Bär, Wolf und Luchs: Wildtiere brauchen ihre Habitate
Life – Euro Large Carnivores“, das internationale Schutzprogramm für große fleischfressende Tiere, das teilweise von der EU finanziert wurde, geht bald zu Ende.
Eugen Coroianu, 25.02.2022, 19:30
In den letzten fünf Jahren hat man durch grenzüberschreitende Kooperation und Informationskampagnen nach den besten Lösungen für eine Koexistenz der Menschen und großer Tiere wie der Bär, der Wolf und der Luchs gesucht. Es galt, zu beweisen, dass die Anwesenheit dieser Tiere in freier Wildbahn eine Bereicherung darstellt, und kein Problem, sofern man ihnen ermöglicht, ungehindert in ihren Habitaten zu leben.
Entlang der Jahrhunderte hat die unmittelbare Nähe des Menschen die Lebensräume dieser Tiere beeinflusst und ihr Verhalten verändert. Die schlagartige Entwicklung der Siedlungen und der Infrastruktur in den letzten 100 Jahren hatte eine dramatische Begrenzung der natürlichen Habitate großer Wildtiere als Folge. Wie ein Bericht der Umweltorganisation World Wide Fund for Nature (WWF) zeigt, haben menschliche Aktivitäten wie die Forstwirtschaft, die Erschließung von weiteren landwirtschaftlichen Flächen und Tourismusgebieten, die Erweiterung der Verkehrsinfrastruktur, aber auch das intensive Einsammeln von Waldfrüchten und die exzessive Jagd auf Tiere, die den großen Fleischfressern als Nahrung dienen, das Leben und das Verhalten der Bären, Wölfe und Luchse massiv gestört. Mit welchen Problemen Rumänien in dieser Hinsicht konfrontiert ist, weiß Marius Berchi, WWF-Experte und Manager des Programms Life — Euro Large Carnivores“ in Rumänien:
Die meisten Probleme rühren von der kontinuierlichen Ausweitung menschlicher Aktivitäten her, die immer mehr in die Wildnis eindringen und somit die Habitate der Wildtiere stören. Und so kommt es immer wieder zu unangenehmen Begegnungen oder sogar zu Angriffen der Tiere gegen Menschen. Oder aber auch zu Sachschäden oder wirtschaftlichen Verlusten. Außerdem gibt es unsachgemäße Eingriffe wie die komplementäre Fütterung, die dazu führt, dass die Wildtiere sich an die Menschen gewöhnen, statt sie zu vermeiden. Und sicherlich spielt auch das schlechte Abfallmanagement eine negative Rolle. Die meisten Zwischenfälle verzeichnen wir mit den Bären — sie greifen Menschen an und töten sie sogar. Hingegen von Wölfen haben wir keine neueren Informationen, die Angriffe auf Menschen belegen würden.“
Um die Zahl der Zwischenfälle und Konflikte zwischen Wildtieren und Menschen gering zu halten, ist eine breite Kooperation und Einvernehmen zwischen allen Akteuren erforderlich. Es geht dabei um Kommunalverwaltungen, Umweltämter und Forstämter, Jagdaufsicht, Nutztierhalter, Forschungsinstitute, NGO, Tourismusbüros u.a.m. Marius Berchi erzählt, was WWF Rumänien in dieser Hinsicht bislang erreichen konnte:
Was die Schäden aus unfriedlichen Begegnungen zwischen Wildtieren und Menschen anbelangt, haben wie es geschafft, eine Finanzierung im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU zu beantragen. Damit soll den Nutztierhaltern geholfen werden, ihre Schutz- und Präventionsmaßnahmen auszuweiten. Es geht beispielsweise um die Anschaffung von Elektrozäunen, Schäferhunden und sogar Abfallcontainern, die für Bären nicht einfach zu öffnen sind. Im Westgebirge haben wir eine regionale Plattform für die Koexistenz von Menschen und Raubtieren gegründet. Hier arbeiten Nutztierhalter, Jäger, kommunale und staatliche Behörden zusammen. Wir haben auch mehrere Trainingsveranstaltungen organisiert, etwa im letzten Herbst, als es um die Erfassung und Evaluierung der Wolfspopulation in Rumänien ging. Gerade in diesen Tagen findet eine weitere Veranstaltung statt — hier geht es um die Ausbildung von Teams für den schnellen Einsatz, die sich aus Kommunalbehörden, Gendarmen, Jägern und Tierärzten zusammensetzen. Wir haben auch Informationskampagnen unter Nutztierhaltern durchgeführt, damit sie von der Möglichkeit erfahren, finanzielle Entschädigung im Fall von Schäden durch Zwischenfälle mit Wildtieren zu erhalten. Und wir haben auch Schutzausrüstung gespendet, beispielsweise Elektrozäune oder spezielle, nicht tödliche Abwehrsprays gegen Bären. Letztendlich haben wir uns auch für gesetzliche Initiativen stark gemacht, damit wir ein Gleichgewicht etwa im Management der Bärenpopulation erzielen. Auch in der Erarbeitung des Internationalen Aktionsplans zur Erhaltung der großen Fleischfresser im Karpatenraum haben wir einen relativ wichtigen Beitrag erbracht.“
In ganz Europa ist in der letzten Dekade der Bestand an Wölfen, Bären und Luchsen kontinuierlich gewachsen. Statistiken zufolge leben auf unserem Kontinent über 18.000 Bären, davon mehr als 6.700 allein in Rumänien. Von den auf rund 9.000 geschätzten Luchsen bevölkern 1.200 rumänische Wälder. Um die Wölfe hingegen steht es nicht so gut. In den meisten europäischen Regionen wurde der Wolf in den vergangenen 200 Jahren gnadenlos gejagt und bis Mitte des 20. Jh. nahezu ausgerottet. In Rumänien gibt es allerdings noch eine relativ stabile Wolfspopulation, die auf 2.500 bis 2.900 Exemplare geschätzt wird.