Britische Schriftstellerin Arabella McIntyre-Brown: „Hier habe ich mein Ithaka gefunden“
Heute stellen wir Ihnen die Schriftstellerin Arabella McIntyre-Brown vor. Sie kommt aus Großbritannien und lebt seit 2010 im siebenbürgischen Dorf Măgura, am Fuße der Karpaten.
Hildegard Ignătescu, 22.01.2018, 18:00
Arabella McIntyre-Brown ist eine britische Schriftstellerin und Journalistin. Nachdem sie 11 Jahre in London und weitere 20 Jahre in Liverpool gelebt hatte, traf Arabella McIntyre-Brown eine wichtige Entscheidung: Sie beschloß, nach Rumänien umzuziehen und sich hier niederzulassen. Seit sieben Jahren lebt Arabella McIntyre-Brown in dem malerischen Gebirgsdorf Măgura in der Nähe von Braşov/Kronstadt. Was hat sie dazu bewogen, diesen radikalen Schritt zu machen, und warum hat sie sich gerade für Rumänien entschieden? Arabella McIntyre-Brown antwortet:
Um ehrlich zu sein, habe ich mich nicht für Rumänien entschieden, sondern für einen kleinen siebenbürgischen Gebirgsdorf. Und Siebenbürgen liegt nunmal in Rumänien. Ich bin also vor sieben Jahren hierher gekommen, ich habe Rumänien entdeckt und bin mit Haus und Hof hierher umgezogen. Jetzt bin ich stolz, von diesem Land adoptiert worden zu sein. 2004 kaufte ich ein Haus in diesem Dorf. Anfangs dachte ich, es als Ferienhaus im Sommer zu benutzen, aber im selben Jahr starben meine Schwester und meine Mutter. Kurz darauf gab es noch weitere Sterbefälle in meiner Familie, es war eine besonders schwere Zeit für mich. Ich konnte mich nicht mehr konzentrieren, konnte nicht mehr denken, ich konnte nicht einmal meine Rechnungen bezahlen. Das konnte nicht so weiter gehen, ich musste etwas dagegen tun und ich traf eine wichtige Entscheidung. Da ich ein Haus in Siebenbürgen hatte, schien es mir nur natürlich, dorthin zu ziehen. Nachdem ich 50 Jahre lang in Großbritannien gelebt hatte, verließ ich eines Tages Liverpool, um in Rumänien zu leben. Der Anfang war schwer, aber ich war so glückllich, aus der Stadt geflüchtet zu sein — ich war nicht mehr gezwungen, einen monatlichen Lohn zu verdienen, um meine Rechnungen zu bezahlen. Das Leben auf dem Dorf war viel einfacher. Ich hatte auch das Glück, besonders freundliche, hilfsbereite Nachbarn zu haben. Und ich fand auch sehr viele Freunde. Darüber hinaus ist das kleine Gebirgsdorf in Siebenbürgen meinem Heimatdorf in Großbritannien, wo ich geboren und aufgewachsen bin, sehr ähnlich. Irgendwie bin ich nach Hause zurückgekehrt.“
Arabella McIntyre-Brown hat in Rumänien die ersehnte Ruhe und die Inspiration für ihre neuen Bücher gefunden. Das Buch Din Liverpool în Carpaţi“ (Von Liverpool in die Karpaten“) von Arabella McIntyre-Brown war ein Bestseller der Verlagshauses ALL und ein Publikumserfolg bei der Buchmesse Gaudeamus 2016. Die Geschichte der britischen Schriftstellerin, die im Herzen Siebenbürgens glücklich lebt, liest sich wie ein Fremdenführer auf einer Reise ins Ich — wenn man den Mut hat, eine solche Reise anzutreten“, schreibt der Forscher und Weltreisende Sir Ranulph Fiennes über das Buch seiner Schwägerin. Arabella McIntyre-Brown begann ein offenherziges, kurzweiliges, humorvolles Buch über das Abenteuer des Umziehens aus einer britischen Großstadt in ein kleines Dorf in den Karpaten zu schreiben; letzten Endes wurde daraus ein Liebesbrief an Rumänien. Am Anfang ihres Rumänien-Abenteuers gab es aber auch gewisse Schwierigkeiten. Arabella McIntyre-Brown dazu:
