Staat will mehr Bären abschießen lassen
Die Zahl der Bären in Rumänien ist offenbar deutlich höher als bisher angenommen: Laut einer neuen Erhebung, die die rumänischen Behörden kürzlich vorgestellt haben, leben hier inzwischen fast 13.000 Exemplare – dreimal mehr als der als optimal geltende Bestand von rund 4.000 Tieren. Bisher war man von etwa 8.000 Bären ausgegangen. Wegen der Zunahme von Zwischenfällen fordern die Behörden eine Lockerung der Regeln zum Vorgehen gegen diese Wildtiere. Der World Wide Fund (WWF) Rumänien äußerte jedoch Zweifel an den vorläufigen Zahlen und an den geplanten Maßnahmen.
Daniel Onea, 25.04.2025, 14:34
Die Ermittlung der Mindestanzahl von Braunbären in Rumänien basierte auf einer Studie genetischer Analysen und der Populationsstruktur der heimischen Bärenart. Umweltminister Mircea Fechet erklärte, Rumänien habe die weltweit größte und komplexeste genetische Untersuchung der Braunbärenpopulation durchgeführt:
„Nach der Auswertung von über 24.000 Proben aus 25 Kreisen schätzen die Autoren zwischen 10.419 und 12.770 Braunbären – die höchste von Fachleuten geschätzte Zahl. Mit einem Vertrauensgrad laut Methodologie von 95 % können wir zum ersten Mal in der Geschichte Rumäniens auf wissenschaftlich fundierter Grundlage etwas über den Ist-Zustand sagen. Bisherige mehr oder weniger umstrittene Schätzungen beruhten auf Sichtbeobachtungen oder anderen indirekten Methoden. Heute haben wir ein klares Bild – basierend auf DNA, die wir in jeder Probe analysiert haben. Hinter diesen eindrucksvollen Ergebnissen steht eine große logistische Leistung: 672 Jagdexperten waren beteiligt, dazu speziell ausgebildete Hunde für die Probenentnahme in Natur- und Nationalparks. Wir hatten eine App zur Rückverfolgbarkeit aller Proben mit GPS-Koordinaten. Es geht hier nicht nur um Wissenschaft, sondern hoffentlich um einen Paradigmenwechsel in der Art, wie wir die Braunbärenpopulation in Rumänien managen.“
Der Umweltminister kündigte außerdem eine neue Zoneneinteilung für Rumänien an. Das Land soll künftig in vier unterschiedliche Kategorien unterteilt werden. Es wird Schlüsselgebiete für den Schutz geben, in denen keinerlei Eingriffe in die Bärenpopulation erfolgen.
„Wir werden also entweder strengen Schutz oder vorbeugende und eingreifende Maßnahmen in Konfliktzonen haben. Und zum ersten Mal wird es ein digitales landesweites Instrument geben, um in Echtzeit schnell und informiert zu entscheiden, wie weiter verfahren wird. Der optimale Bestand an Braunbären in Rumänien liegt bei etwa 4.000 Tieren. Zu fast 13.000 besteht ein erheblicher Unterschied. Natürlich werden wir nicht über Nacht Maßnahmen zur Reduzierung der Bärenpopulation ergreifen. Aber uns interessiert weiterhin der Schutz der Art – und genauso, wenn nicht sogar noch mehr, die Sicherheit der Bürger.“
In diesem Zusammenhang kündigte Minister Fechet eine Änderung der Primärgesetzgebung an. Die neue Regelung sieht vor, im Innenbereich von Ortschaften auf das bisher vorgeschriebene gestufte Vorgehen zu verzichten:
„Heute sind Bürgermeister vor Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung gehalten, den Bären zunächst zu vertreiben, danach eine Umsiedlung zu versuchen, und erst dann darf er das Tier erschießen oder einschläfern lassen. Ich werde den Bürgermeistern die Freiheit geben, die Entscheidung zu treffen, die sie für richtig halten, je nach Situation in ihrer Gemeinde. Wir werden auch das Verfahren selbst vereinfachen, denn heute braucht man selbst bei einem Einsatz, wo jede Sekunde zählt, noch Unterschriften auf einem Stück Papier – wie vor hundert Jahren. Ich glaube, dass wir im Jahr 2025 schnellere Entscheidungen treffen können: per Telefon, über WhatsApp-Gruppen oder andere Kommunikationsapps, per SMS oder mit jedem anderen Mittel, das eine schnelle, effiziente Entscheidung erlaubt. Ich habe es oft gesagt: Nichts ist wichtiger als das Leben der Menschen.“
Allerdings habe das Umweltministerium keine ausreichenden Maßnahmen zur Reduzierung von Mensch-Bär-Konflikten ergriffen, kritisiert Cristian Remus Papp, Experte des WWF Rumänien für große Beutegreifer, Wildtiermonitoring, ökologische Korridore und Schutzgebietsmanagement.
„Obwohl es verschiedene mögliche Präventivmaßnahmen gab, hat Rumänien sie nicht genutzt. Stattdessen wurden immer nur reaktive Lösungen gesucht – also die Entnahme einzelner Exemplare. Und obwohl es seit 2016 jährlich eine Abschussquote von 140 Tieren gab, wurde diese Quote nie erreicht. Tatsächlich wurden nur 50–60 % umgesetzt, was zeigt, dass bei den zuständigen Wildtierverwaltern wenig Interesse bestand, die Konflikte zu verringern. Das Umweltministerium hätte hier viel stärker Druck machen müssen, damit tatsächlich jene Bären entnommen werden, die Probleme verursachen. Stattdessen wurden über die Jahre oft wertvolle Tiere geschossen – solche, die nicht in Ortschaften kamen, sondern als Trophäen galten. Das System funktioniert nicht richtig. Die Bären zum Abschuss freigeben wird die Probleme nicht lösen – vor allem nicht in den Gemeinden, wo sie regelmäßig auftauchen. Das Ministerium sollte wirklich handeln und nicht nur die Gemeinden als Vorwand nutzen. Es sollte die verfügbaren Mittel wirklich einsetzen, um die Kommunen zu schützen.“
Cristian Remus Papp fordert eine Reihe präventiver Maßnahmen, um Schäden zu vermeiden – angefangen bei elektrischen Zäunen bis hin zu einer deutlich besseren Entsorgung organischer Abfälle. Auch gebe es eine erhebliche menschliche Störung des Bärenlebensraums, etwa durch Quads und andere motorisierte Fahrzeuge. Schließlich sei auch Aufklärung entscheidend: Die lokalen Gemeinschaften müssten wissen, wie sie Konflikte mit Bären vermeiden können.