Amarjit Sidhu – ein indisches Multitalent entdeckt Rumänien
Amarjit Sidhu kam 2002 zum ersten Mal nach Rumänien und fühlte sich hier gleich wie zu Hause. Ein Jahr später nahm er das Angebot eines Freundes an, ein Fotografie-Projekt in Rumänien zu begleiten.
Roxana Vasile, 25.09.2015, 17:43
Amarjit Sidhu kam 2002 zum ersten Mal nach Rumänien und fühlte sich hier gleich wie zu Hause. Ein Jahr später nahm er das Angebot eines Freundes an, ein Fotografie-Projekt in Rumänien zu begleiten. Mit der Zeit ist Rumänien seine zweite Heimat geworden. Hier leben derzeit seine besten Freunde, verdeutlicht Amarjit Sidhu. Der Pilot, Journalist, Fotograf und Koch erzählt:
Ich wurde in Indien geboren, verließ jedoch das Land 1982, um in die USA zum Studieren zu reisen. Seitdem bin ich fern von meiner Heimat. In den Vereinigten Staaten wohnte ich zunächst in Texas, dann zog ich nach Miami, Florida. Dann weiter nach Los Angeles, Chicago, New York… 15 Jahre lang hielt ich mich auf amerikanischem Boden auf. 2002 kam ich nach Rumänien. Es war im Oktober. Ich arbeitete für ein Unternehmen, das über verschiedene Veranstaltungen der Vereinigten Nationen berichtete. In meiner Eigenschaft als Journalist reiste ich überall hin, wo eben eine Konferenz stattfand. Ich kümmerte mich um die täglichen Broschüren, die im Rahmen der Konferenz bearbeitet wurden. Somit kam ich nach Bukarest für eine Konferenz über die Rolle der Regierung im Zusammenhang mit dem Internet. Es war eine dreitägige Veranstaltung. Sie hat im Sala Palatului (Palastsaal), im Zentrum von Bukarest stattgefunden. Ich blieb für drei Wochen in Rumänien, um die Tätigkeit der verschiedenen UN-Vertretungen in der rumänischen Hauptstadt zu beobachten. Ich war durch viele Länder bis dahin gereist, allerdings war es zum ersten Mal, dass ich mich wie zu Hause fühlte. Als ich die Stadt Ende Oktober zur frühen Morgenstunde verließ, schossen mir Tränen in die Augen… Ich kann mir das bis heute nicht erklären! Ich habe den Taxifahrer, der mich zum Flughafen fuhr, gebeten, am Triumphbogen anzuhalten, damit ich ein paar Fotos schieße. Das Unternehmen in New York, bei dem ich arbeitete, beendete seine Aktivität im Dezember 2002. So dass ich Anfang 2003 arbeitslos war. Als ich in Bukarest war, hatte mich jemand gefragt, ob ich nicht gerne in einem Fotografie-Projekt mitwirken würde. Ich rief ihn an und fragte, ob das Angebot noch gelten würde. Darauf erwiderte er: ‚Ja, komm doch!‘ So dass ich 2003 wieder nach Rumänien zurückkehrte.“
Amarjit Sidhu reiste in der Zwischenzeit viel herum, vor einem Jahr ließ er sich allerdings endgültig in Bukarest nieder:
Ich kam letztes Jahr am 11. September wieder nach Rumänien. Und ich werde auch hier bleiben. Ich will nicht wieder umziehen. Ursprünglich kam ich als Journalist, als Fotograf. Doch allmählich ging ich zum Kochen über. Ich liebe es, zu kochen. Ich koche oft für meine Freunde. Sie fragten mich daher irgendwann, ob ich nicht ein Catering-Geschäft beginnen möchte, da mir das Kochen so viel Spaß macht. Ich war dabei, ein kleines Geschäft auf die Beine zu bringen, als mich ein Freund anrief und fragte, ob ich ihm vielleicht in seinem indischen Restaurant helfen möchte. Ich sagte zu. Das Kochen ist jetzt meine Hauptbeschäftigung.“
Zwischen der indischen und der rumänischen Küche gibt es kaum Gemeinsamkeiten. Sie sind völlig verschieden, meint Amarjit Sidhu. Der Inder kennt mittlerweile die rumänische Küche sehr gut und liebt besonders das geschichtete Kraut nach Klausenburger Art“ (rum. varză à la Cluj) — eine siebenbürgische Spezialität, bei der Kraut und Hackfleisch in Schichten aufeinander gelegt und dann in den Ofen gegeben werden, mit viel Sahne drauf.
Anfang der 2000er musste er sich durch mehrere Geschäfte durchkämpfen, um ein Stückchen Ingwer zu finden. Heute findet er problemlos die meisten Gewürze, die er für die indische Küche braucht. Außerdem hat er einen guten Freund, der ihm gelegentlich Zutaten aus London mitbringt.
Die Rumänen, insbesondere die Jugendlichen, seien neugierig, offen und freundlich, meint Amarjit Sidhu. Er fühlt sich wohl in ihrer Gesellschaft. Im Übrigen sind etwa 60% seiner Freunde Rumänen. Vom kulturellen Standpunkt aus spürt er auch nicht allzu große Unterschiede. Er habe bereits Gedichte des Nationaldichters Mihai Eminescu gelesen und Ähnlichkeiten zum Werk des bengalischen Dichters und Philosophen Rabindranath Tagore entdeckt. Nur selten gab es in der Weltkultur zwei Personen, die sich weder persönlich noch über Lesungen kennengelernt haben, und dennoch so nahe in ihrer Ausdrucks- und Denkweise waren.
Amarjit Sidhu ist fast überall in Rumänien herumgekommen:
Ich war überall in Rumänien, habe viele Städte besucht — Arad, Temeswar, Kronstadt, Klausenburg, Schäßburg, Baia Mare, Iaşi, Tulcea, Vama Veche, Bacău… Ich war vor kurzem in Hermannstadt und Mediasch. Es ist ein wunderschönes Land. Es hat alles — keinen Ozean, aber Zugang zum Meer. Die Berge sind nicht sehr weit von Bukarest entfernt, etwa 200 Km. In Indien sind die Entfernungen viel größer. Will man zum Ozean, so muss man dort manchmal sogar 3.000 Km zurücklegen. Hier ist alles in Reichweite. Nur Wüste hat Rumänien nicht. Ich war dieses Jahr in der indischen Wüste, habe dort drei Monate verbracht. Das hat mir für die kommenden 10 Jahre gereicht.“
In naher Zukunft will Amarjit Sidhu die erforderlichen Vorkehrungen treffen, um die europäische Zulassung zum Fluglehrer für den Boeing-777-Simulator zu erhalten.
Wissen Sie, ich bin auch Pilot. Ich habe von 1987 bis 2002 als Linienpilot gearbeitet. Deshalb verließ ich Indien — ich wollte nämlich in den Vereinigten Staaten lernen, wie man Flugzeuge fliegt. Einmal erlernt, lässt dieser Beruf einen nicht mehr los.“
Außer der großen Erfahrung als Pilot (8-9 Tausend Flugstunden) hat Amarjit Sidhu auch noch eine Windmühle in Indien gebaut. Und er will weiter auch noch kochen, fotografieren und Land und Leute hier vor Ort näher kennenlernen.