Selbstverständlich hatte ich Schwierigkeiten mit der Sprachbarriere und mit der Kommunikation. In der Schule hatte ich Latein gelernt, Rumänisch ist eine lateinische Sprache, und das hat mir viel geholfen. Immer wenn ich auf ein unbekanntes Wort stoße, versuche ich es auf Lateinisch auszusprechen, und manchmal funktioniert es! Ich kenne sehr viele Bezeichnungen von Vögeln, Blumen und auch Wörter vom alltäglichen Leben auf dem Dorf, aber wenn ich in die Stadt gehe, bin ich verloren. Gott sei dank, dass die Rumänen so gut Englisch sprechen! Die Kommunkiation war also ein erstes Problem. Dann kam das Haus. Es war noch nicht fertig, als ich es kaufte, und ich musste ziemlich viel Geld und Arbeit darin investieren. Letzten Endes ist es sehr schön geworden, einfach wunderbar. Die größte Herausforderung in Rumänien ist aber der Winter. Das Brennholz ist ziemlich teuer, und darüber hinaus ist der Winter im Gebirge sehr lang. Es ist kalt, es schneit viel, die Wege sind verschneit und ich muß alles mit dem Auto bergauf fahren… So viele Monate in schwarz-weiß-grau… auch wenn hier die Sonne mehr scheint, als in Großbritannien… Aber das ist eben der Preis, den man für ein Leben im Paradies bezahlen muss.“
Die harten Winter im Gebirge konnten aber Arabella McIntyre-Brown nicht erschrecken — sie ist in Măgura geblieben. Hier genießt sie die malerische Landschaft und die Geschenke der Natur — und ist dankbar dafür:
Jeden Tag bin ich für mein Leben in Rumänien dankbar. Ich schaue aus dem Fenster und sehe das Gebirgsmassiv Piatra Craiului/Königsstein. Auf der anderer Seite des Hauses sehe ich das Bucegi-Gebirge, und überall um das Haus herum sind Wiesen mit bunten Blumen, die Wiesen, die auch Prinz Charles so sehr liebt. Es ist ein Wunder, ich habe eine rundherum schöne Aussicht. Ich habe Freunde, die ihr Leben lang in Braşov lebten, aber noch nie in Măgura waren. Meine Gäste aus Großbritannien und den Vereinigten Staaten sind von der Schönheit dieses Ortes verblüfft. Es ist ein magischer Ort, die Leute, die hierher kommen, um mich zu besuchen, vergessen in ein paar Tagen, dass es noch ein Leben in der Stadt gibt, sie vergessen die Sorgen und Probleme des Alltags, sie finden ihren inneren Frieden. Deshalb bin ich für mein Leben hier so dankbar. Und die Schönheit der Natur… von einer Stunde zur anderen ändert sich etwas, das Licht, die Wolken, das Gras. Und die Leute, die hier leben, meine Nachbarn, sind so freundlich, so nett, so gastfreundlich, wie eine Familie. Die Menschen in dieser rumänischen Gegend vermitteln ein positives Gefühl, im starken Kontrast mit den negativen Gefühlen, die man oft im Ausland verspürt.“
Es ist nicht leicht, im mittleren Alter ein neues Leben in einem fremden Land anzufangen. Und doch gibt es immer gute Gründe, sich einer so großen Herausforderung zu stellen. Was ist der größte Gewinn für Arabella McIntyre-Brown nach sieben Jahren in Rumänien?
Mein seelisches Wohlbefinden. Als ich hierher kam, war ich depressiv, und ohne Ärzte oder Medikamente wurde ich wieder seelisch gesund. Die Berge in Măgura haben mich geheilt. Jetzt schreibe ich wieder, in einem einzigen Jahr habe ich drei Bücher geschrieben. Hier habe ich die beste Medizin für die Seele gefunden, hier lebe ich erfüllt und glücklich. Selbstverständlich habe ich Familie und Freunde in Großbritannien, dort ist auch mein Zuhause, mein erstes, mein großes Zuhause. Aber hier, in Rumänien, fühle ich mich auch zuhause, hier ist mein kleines Zuhause. Hier will ich bleiben, bis ich die Augen für immer schließe, weil ich diesen Ort liebe, weil ich hier alles habe, um glücklich zu sein. Der griechische Dichter Cavafy schrieb ein Gedicht mit dem Titel »Ithaka«. Darin spricht der Dichter über die Reise, die jeder von uns unternimmt, um nach Hause, nach Ithaka zu kommen. Hier habe ich mein Ithaka gefunden.“