Der Amerikaner vom Kloster Oaşa
Nach Rumänien gezogene Ausländer entscheiden sich für viele Laufbahnen – sie werden Manager, öffnen Restaurants oder arbeiten als freischaffende Künstler. Dass jemand orthodoxer Geistlicher wird wie der Amerikaner Stephen, dürfte die Ausnahme sein.
Roxana Vasile, 27.11.2015, 17:45
Seinen weltlichen Namen Stephen hat Pater Sava abgestreift. Er wurde streng katholisch erzogen, doch über die russische Literatur von Lew Tolstoi und Fjodor Dostojewski und über Berichte aus dem Leben von Heiligen und Mystikern fand er zur Orthodoxie.
In der Highschool war ich Dostojewski-Fanatiker. Ich bin katholisch aufgewachsen, in New Orleans, Louisiana. Dostojewskis Literatur regte mich an, die Unterschiede zwischen Katholizismus und Orthodoxie zu erforschen, weil Dostojewski relativ anti-katholisch eingestellt war. Er bestand darauf, dass die Orthodoxie das wahre Christentum und der Katholizismus eine Art Christentum auf Irrwegen sei.“
Stephen ließ diese Einstellung keine Ruhe mehr. Als er mit dem Gymnasium fertig war, nahm er insgeheim in einer Zeremonie bei einer Kirche in der Nachbarschaft den orthodoxen Glauben an. Er wollte Violine studieren, wurde aber Buchhalter und arbeitete bei einer der größten Banken in den USA. Sein Leben war materiell und persönlich erfüllt. Mit 40, so erzählt Stephen selbst, entschied er sich, gegen den Strom des Materialismus zu schwimmen und sich dem Klosterleben zuzuwenden — zuerst in einem orthodoxen Kloster in der USA.
Ich habe Bücher über Mönche und Heilige gelesen und wünschte mir ein solches Leben. Mit 40 war es dann soweit. Ich kündigte bei meiner Bank — ein großes Bankhaus in North Carolina — und ging in ein griechisches Kloster in Ohio, wo ich ein Jahr und vier Monate blieb. Dort stieß ich auf das Buch eines rumänischen Bischofs, in dem stand, dass die rumänische Kultur und Gesellschaft sich sehr nahe an der orthodoxen Kirche entwickelt haben.“
Der amerikanische Mönch ging dann auf den Berg Athos in Griechenland, wo der rumänische orthodoxe Pfarrer Vasile ihm zufällig über das kleine Kloster Oaşa in den Südkarpaten erzählte. Die meisten Mönche seien jung und zudem Akademiker. Oaşa wurde dann 2004 zum neuen Zuhause für Stephen — oder Pater Sava, wie er heute genannt wird.
Ich fühle mich sehr gut hier und verstehe mich mit der Gemeinde sehr gut. Ich fühle mich ganz und gar nicht als Fremder. Ich habe öfters den Eindruck, dass das hier eher mein Zuhause ist als die USA. Ich habe bestimmt keine Absicht, das Kloster zu verlassen. Ich hoffe nur, immer näher an Gott zu sein und ein immer besserer Mönch zu werden.“
Würde er nach Amerika zurückkehren, sagt Pater Sava, käme es ijm dort wie auf einem fremden Planeten vor. Der Amerikaner vom Berg“ hat sich an den Klosteralltag mit sechs-sieben Stunden Gebet gewöhnt. Er arbeitet viel, nimmt sich selbst aber nicht immer ganz ernst. Als Tom Cruise der Klosterwelt sieht er sich, nachdem die Medien immer wieder Interviews und die Menschen Autogramme von ihm wollen. Auch das Kloster ist populär geworden.
Vor zehn Jahren kamen vielleicht 20-25 Gäste an Weihnachten zu uns ins Kloster, heute sind es immer über 200. Fast alle sind junge Menschen und es überrascht mich, dass viele es vorziehen, in ein Kloster zu kommen, anstatt Weihnachten mit der Familie zu feiern — es ist ja ein Familienfest. Das zeigt etwas, die Leute sehnen sich nach Gott.“
In den USA sang Stephen Chorstücke von Brahms, Verdi, Beethoven oder Mahler. Pater Sava singt dafür in Oaşa orthodoxe religiöse Musik. Ende Oktober nahm der Mönchschor von Oaşa an einem Wettbewerb für Kirchenmusik im Konzerthaus des rumänischen Rundfunks statt. Es war der einzige Männerchor, ansonsten traten nur Nonnen an. Aber die Mönche wurden begrüßt wie Rockstars — vielleicht auch weil ein Amerikaner mitsang.