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Braunbären in den Karpaten: Gratwanderung zwischen Artenschutz und Gefahrenabwendung

Der Braunbär, der in der EU unter Artenschutz steht, befindet sich auf der roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tiere. Gleichzeitig dringen immer mehr Tiere in bevölkerte Gebiete ein und verursachen Schäden.

Braunbären in den Karpaten: Gratwanderung zwischen Artenschutz und Gefahrenabwendung
Braunbären in den Karpaten: Gratwanderung zwischen Artenschutz und Gefahrenabwendung

, 24.11.2017, 17:30

In vielen europäischen Ländern ist der Braunbär aus den von Menschen zerstörten Habitaten verschwunden. Dafür gibt es in den rumänischen Wäldern immer noch widerstandsfähige Braunbär-Bevölkerungen, die aber schwer kontrollierbar sind. Seit einigen Jahren wird über Fälle von Bären berichtet, die aus den Wäldern ins Stadtgebiet hinunterwandern und schwere Schäden hinterlassen. Viele Menschen wurden verletzt und Dutzende Haus- und Hoftiere getötet. Auch im landwirtschaftlichen Anbaugebiet, in Schafshütten oder Bienenstöcken hinterlie‎ßen die Bären erheblichen Schaden.



Die Lokalbehörden in den Gebirgs-Landkreisen scheinen überwältigt und fordern Hilfe vom Umweltministerium. Wir fragten Cristian Papp, den Regionalleiter für Naturschutzgebiete von WWF Romania, wie es dazu kommen konnte.



Mehrere Faktoren haben zu der Entwicklung beigetragen, einschlie‎ßlich die Fragmentierung und Einschränkung der Lebensräume der Braunbären. Wir beobachten seit Jahren massive Baumfällungen in den Wäldern, und das in allen Gebirgsregionen des Landes. Dann geht es um die verminderten natürlichen Nahrungsquellen, das hei‎ßt, es gibt immer weniger Arten, die als Beute für Bären und andere gro‎ße Fleischfresser in Frage kommen. Auch die Waldbeeren werden immer weniger, vor allem im Herbst wandern die Sammler 1-2 Monate lang durch den Wald und sammeln Beeren. Indes steigen die Bären in die Ortschaften hinab, weil sie von den schlecht gelagerten Abfällen und dem Obst in den Gärten angelockt werden. Jedoch kann ihr verändertes Verhalten auch auf das derzeitige Management der Jagdgebiete zurückgeführt werden. Es gibt Jäger, die die Bären rund um die Uhr ernähren, um sie möglichst auf ihrem Jagdgebiet zurückzubehalten.“




In diesem Sommer haben 12 der 18 Jagdverbände im Kreis Harghita Anträge für die Jagd von 73 Bären und 12 Wölfen gestellt. Dennoch wurde lediglich Genehmigungen für sechs Bärenexemplare erteilt, auch wenn seit Beginn des Jahres allein in diesem Landkreis über 340 Zwischenfälle mit von Wildtieren verursachten Sachschäden gemeldet wurden. Dabei waren 80% der Fälle von Bären verursacht worden. Im Herbst hat das Umweltministerium per Verordnung den Fang von höchstens 140 gefährlichen Exemplaren landesweit gestattet. Die Vertreter der Jagdverbände sagen jedoch, man müsse mehr tun. Zum Bespiel wird für den Landkreis Covasna davon ausgegangen, dass ein Bestand von circa 700 Bären optimal wäre. Doch ihre reelle Anzahl ist fast doppelt so hoch.



Während die Lokalbehörden Jagdgenehmigungen im Eilverfahren bekommen wollen, sagen Tierschützer, dass es auch nichttödliche Methoden gibt, die für den Artenschutz förderlich sind. Das Erlegen der Bären als Konfliktprävention im Ausnahmefall sei nicht hinzunehmen, die Jäger wollten dahinter nur ihre Jagd nach Trophäen verbergen, wie Umweltschützer Gabriel Păun sagt:



