„Geschichte aus Ferentari“: Milieufilm sorgte für Aufruhr
Das Spielfilmdebüt der Regisseurin Ivana Mladenović Soldaten. Eine Geschichte aus Ferentari“ mit Adrian Şchiop und Vasile Pavel-Digudai in den Hauptrollen ist seit einigen Wochen im Kino.
Corina Sabău, 07.03.2018, 17:45
Der Film sorgte bei der rumänischen Premiere für Aufruhr, die Hauptfiguren sind Menschen, die in prekären Verhältnissen am Rande der Gesellschaft leben und einer sexuellen Minderheit angehören. Der Streifen hat seine Weltpremiere 2017 auf dem Internationalen Filmfestival Toronto in der Sektion Discovery“ und die europäische Premiere auf dem Filmfestival in San Sebastián gefeiert, wo er mit dem Sonderpreis der Jury Premios Sebastiane“ geehrt wurde. Wichtig ist nicht die Härte, die man sieht, sondern die Zärtlichkeit, die man spürt. Die Kamera der Regisseurin Mladenović bildet ein Universum. Es handelt sich um eine schmutzige Welt, die, wie es leicht zu erwarten ist, ihre Spuren hinterlässt. Spuren, die man nicht verwischen kann“, schreibt die spanische Tageszeitung El Mundo“ über den rumänischen Film.
Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman, der 2013 im Verlag Polirom erschien. Der Roman von Adrian Şchiop erhielt den Preis der Kulturzeitschrift Observator cultural“, 2014 wurde er bei der Buchindustrie-Gala zum besten Buch des Jahres gekürt. Mein Buch kreist um das verruchte Viertel Ferentari, wo die Schwindelei erfunden wurde, wo die Jungen davon träumen, Gangster zu werden. Mein Roman kreist auch um die Liebe, hinter der lauter Interessen stecken oder nicht — mein Roman handelt auch um einen Romanautor, der im ärmste Viertel Bukarests landet, und um einen Ex-Häftling. Der Roman handelt auch davon, wie man auf freiem Fuß klarkommt, wenn man in einer stolzen Gangsterfamilie geboren wurde; diese sind Gegebenheiten des Lebens, die ich in meinem Buch beschreibe. Ich mag glauben, dass mein Buch auch von Treue und Verrat handelt“, sagt der Roman- und Drehbuchautor Adrian Şchiop, der seine autobiographisch inspirierte Figur im Film selbst spielt..
Die Filmproduzentin Ada Solomon erläutert, was sie dazu bewegt hat, sich dem Projekt Soldaten. Eine Gesichte aus Ferentari“ anzuschließen:
Die Handlung spielt in einem besonderen Raum, es handelt sich um das Bukarester Randviertel Ferentari, das eigentlich als das ärmste Viertel der rumänischen Hauptstadt gilt. Die Gestalten sind Menschen, die in prekären Verhältnissen und am Rande der Gesellschaft aufgewachsen sind. In dieser unterprivilegierten Welt sind die zwei Hauptgestalten unterprivilegierte Menschen. Das ist der Aspekt, der mein Interesse geweckt hat. Manche Stimmen behaupten, der Film diene einer homosexuellen Propaganda. Das ist lächerlich. Ich weiß nicht, wer in die Schuhe dieser Gestalten schlüpfen und in Ferentari leben möchte. Inwieweit könnte dieser Streifen inspirativ sein, bleibt für mich eine offene Frage. Der Film regt zum Nachdenken an und die größte Herausforderung war für mich, die Zuschauer diese andersartige Welt entdecken zu lassen, dass sie eine Gesellschaft entdecken, die nach anderen Regeln lebt als die herkömmliche, dass sie es wagen, in die Welt von Ferentari hineinzuschauen, in eine Welt, die so nah und doch so weit liegt, weil wir dieses Viertel kaum kennen. Aus dieser Sicht kann man sagen, dass der Streifen eine Barriere durchbricht. Der Film handelt auch von Einsamkeit, von Andersartigkeit und dem Bedürfnis, jemanden nahe zu haben, vom Bedürfnis, ein Zuhause und eine Familie zu haben, in einer Gemeinschaft integriert zu sein. Dieser Film ist alles andere als Propaganda.“
Die rumänische Premiere beim Bukarester Bauernmuseum verlief nicht ohne Zwischenfälle. Die Filmvorführung wurde von einer Protestlergruppe unterbrochen, die ihrem Ärger Luft machte, dass ein Film, der nebenbei eine LGBT-Thematik behandelt, in einem Raum gezeigt wird, der die Traditionen fördert. Mit Hilfe der Sicherheitskräfte konnte die Filmvorführung jedoch fortgeführt werden. Dazu die Filmproduzentin Ada Solomon:
In jeder Gesellschaft ist es normal und gesund, dass man über alle Themen diskutiert. Wenn man in einem aggressiven Ton diskutiert, dann wird das zu einem Problem. Wenn wir unterschiedliche Meinungen vertreten und wissen, wie man eine andere Meinung hören kann, ist alles in Ordnung. Eine unentbehrliche Voraussetzung für eine solche Diskussion ist jedoch, dass man den Film im Vorfeld gesehen hat, ansonsten kann und soll man eine Meinung nicht haben. Wir sind alle so unterschiedlich, haben unterschiedliche Kenntnisse, und daher finde ich es normal, unterschiedliche Meinungen zu haben. Nicht zuletzt hat jeder einen bestimmten kulturellen Hintergrund, wir sind in unterschiedlichen Milieus aufgewachsen und wir leben auch so. Einige von uns sind gut ausgebildet, andere hingegen nicht. Kultur bedeutet eigentlich, dass wir uns gegenseitig unterstützen, dass wir zusammen wachsen und zusammen kognitiv und affektiv reicher werden. Was die Reaktion des Publikums angeht, kann man sagen, dass nicht alle Zuschauer in der Welt für einen solchen Film vorbereitet sein können. Meiner Ansicht nach soll man dem Publikum jeden Tag etwas Neues anbieten, ansonsten begrenzt man sich selbst im Wachstum. Wir können nicht alle gleich sein und alles gleich machen, das müssen wir eigentlich auch nicht. Wenn wir uns gegenseitig nachahmen und die anderen zufriedenstellen, dann hat man den Kampf bereits verloren.“