„Bear Smart Community“: WWF-Projekt für Koexistenz von Menschen und Bären
Die Naturschutzorganisation versucht bewährte Praktiken für das reibungslose Zusammenleben von Menschen und Wildtieren in Rumänien umzusetzen.
Eugen Coroianu, 28.04.2023, 15:21
In Rumänien sind Nachrichten über Bären, die in bewohnte Gebiete eindringen, in den letzten Jahren fast alltäglich geworden. Sie verursachen Schäden und greifen manchmal sogar Menschen an. Es gab auch schon einige Begegnungen, etwa mit ahnungslosen Touristen, die tödlich für den Menschen endeten. Die Behörden versuchen, das Problem zu lösen, indem sie die aufdringlichen Tiere entweder umsiedeln oder — als letztes Mittel — zur Jagd freigeben.
Das Problem wurde kürzlich auch vom Minister für Umwelt, Wasser- und Waldwirtschaft, Barna Tánczos, öffentlich angesprochen, der selber aus einem Landkreis stammt, wo besonders viele Bären in freier Wildbahn anzutreffen sind. Die Anwesenheit von Menschen im Lebensraum von Bären und die stetig wachsende Anzahl von Bären verursachen immer mehr Probleme bei Sennereien, in landwirtschaftlichen Betrieben oder auf Bauernhöfen mit Viehzucht. Das sind auch die Hauptgründe dafür, dass die Zahl der Vorfälle seit 2021 im Vergleich zu den Vorjahren zugenommen hat“, sagte der Minister. Er wies darauf hin, dass die Kommunalbehörden in Ortschaften wie Sinaia und Bad Tuschnad sowie in anderen Urlaubsorten aufgrund der getroffenen gesetzlichen Maßnahmen in der Lage waren, die Bären oder Bärenfamilien, die sich in den Touristenorten aufhielten, ohne Genehmigungen aus Bukarest und ohne komplizierte Verfahren umzusiedeln. Der Minister hob allerdings noch hervor, dass das Problem nicht allein durch Intervention, sondern auch durch Prävention gelöst werden könne.
Genau in diesem Sinne führt die Umweltorganisation WWF Rumänien in Bad Tuschnad, Landkreis Harghita, Zentral-Rumänien, ein einzigartiges Projekt durch, um die Koexistenz von Mensch und Bär zu gewährleisten. Cristian-Remus Papp, Experte für Wildtierarten bei der Natur- und Tierschutzorganisation, sagt im Folgenden, worum es dabei geht:
Dieses Konzept basiert letztendlich auf der Zusammenarbeit mit allen Beteiligten: Wir haben die Unterstützung der örtlichen Behörden, die Unterstützung der Organisationen in der Region, einschließlich der Wildhüter, aber auch des Tourismussektors, denn sie alle tragen in gewissem Maße zum lokalen Bärenmanagement bei. Und so haben wir eine Partnerschaft gebildet, in der wir versuchen, eine sogenannte »Bear Smart Community« zu entwickeln. Dieses Modell wurde in den USA entwickelt, und zwar in Gebieten mit ähnlichen Problemen, und diese Gemeinden entwickeln gerade einige Beispiele für bewährte Praktiken, um zu zeigen, dass eine Koexistenz von Menschen und Bären möglich ist. Durch die Anwendung bestimmter Methoden versuchen Gemeinschaften, die dem Bären gegenüber nicht negativ eingestellt sind, sondern im Gegenteil Probleme in den Griff bekommen wollen, die Bären auf Distanz zu halten, um der Einheimischen, aber auch den Touristen in unserem Fall, unangenehme Begegnungen zu ersparen und die allgemeine Sicherheit zu gewährleisten.“
Der Schutz der Bären und die Sicherheit der Menschen ist unser aller Anliegen, und dafür brauchen wir nachhaltige Lösungen, die auf der Einbeziehung und Beteiligung aller Interessengruppen beruhen. Der Braunbär war in unserer Gegend schon immer präsent — er ist ein Wahrzeichen der Region. Die Lösung, die wir umsetzen wollen, soll die Sicherheit der Einwohner und Touristen gewährleisten und gleichzeitig den Braunbären schützen“, sagt dazu auch Zsolt Butyka, der Bürgermeister des Kurortes Bad Tuschnad in den Ostkarpaten.
Das hier entwickelte Projekt von WWF Rumänien will eine Komplettlösung anbieten. Mit welchen konkreten Mitteln beschreibt erneut Cristian-Remus Papp, WWF-Experte für Wildtiere:
Wir bieten sogar zusätzliche Schutzvorrichtungen an, damit exponierte Grundstücke gesichert sind. Und dabei handelt es sich z.B. um Elektrozäune, die praktisch harmlos sind. Natürlich verursachen sie gewisse Elektroschocks im Kontakt mit den Bären, aber sie schaden dem Tier auf Dauer nicht, d.h. die Bären werden dadurch nicht verletzt getötet. Andererseits denken wir auch über ein System nach, das Bären warnt, wenn sich Autos nähern, denn es gab Vorfälle, bei denen Bären an beiden Einfahrten zu Bad Tuschnad von Autos angefahren wurden. Wir denken an einen ökologischen Korridor , der nichts anderes tut, als den Bären einen sicheren Übergang von einer Seite des Olt-Flusses zur anderen zu erleichtern. Und natürlich können einige Lösungen sofort umgesetzt werden, andere erst im Laufe der Zeit, je nach dem verfügbaren Budget. Was wir bisher tun konnten, ist die Anschaffung einiger Geräte für das bereits vor Ort tätige Interventionsteam. Wir wollen auch eine Studie erstellen, in der die Interaktion zwischen Bären und Menschen dokumentiert wird, um zu sehen, unter welchen Bedingungen sich Bären in der Gegend aufhalten, was sie anlockt — ob es sich nun um eine schlechte Abfallentsorgung handelt oder um die Zufütterung, die in den Wäldern rund um den Ort praktiziert wird. Außerdem werden wir GPS-Halsbänder verwenden, d.h., wir werden die Tiere über Satellit überwachen können. Wir wollen auch zwei Videohalsbänder anschaffen, um Interaktionen zwischen Bären, aber auch zwischen Bären und anderen Arten sowie zwischen Bären und Menschen zu dokumentieren.“
Rumänien beherbergt die größte Bärenpopulation in Europa — laut einer Fachstudie leben etwa 8 000 Exemplare in den rumänischen Karpaten.