Kiesgruben können ganze Ökosysteme zerstören
Die Wiederaufnahme wirtschaftlicher Aktivitäten bringt die Natur erneut in Bedrängnis. Ein besonders heikles Beispiel sind die Kiesgruben, die Gebirgsflüsse verschlammen und Fischschwärme verschwinden lassen.
Ștefan Baciu, 18.05.2020, 18:00
Der Rückgang menschlichen Handelns während der Corona-Pandemie hatte positive Folgen für die Umwelt — die Luft- und Wasserqualität verbesserte sich deutlich. Auch die zeitweilige Stilllegung verschiedener Industriebranchen und der Rückgang des Straßen-, See- und Luftverkehrs wirkten sich positiv auf die Umwelt aus. Der niedrigere Geräuschpegel hatte eine ebenfalls unerwartete Folge: Wildtiere kreuzten in der Nähe bewohnter Viertel auf. Auch das Meereswasser wurde klarer — das stellten die Wissenschaftler vom Schwarzmeerinstitut Grigore Antipa“ in Constanţa fest. Dies sei eine Folge des Rückgangs des Seeverkehrs und der Hafenaktivitäten. Aus diesem Grund tauchten sogar Delphine in der Nähe der Küste auf.
Auch im Fluss Bistriţa Ardeleană, einem Fluss, der im Călimani-Gebirge in den Ostkarpaten entspringt, wurden seit vielen Jahren nun wieder Fischschwärme gesichtet. Doch mit der allmählichen Wiederaufnahme wirtschaftlicher Aktivitäten sind derartige Bilder immer seltener zu sehen, sagt Cristian Ţetcu, Vertreter des Vereins Ruralis“ im Landkreis Bistriţa-Năsăud:
Wer vor zwei Monaten ins Wasser des Flusses Bistriţa Ardeleană — einem Fluss, der die Stadt Bistriţa (Bistritz) durchquert — schaute, konnte problemlos frei schwimmende Fischschwärme beobachten. Doch nachdem die wirtschaftlichen Aktivitäten an den Flussufern wieder aufgenommen wurden, kann nur noch Schlamm gesehen werden. Die Fische sind wieder weg. Doch zwei Monate lang haben wir kristallklares Wasser gesehen. Der Fluss sah wie ein richtiger Bergfluss aus. Vor 30–40 Jahren war Bistriţa Ardeleană ein kristallklares Gewässer — Sand und Steine. Die Menschen gingen zum Strand dahin. Derzeit besteht diese Möglichkeit nicht mehr.“
Das Hauptproblem sind die Kiesgruben, die das Ökosystem gefährden. Vor 30 Jahren gab es sogar Wasserfälle entlang des Flusses. Doch die Kiesgruben ließen diese verschwinden. Auch die Ufer wurden umgestaltet. Cristian Ţetcu vom Ruralis-Verein erläutert die Folgen menschlichen Einwirkens auf Ökosysteme:
Das Allerschlimmste ist, dass der Schlamm, der bei der Steingewinnung und -bearbeitung entsteht, wieder in den Fluss gelangt. Und so verändern sich die Bergflüsse. Wer sich die Ufer anschaut, stellt fest, dass es so viel Schlamm gibt, dass sogar Schilf gewachsen ist. Und Schilf hat an einem Bergfluss nichts zu suchen, da sollte man nur Steine sehen. Es gibt so viele Beispiele von wunderschönen Landschaften, in denen die Menschen eingreifen und sie zerstören, manchmal sogar unbeabsichtigt. Das menschliche Handeln wirkt sich nämlich nicht nur auf einen Teil der Natur aus — wo der direkte Eingriff stattfindet –, sondern auf das ganze Areal. Darunter leiden auch die Insekten, die Schmetterlinge, die Vögel. Eine scheinbar unbedeutende Geste, wie zum Beispiel das Abreißen einer geschützten Blume, zieht undenkbare Folgen nach sich nach. Eine gesamte Nahrungskette wird nämlich zerstört. Das wirkt sich auf zahlreiche Lebewesen negativ aus.“
Um eine Kiesgrube in Rumänien zu betreiben, braucht der Betreiber eine Betriebsgenehmigung. Die Genehmigung wird von der Nationalen Agentur für Bodenschätze ausgestellt. Davor müssen allerdings entsprechende Stellungnahmen von der Umweltagentur sowie von der Direktion für das Wassermanagement beantragt werden. Nach der Stilllegung der Kiesgrube muss das Grundstück saniert werden. Leider wird dieser Schritt nicht immer eingehalten. Darüber hinaus stießen die Prüfer der zuständigen Agentur für Mineralressourcen auf mehrere Kiesgruben, die ihre Tätigkeit illegal ausführten.