seine Familie in England, aber Rumänien bleibt sein jetziges Zuhause.



Rumänien ist seit vielen Jahren meine Heimat. So gesehen, ist es das Land meiner Wiedergeburt, ich habe mein Leben komplett umgekrempelt, seit dem ich hier bin. Ich vermisse nichts Besonderes aus England, wahrscheinlich weil ich genau wei‎ß, dass mein Zuhause jetzt hier ist. Ich habe hier Wurzeln geschlagen und bin dankbar für diese Chance. Es waren au‎ßergewöhnliche drei Jahrzehnte für mich, eine emotionale Achterbahnfahrt, die bis heute andauert. Ich habe so viel über mich selbst gelernt. Dies wäre nicht passiert, wenn ich in Gro‎ßbritannien geblieben und ein gewöhnlicher Rentner gewesen wäre.“




Zurückblickend begrü‎ßt Ian Tilling, dass die Kinderzentren geschlossen wurden. Er glaubt aber, dass der rumänische Staat nicht genug für die benachteiligten Menschen tut. Armut, mangelnde Ausbildung und Akzeptanz der häuslichen Gewalt als etwas fast Normales sind die gro‎ßen Herausforderungen jetzt in Rumänien, sagt er.

Foto: Piers Posner / eigenes Archiv
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