Internationale Theater-Plattform in Bukarest: Sinnieren über die Familie
Wie sieht die typische Familie heutzutage aus? Kann man nur noch von einem Familien-Typ in der heutigen Gesellschaft reden? Die Aufführungen im Rahmen der Internationalen Theater-Plattform Bukarest versuchten diese Frage zu beantworten.
Luana Pleşea, 17.11.2015, 19:04
Die zeitgenössische Familie stand in den letzten Tagen im Mittelpunkt der Ereignisse, die im Rahmen der 2. Auflage der Internationalen Theater-Plattform Bukarest organisiert wurden. Warum Plattform“? Weil die Gründer, der rumänische Verband für die Förderung der Aufführungs-Künste ARPAS, sich nicht ein einfaches Festival gewünscht hat, sondern einen Vorwand für ein Gespräch. Cristina Modreanu, Kuratorin des Events, berichtet:
Der Begriff ‚Plattform‘ drückt das Wesentliche dieses Dialogs, den wir starten wollten, aus. Die Aufführungen präsentieren aus verschiedenen Blickwinkeln das Thema oder stellen es zur Debatte, ohne Lösungen zu geben. Sie sagen nur die Geschichte einiger Familien von gestern und heute und stellen sich vor, wie diese morgen aussehen werden. Durch dieses Beispiel, das die Künstler bringen, wollen wir ein Gespräch über das in Szene setzen, was heutzutage noch eine ‚normale Familie‘ bedeutet, über die Familien-Arten, die wir um uns herum sehen. Schlicht und einfach wollen wir darauf aufmerksam machen, dass die Familie von heute, die Familie des 21. Jahrhunderts unterschiedliche Formen nehmen kann, nicht nur die traditionelle Form.“
Unter den eingeladenen rumänischen Aufführungen war auch die unabhängige Produktion Die Offline-Familie“ von Mihaela Michailov, in der Regie von Radu Apostol. Eine Aufführung über ein in Rumänien sehr aktuelles Thema ein Zeugnis ablegt: die Kinder, um die sich die Großeltern, ältere Geschwister oder sogar Nachbarn kümmern, weil die Eltern im Ausland arbeiten. Weitere drei rumänische Aufführungen, die im Rahmen der Internationalen Theater-Plattform in Bukarest gezeigt wurden, wurden von ARPAS in Zusammenarbeit mit dem Odeon-Theater, dem Teatrul Foarte Mic (Sehr Kleinen Theater) und dem Komödien-Theater produziert. Cristina Modreanu mit weiteren Einzelheiten:
Die drei Stücke, deren Inspirationsquelle Stücke von Ibsen waren, betrachten das Thema der Familie aus unterschiedlichen Perspektiven. Aus der Perspektive der Frau, die ihre Familie verlassen hat, im Falle des Stückes »Ich. Ein Puppen-Haus«, eine egozentrische Formel, die in der zeitgenössischen Welt oft zu finden ist. Mehr und mehr Frauen denken an eine Karriere, an ein möglichst erfülltes Berufsleben, und wegen dieses Wunsches stellen sie möglicherweise die Familien auf den zweiten Platz. Wir müssten akzeptieren, dass dies ihre Wahl ist und dass sie ein Recht darauf haben. Das Stück »Ibsen Incorporated« beinhaltet fünf weibliche Typologien, die unterschiedliche Einstellungen zur Familie haben. Jede fühlt aber diese soziale Erwartung, dass die Frauen den Ehemann und die Kinder auf den ersten Platz stellen müssen. Das Stück »Der Volksfeind« betrachtet die Familie aus der Perspektive der Gemeinde, also einer erweiterten Familie, einer Gemeinde, die sich der Gefahren bewusst werden muss, sich organisieren muss und sich gegen diese Gefahren verteidigen muss.“
Die Familie war auch das Thema der beiden eingeladenen ausländischen Aufführungen: O Jardim/ Der Garten“ und Hallo, Hitler!“. O Jardim“ ist eine Produktion der brasilianischen Theatergruppe Hiato“, die vom Regisseur und Dramaturgen Leonardo Moreira gegründet wurde. Das Stück verfolgt das Leben dreier Generationen derselben Familie. Hallo, Hitler“ von Lucie Pohl ist eine autobiographisches Stück. Lucie Pohl wurde in Deutschland geboren und lebt zurzeit in New York. Sie hat deutsche und jüdische Wurzeln und Verwandte beider Eltern hat während der Nazi-Zeit zu leiden. Lucie Pohl ist die Tochter der berühmten Sängerin Sanda Weigl, die in Rumänien geboren wurde, und des bekannten deutschen Darstellers und Dramaturgen Klaus Pohl.