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Expat in Rumänien: Michele Bressan

Unser Gast ist diesmal ein in Italien geborener bildender Künstler, der mit Fotografie und Film arbeitet und der seit 1991 in Bukarest lebt

Expat in Rumänien: Michele Bressan
Expat in Rumänien: Michele Bressan

, 25.10.2022, 17:00

Michele Bressan ist 32 Jahre alt. Er wurde 1980 in Triest, Italien, geboren und lebt seit 1991 in Rumänien. Er kam also als 11-jähriges Kind nach Bukarest. Später studierte er an der Akademie der Künste in Bukarest in der Abteilung Video und Fotografie. Heute ist er ein gefragter bildender Künstler, der sich für das postkommunistische Rumänien interessiert. Seine Arbeiten wurden zweimal – 2011 und 2015 – auf der Biennale in Venedig ausgestellt. Zu den wichtigsten Ausstellungsorten gehören auch die Tate Modern in London, das Palais de Tokyo in Paris und das Louvre Museum. Ebenfalls in Paris erhielt er 2010 ein Stipendium, das Constantin Brâncuși Fellowship an der Cité Internationale des Arts, nachdem er im Jahr zuvor den renommierten ESSL Award for Innovation in Photography erhalten hatte. Derzeit ist er Gastprofessor und Doktorand an der Universität der Künste in Bukarest.




Er erzählte uns in welchem Zusammenhang er nach Rumänien gekommen ist?


„Mein Kontext ergab sich aus einer sozialen Situation, nämlich der Scheidung meiner Eltern. Ich bin meiner Mutter nach Rumänien gefolgt und habe mich später entschieden hier zu leben. Ich kannte das Land jedoch bereits, da ich in den Sommer- und Winterferien meine Gro‎ßeltern mütterlicherseits besuchte. Ich kannte die Sprache und die Landschaften, und ich muss zugeben, dass mich diese Alternative zu Italien langsam aber sicher in ihren Bann zog. Auch wenn ich aus dem Westen und aus einem privilegierten Umfeld stammte, interessierte mich genau dieser Kontrast, der Kontrast, den das kommunistische oder postkommunistische Rumänien bot. Und später, als ich mich hier niederlie‎ß, integriert ich mich rasch. Das Land verwandelte mich auch“.




Unser Gast hat die Welt bereist. Als Künstler hat er in Frankreich, Italien, Rumänien, den Vereinigten Staaten, Kuba, Österreich, Deutschland, Israel, der Tschechischen Republik und im Vereinigten Königreich ausgestellt. Wir wollten also von Michele Bressan wissen, was den Charme eines postkommunistischen Landes ausmacht.


„Ich muss zugeben, dass sich die Dinge durch das Prisma dessen, was ein Kind sah und verarbeitete, auf einer anderen Ebene befanden, sagen wir mal, etwas entfernt von der objektiven und sehr realistischen Ebene. Aber dennoch fühlte ich eine Attraktion – so viel ich damals verstehen und wahrnehmen konnte – ich fühlte mich gerade von den Kontrasten angezogen. Die Kontraste, von denen ich denke, dass andere sie normalerweise vermieden oder stigmatisiert hätten. Für mich war gerade die fehlende Kontinuität von Comics oder einer langen Reihe von Lebensmitteln oder Sü‎ßigkeiten interessant. Und da ich aus einer Umgebung kam, in der alles zur Verfügung stand und – mehr als das, es gab sogar einen Überfluss an Wünschen oder sogar Marotten — hat mich diese rumänische Realität, die einen viel spartanischen, viel minimalistischeren Lebensstil implizierte, angezogen. Selbstverständlich verstand ich damals nicht die Dramatik hinter diesen Unzulänglichkeiten, diese Aspekte kamen später. In meiner Kindheit, in meiner frühen Jugend, als ich nach Rumänien kam, gab es, glaube ich, auch einen ganz anderen sozialen Kontext. Da war diese Gewohnheit, diese Realität vor dem Block, die in Italien völlig fehlte. Die einzige Interaktion, die ich als Kind mit Gleichaltrigen hatte, bestand darin, dass ich gelegentlich unter Aufsicht der Eltern eine Pizza essen ging. In Rumänien hingegen habe ich meine Kindheit im Giulești-Viertel verbracht. Es gab eine ganze Reihe von Möglichkeiten, ich wei‎ß nicht … die Karbid-Bomben, die Horn-Pfeifen, die Idee, gemeinsam drau‎ßen zu sitzen, das Gefühl der Gemeinschaft, der Zugehörigkeit und sicherlich eine ganz andere Art Spa‎ß zu haben.“




