Strandverbreiterung: Können Sandaufschüttungen und Eindeichung die Erosion eindämmen?
An der rumänischen Schwarzmeerküste wurden in den letzten zehn Jahren umfangreiche Arbeiten zur Verbreiterung des Strandes durchgeführt – seit Jahrzehnten sind die Strände in Rumänien einem kontinuierlichen und dramatischen Erosionsprozess ausgesetzt.
Eugen Coroianu, 27.10.2023, 20:10
Im Rahmen eines 800-Millionen-Euro-Projekts wurden Tausende von Tonnen Sand aus dem Meer herangeschafft und auf die betroffenen Abschnitte ausgeschüttet, um die Breite der Strände auf bis zu 100 Metern zu erweitern. Die Sanierung betraf auch zwei Deiche, die besondere Umweltverbesserungen mit sich brachten und einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der biologischen Vielfalt im Meer und zur Verringerung des Risikos der Beschädigung oder des Verlusts von Lebensräumen leisteten.
Zusätzlich zu den Arbeiten zur Anreicherung der Sandstrände wurden auch hydrotechnische Strukturen gebaut, um zusätzlichen Schutz zu bieten und den Schlick zurückzuhalten, sowie Arbeiten zur Verstärkung der Klippen durchgeführt. Auch die Arbeiten zur Belebung und Wiederherstellung des Meeresökosystems spielen eine wichtige Rolle. Laut einer Pressemitteilung des rumänischen Amtes für Wasserwirtschaft planen Fachleute, auf einer Fläche von fast 800 000 Quadratmetern Seegras anzupflanzen, um die Artenvielfalt im Schwarzmeerbecken zu schützen und die Qualität des Schwarzmeerwassers zu verbessern.
Die Idee stammt von einer Gruppe britischer Wissenschaftler und wird weltweit angewandt und gefördert. Seegras ist die einzige blühende Pflanze der Welt, die unter Wasser bestäubt werden kann. Es bietet nicht nur einen Lebensraum für viele Meerestiere, sondern bindet auch 35mal schneller Kohlenstoff als ein Regenwald, sagen Experten. Warum diese Arbeiten notwendig sind, erläutert im Folgenden der Forscher Florin Zăinescu:
Mehr als ein Drittel der erodierenden Strände am Schwarzen Meer liegen in Rumänien, und die Pläne zur Sandausschüttung an der rumänischen Küste beziehen sich eher auf den klimatischen Faktor, der diese Erosion begünstigen würde. Betrachtet man jedoch die Daten und die Dynamik der Sedimente, so stellt man fest, dass die Erosion durch anthropogene (menschliche) Eingriffe eher noch verstärkt wird. Was hat zu dieser Situation geführt? Zunächst einmal hat der Bau großer Häfen wie Midia-Năvodari, nördlich von Mamaia, oder der Ausbau des Hafens von Constanța die Sedimentdynamik beeinflusst. An der rumänischen Küste bewegen sich die Sedimente aufgrund der Wellen aus dem Nordosten von Norden nach Süden, und ein großer, ins Meer ragender Deich blockiert diese Ablagerungen, so dass die Strände nicht mehr mit Nährstoffen versorgt werden und nicht mehr natürlich wachsen können. Denn die Sedimente sind wie Nahrung für diese Strände. Ein weiterer menschlicher Eingriff, der zu diesem Phänomen führt, ist die Landgewinnung und Raumgestaltung, z.B. wenn Klippen mit Erdwallungen umgeben oder einbetoniert werden. Die Klippen sind eine natürliche Sedimentquelle für den Strand, und wenn wir sie einbetonieren oder eindeichen, um sie zu stabilisieren, werden die Strände automatisch nicht mehr mit diesem natürlich vorkommenden Sediment gespeist.“
Sobald das Projekt zur Sandaufschüttung abgeschlossen ist, werden die Bewohner der rumänischen Küste besser geschützt sein, und die Touristen werden einen breiteren und modernen Strand genießen können. Darüber hinaus werde das Projekt auch positive Auswirkungen im sozialökonomischen Bereich haben, denn auch die Wirtschaftsakteure und Tourismusunternehmen in der Küstenregion werden davon profitieren, so die Verantwortlichen des rumänischen Amtes für Wasserwirtschaft. Der Forscher Florin Zăinescu sagt jedoch, dass Sandaufschüttungen nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile mit sich bringen können. Im Folgenden wägt er sie ab:
Dadurch, dass wir breitere Strände mit mehr Ablagerungen bekommen, entsteht eine Art Pufferzone, die Gebäude und menschliche Aktivitäten vor dem Meer schützen kann. Ein weiterer Vorteil ist der Raum, der für die Menschen zu Erholungszwecken geschaffen wird. Mehr Strand bedeutet auch mehr Urlauber, denn schmale Strände sind nicht gerade ein Renner unter Touristen. Als Nachteil kann man die geringere Attraktivität der Strände nennen, denn am Strand von Eforie zum Beispiel hat man sowohl mit Deichen als auch mit Sand eingedämmt. Wenn man auf die Klippe von Eforie Nord steigt und gen Süden blickt, sieht man jetzt eine Menge Deiche, statt einen freien Blick aufs Meer zu genießen. Mir gefällt das nicht, aber vielleicht finden einige Touristen Gefallen an einem Spaziergang auf den Deichen. Außerdem wurden einige dieser Sandbänke mit einem Sand von minderwertiger Qualität aufgeschüttet, einem gröberem Sand, der manchmal auch voller Muscheln ist. Es scheint, dass solche Eingriffe auch eine Veränderung der Morphologie des Strandes bewirken. Vorher war der Abhang viel sanfter, das heißt, wir gingen ins Wasser und die Wassertiefe nahm allmählich zu. Jetzt ist er viel steiler und viel tiefer, was selbst für erfahrene Schwimmer gefährlich werden kann, denn steile Ufer begünstigen auch ein wenig die Entstehung stärkerer Strömungen. Und nicht zuletzt haben diese Eingriffe auch erhebliche ökologische Auswirkungen, d. h. es handelt sich um eine stark gestörte Umwelt: sowohl dort, wo das Sediment entnommen wird, als auch dort, wo es sich absetzt.“
Neben der Anpflanzung von Seegras umfasst der Teil des Projekts, der sich mit der biologischen Vielfalt befasst, eine weitere Komponente, nämlich die Erhaltung und Entwicklung von Lebensräumen für zwei Muschelarten (Donacilla cornea und Donax trunculus). Zunächst wurde ein Pilotversuch durchgeführt, um zu sehen, ob die Muscheln einer Umsiedlung standhalten können, und die Erfolgsquote lag bei 100 %. Schließlich hofft man, das Gebiet, in dem diese Muscheln wachsen, ausweiten zu können. Wir haben Strände, die künstlich unterstützt werden müssen, wie ein kranker Mensch, der ständig an den Maschinen angeschlossen ist, die seine lebenswichtigen Funktionen sicherstellen, weil die natürlichen Sedimentquellen durch menschliche Aktivitäten abgeschnitten wurden. Wir behandeln weiterhin die Auswirkungen und nicht die Ursachen der Krankheit. Das bringt enorme zusätzliche Kosten und Auswirkungen mit sich, die für Touristen unerwünscht sein könnten, sowie eine Anfälligkeit für den Klimawandel“, schließt der Forscher Florin Zăinescu.