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Schilfdächer im Donaudelta: Initiative zur Aufnahme ins immaterielle UNESCO-Weltkulturerbe

Das Donaudelta ist das größte Naturreservat Europas. 1991 wurde es als solches international anerkannt und in das Weltnaturerbe aufgenommen.

Schilfdächer im Donaudelta: Initiative zur Aufnahme ins immaterielle UNESCO-Weltkulturerbe
Schilfdächer im Donaudelta: Initiative zur Aufnahme ins immaterielle UNESCO-Weltkulturerbe

, 26.09.2014, 17:14

Das Donaudelta ist das grö‎ßte Naturreservat Europas. 1991 wurde es als solches international anerkannt und in das Weltnaturerbe aufgenommen. Die Region ist sowohl für den Tourismus attraktiv, als auch bedeutend für die Wissenschaft. Das sogenannte Biosphärenreservat Donaudelta ist das fünftwichtigste Feuchtgebiet weltweit und das zweite in Europa. Aus der Sicht der ökologischen Bedeutung ist das Donaudelta aber das dritte Feuchtgebiet weltweit.



Das Donaudelta ist eine sehr interessante Gegend, dank der reichen Pflanzen- und Tierwelt sowie weltweit einzigartiger Merkmale. Weite Flächen des Deltas, etwa 78% seiner Gesamtfläche, sind mit Schilfrohr bedeckt. Aufgrund seiner physischen Eigenschaften, eignet sich das Schilf sehr gut als Baumaterial, es wird in der modernen Architektur sehr geschätzt. Allerdings ist die rumänische Bevölkerung offenbar nicht mehr an der erneuerbaren Ressource interessiert. Jeden Winter wird das Schilf gesammelt und den Bauherren in ganz Europa verkauft.



Die Ferienhäuser dort belegen, dass das Schilf als Baumaterial keineswegs überholt ist, sondern — im Gegenteil — eine zukunftsorientierte und umweltgerechte Technologie darstellt. Das erklärte uns Loredana Pană, Projektleiterin des Letea-Verbandes der UNESCO:



Wir ermutigen die Nutzung des Schilfrohres als Rohstoff. Es kann zu Briketts verarbeitet, also für die Heizung der Wohnungen eingesetzt werden, für Dächer und andere Einrichtungsgegenstände, oder für die Wärmedämmung. Das Schilf hat sehr gute Eigenschaften, zumindest die Schilfdächer können 100 Jahre lang auf einem Haus erhalten bleiben, wenn sie gut befestigt und wasserundurchlässig sind. Im Sommer halten sie die Häuser kühl und im Winter speichern sie die Wärme, die Schilfdächer sind also gute Wärmedämmer. Viele Einheimische erzählten mir, sie hätten ihre Schilfdächer durch Blech ersetzt und danach die Entscheidung bereut, weil es im Sommer sehr warm werden würde. Die Schilfdächer sind zurzeit sehr in Mode gekommen, vor allem in Gro‎ßbritannien besteht eine starke Nachfrage.“




Leider ist der Beruf des Schilfdach-Deckers vom Aussterben bedroht. Lediglich der Ort Letea im Donaudelta –Teil der Gemeinde Rosetti — hat ihr traditionell ländliches Aussehen behalten. Die Häuser sind au‎ßen mit Brettern und Schilf eingedeckt, nach der traditionellen Baukunst des Donaudeltas. Das Schilfhandwerk könnte in den kommenden Jahren in das immateriele Kulturerbe der UNESCO eingeführt werden, in dem Versuch, die Tradition der Verflechtung zu retten, die in den abgelegenen Dörfern des Deltas noch weiterlebt.



Um diesen Beruf zu retten, hat der Letea-Verband der UNESCO in Partnerschaft mit dem Zentrum für Nachhaltige Politiken Ecopolis und dem Ressourcencenter für Öffentliche Teilnahme vor kurzem eine Informationskampagne ins Leben gerufen. Ihr Motto lautet Stuful e beton“ — zu deutsch in etwa: Schilf ist handfest“. Die Kampagne ist Teil eines gleichnamigen Projektes, das sich vorgenommen hat, das ländliche Aussehen des Deltas zu fördern, wie Loredana Pană erläutert:



Der Grundgedanke unseres Projekts ist, zu zeigen, dass diese Schilfdächer im Donaudelta einzigartig sind. Tatsächlich werden sie auch in Ungarn und Gro‎ßbritannien sowie anderen Teilen Europas hergestellt, aber die rumänische Baumethode ist einzigartig. Es sind traditionelle Techniken, die Handwerksmeister benutzen traditionelles, von ihnen selbst hergestelltes Werkzeug, das leider langsam zu verschwinden droht. In Letea lebt zum Beispiel nur noch ein einziger Meister, der sich damit auskennt. Es geht ganz einfach um das Prestige, das wir für die Gegend gewinnen wollen, wir möchten die öffentliche Aufmerksamkeit auf das tradionell-ländliche Aussehen lenken, das in Rumänien leider verloren geht. Es gibt nicht allzu viele Programme, die das authentische, ländliche Dorf retten wollen. Das haben wir uns durch dieses Programm vorgenommen, das Kulturerbe des Donaudeltas zu fördern und somit langfristig den Druck auf die Ökosysteme und die Umwelt zu reduzieren und den Kulturtourismus voranzubringen.“




In der Nähe des Fischerdorfs Letea befindet sich der gleichnamige Wald — der nördlichste subtropikale Wald in Europa — und der einzige Eichenwald der Welt auf einer maritimen Sandbank. Touristen können hier in den tradionellen Häusern unterkommen, in Zukunft könnten daraus Pensionen entstehen, bei denen Schilf als Baumaterial eingesetzt wird, hoffen die Projektverantwortlichen, allen voran Loredana Pană:



Wir bereiten für die UNESCO eine Studie vor, die im November fertig sein wird. Dabei wird das Hauptaugenmerk auf die tradionellen Dachdeckermethoden gelegt sowie auf die Identifizierung der Handwerksmeister. Es ist wichtig, möglichst viele Meister ausfindig zu machen, um zeigen zu können, dass es sich hier um einen Beruf handelt, der noch nicht ausgestorben ist und nach wie vor ausgeübt wird. Es wird recht schwierig werden. Wir haben bislang nur zwei Meister gefunden und das Kulturministerium wird entscheiden müssen, ob wir dieses Handwerk auf die rumänische UNESCO-Liste aufnehmen oder nicht. Aus den bislang geführten Diskussionen konnten wir schlie‎ßen, dass wir eine Chance haben. Es ist ein einzigartiges Handwerk und das ist ein sehr wichtiges Kriterium.“




Bislang haben sich alle Lokal- und Zentralbehörden mit kulturellem Auftrag bereit erklärt, das Projekt zu unterstützen. Allerdings hapert es noch an der praktischen Beteiligung. Der Schutz für die traditionell-ländlichen Landschaften im Donaudelta scheint nicht als Priorität zu gelten, sagen die Vertreter des Letea-Verbandes der UNESCO. Es sei deshalb wichtig, dass die Einheimischen aus Letea verstehen, dass die lokale Tradition fortbestehen muss, zumal die Gegend jeden Sommer von Tausenden von Touristen besucht wird.

Foto: Scott Goodwill / unsplash.com
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