Aus dieser Antwort ergibt sich für uns die Frage, ob Michele Bressan jemals daran gedacht hat, nach Italien zurückzukehren?


„Ich hatte nie den Wunsch, zurückzukehren. Ich besuchte meinen Vater, und im Grunde war alles umgekehrt. Statt nach Rumänien in die Ferien zu fahren, fuhr ich nun nach Italien, wo ich die Sommer verbrachte, aber gleichzeitig konnte ich es kaum erwarten, nach Rumänien zurückzukehren, denn mein Leben hatte sich praktisch hierher verlagert. All die Meilensteine im Sinne von Freundschaften, im Sinne von Studium – ich hatte bereits das Studium an der Nicolae Tonitza Hochschule für bildende Künste in Bukarest aufgenommen – und meine Realität, die waren praktisch in Bukarest und nicht mehr Italien“.




So wurde Bukarest für Michele Bressan also zur Heimat. Er verrät uns auch, was er hier mag.


„Bukarest ist eine Stadt, die man entweder liebt oder hasst, oder beides. Ich habe mich hervorragend eingelebt, ich habe mich an die Stadt angepasst, ich habe sie verstanden, ich habe sie lange erkundet, ich habe sie kennengelernt. Wobei ich betone, dass ich sie habe verstehen müssen. Es liegt daran, dass ich die Möglichkeit hatte, viel herumzukommen, sowohl während meiner Teenagerjahre als auch später, als ich die Kunst oder die Fotografie entdeckte. Und ich habe viele Orte kennengelernt. Au‎ßerdem fühle ich mich hier zu Hause, und normalerweise sollte der Ort, den man sein Zuhause nennt, nicht hässlich sein. Er sollte einem nicht missfallen“.




Was würden Sie einem Ausländer zeigen, der nicht viel über Bukarest wei‎ß, was würden Sie ihm über diese Stadt erzählen, fragte wir ihn zum Schluss?



„Ich denke, das Beste wäre, keine vorgefassten Meinungen zu äu‎ßern. Am besten wäre es wohl, nicht an die Hand genommen und geführt zu werden, sondern zu erkunden. So gehe ich vor, wenn ich in einem fremden Land, in einer Stadt bin, die ich nicht kenne. Sicherlich gehe ich von einigen durch die Medien im kollektiven Gedächtnis vermittelten Orientierungspunkten aus. Aber ich ziehe es vor, die Dinge selbst zu entdecken und schlie‎ßlich, im Nachhinein, zu recherchieren und nachzufragen. Auch Bukarest hat einige unübersehbare Sehenswürdigkeiten zu bieten. Es ist schwer, den Parlamentspalast oder die Parks nicht zu sehen, die in anderen Städten oft fehlen, es ist schwer, den Triumphbogen zu übersehen. Aber ansonsten denke ich, dass sich das Leben in Bukarest zwischen diesen Punkten abspielt und nicht um sie herum. Ich glaube, dass die Transiträume, die gro‎ßen Stadtteile, das wahre Herz der Stadt darstellen. Wenn ich etwas vorschlagen müsste, dann wären es diese.




Wir sprachen mit Michele Bressan, einem in Italien geborener bildender Künstler, der mit Fotografie und Film arbeitet und der seit 1991 in Bukarest lebt.

Foto: Piers Posner / eigenes Archiv
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