Die Trophäenjagd ist die Hauptursache für die aktuelle Hysterie, die aus unserer Sicht künstlich erzeugt wurde. Wenn wir uns die Geschichte Rumäniens anschauen, bis in den 80ern und 90ern, da gab es ein gut funktionierendes Zusammenleben von Menschen und wilden Tieren. Sobald die Industrie der Trophäensammlung sich weiter entwickelt und in Rumänien bewährt hat, begann es zum Problem zu werden und alles artete in eine Hysterie aus. Die Industrie kam mit eigenen Dienstleistungen, eigentlich waren es Hochsitze für das Erschie‎ßen der Bären in der unmittelbaren Nachbarschaft der lokalen Gemeinschaften. Die meisten davon sind in den Landkreisen Covasna und Harghita wo auch die grö‎ßten Braunbär-Bevölkerungen vermutet werden. Und dort gibt es auch die grö‎ßten Probleme, weil die Bären aus dem Wald geholt und an den Waldrand gebracht wurden. Und wenn ihnen die Nahrung an den Hochsitzen entzogen wird, kommt es zu den Problemen, die wir heute haben.“




Umweltaktivisten sind der Ansicht, dass Braunbären gro‎ße Lebensräume brauchen, in denen sie sich frei bewegen können, ohne Menschen über den Weg zu laufen. Das könnte durch Übergangskorridore erreicht werden. WWF Romania führt bereits eine Reihe von Projekten und Kampagnen für den Schutz der natürlichen Habitate und der Braunbären in den Karpaten durch, berichtet Cristian Papp, der Regionalleiter für Naturschutzgebiete:



Wir hatten im Zeitraum 2012-2014 ein Projekt in der Maramuresch, das hie‎ß »Offene Grenzen für die Bären aus den rumänischen und ukrainischen Karpaten«. Da ging es um Lösungen zum Erhalt der Biodiversität, vor allem der gro‎ßen Fleischfresser, durch den Erhalt der ökologischen Kontinuität in den Karpaten und der Reduzierung des Fragmentierungsrisikos in den Habitaten. Wir haben einschlie‎ßlich den Bedarf des ökologischen Wiederaufbaus für diese Korridore ermittelt und dabei gleichzeitig auf die Nachhaltigkeit der natürlichen Ressourcen geachtet. All unsere Konservierungsma‎ßnahmen sind eng mit dieser nachhaltigen Entwicklungskomponente in den Gemeinschaften verbunden. Sicherlich gab es auch viele andere Projekte, einschlie‎ßlich in den südwestlichen Karpaten. Dort wollten wir die kritischen Zonen für die Bärenhabitate identifizieren — die Wildgebiete praktisch. Zurzeit haben wir das »Transgreen«-Projekt am Laufen, ein internationales Projekt, das Lösungen für den Aufbau von umweltfreundlicher Transport-Infrastruktur bietet. Wir bieten gemeinsam mit den Behörden konkrete Lösungen an, die sowohl den entwicklungstechnischen Teil decken, als auch den Erhalt der ökologischen Konnektivität sichern. Also, es geht dabei um eine grüne Infrastruktur, die sowohl für den Menschen als auch für die Tiere von wesentlicher Bedeutung ist. Gleichzeitig haben wir auch ein anderes Projekt am Laufen, das den »EU Large Carnivores« dient und auch so hei‎ßt. Es ist ein Life-Projekt, mit dem wir die Konflikte zwischen den Fleischfressern und Menschen reduzieren wollen. Weil die Konnektivität in bestimmten Gebieten fehlt, entstehen diese Konflikte. Weil es keine ökologischen Korridore gibt, die ihnen den Übergang aus einem Gebiet in das nächste ermöglichen, können Bären ins Stadtgebiet gelangen, wo es dann leider zu Zwischenfällen kommen kann. Das muss vermieden werden.“




Die Umweltorganisationen schlagen unter anderem den Bau von Elektrozäunen vor sowie die Einrichtung eines Notdienstes für Wildtiere und ein besseres Abfallmanagement in den Ortschaften am Fu‎ße der Berge. Es wurden auch Stimmen laut, die die Rückversetzung der Bären in das Auffanggebiet forderten.



Unterdessen arbeitet das Umweltministerium an einem Managementplan für die Braunbär-Bevölkerung. Dieses soll spätestens im Januar zur Debatte stehen. Au‎ßerdem erwägen die Verantwortlichen eine Bestandsaufnahme der gesamten Bärenbevölkerung in den Karpaten.

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