Zwei oder mehrere Jobs gleichzeitig: Wie bringt man das unter einen Hut?
Immer mehr Menschen arbeiten – auch in Rumänien – in zwei oder mehreren Jobs gleichzeitig. Was sie dazu verleitet und wie sie das unter einen Hut bringen, haben wir für den Sozialreport recherchiert.
Christine Leșcu, 21.12.2022, 17:30
Nach Phänomenen, die Soziologen und Personaler als Great Resignation“ (Große Kündigungswelle“) und Quiet Quitting“ (Dienst nach Vorschrift ohne Extraaufgaben“) bezeichnen, macht sich in der Arbeitswelt eine weitere Entwicklung bemerkt: Immer mehr Menschen arbeiten — auch in Rumänien — in zwei oder mehreren Jobs gleichzeitig.
Eine kürzlich durchgeführte Meinungsumfrage auf der rumänischen Arbeitsvermittlungsplattform eJobs bestätigt den Trend, mehreren Beschäftigungen nachzugehen. Ana Călugăru, Kommunikationsbeauftragte bei eJobs, kennt die Details:
Der wirtschaftliche Kontext der letzten zwei Jahre — ich meine die Unsicherheit, die durch die Pandemie und den Krieg entstanden ist, aber auch den explosionsartigen Anstieg der Inflation in diesem Jahr — hat viele Rumänen dazu veranlasst, sehr vorsichtig und zurückhaltend zu werden, wenn es um Karriere und finanzielle Stabilität geht. Obwohl 2022 ein Jahr war, in dem die Zahl der neuen Arbeitsplätze einen Höchststand seit 20 Jahren erreichte, und obwohl wir in fast allen Tätigkeitsbereichen Gehaltserhöhungen verzeichnen konnten, hat unsere Umfrage zu diesem Thema gezeigt, dass die Notwendigkeit eines zusätzlichen langfristigen Einkommens der Hauptgrund dafür ist, dass 70 % der Befragten einen Zweitjob angenommen haben. 8,2 % haben diesen Schritt nur für eine kurze Zeit gewagt, weil sie Geld für eine teure Anschaffung sparen wollten, die sie sich sonst nicht hätten leisten können, und 6,7 % gaben an, dass sie ihr ganzes Leben lang so gearbeitet hätten. 10,7 % der Teilnehmer an der Umfrage, vor allem jüngere Befragte, gaben an, dass ihre Hauptarbeit nicht auslastend genug war und dass die Zeit es ihnen daher dann erlaubte, eine andere Tätigkeit auszuüben; und 5 % wollten einfach eine Veränderung in ihrem Berufsleben. Letztere haben aus Vorsicht allerdings auch beschlossen, nur eine gewisse Zeit lang zwei Jobs gleichzeitig auszuüben, bis sie sich im Klaren darüber sind, welcher der richtige für sie ist.“
Ein etwas überraschender Aspekt dieser Umfrage ist der hohe Prozentsatz der Menschen in der Mitte ihres Arbeitsalters, die bereit sind, mehr als nur einem Job nachzugehen. Junge Menschen im Alter von 19 bis 25 Jahren machen nur 7,4 % aller Befragten aus, der größte Anteil derjenigen, die zwei Jobs gleichzeitig ausüben, besteht aus Arbeitnehmern im Alter von 36 bis 45 Jahren — fast 29 % –, und knapp 22 % sind zwischen 46 und 55 Jahre alt. Menschen, die eine Familie, Kinder und relativ hohe monatliche Ausgaben haben, sind also auch diejenigen, die eine weitere Einkommensquelle benötigen. Doch gerade weil es sich um pflichtbewusste Familienernährer handelt, stellt sich die Frage: Wie viel Zeit bleibt dann noch für die Menschen, die einem nahe stehen? Ana Călugăru von eJobs legt weiter die Ergebnisse der Umfrage auf der Plattform für Jobvermittlung aus:
Auf die Frage, was ihnen am schwersten fällt, wenn sie zwei Jobs haben, nannten sechs von zehn Teilnehmer an der Umfrage die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Es geht um die Zeit, die sie für ihre Arbeit aufwenden müssen, und um die Tatsache, dass sowohl körperliche als auch seelische Burn-out-Erscheinungen ihren Tribut fordern, so dass sie nicht mehr in der Lage sind, ihr Bestes zu geben. Ein Viertel der Umfrageteilnehmer findet es sehr schwierig, ihre Zeit bei der Arbeit einzuteilen, und 10 % geben an, dass es sehr schwierig ist, in beiden Jobs Leistung zu bringen. Das ist keine Überraschung, denn 40 % der Befragten gaben gleichzeitig an, dass sie den anderen Job aufgeben würden, wenn einer ihrer beiden Jobs genug Geld für ihre monatlichen finanziellen Bedürfnisse abwerfen würde.“
Obwohl die meisten Teilnehmer an der Studie gerne nur vorübergehend in zwei Jobs arbeiten würden, geraten viele in Situationen, in denen dies jahrelang dauern kann, wie bei Silvia, Redakteurin einer Kulturzeitschrift und gleichzeitig künstlerische Beraterin an einem großen Theater in Bukarest.
Ich hatte schon immer Extra-Jobs. Ich weiß nicht, ob man sie als richtige Berufe bezeichnen kann. Den zweiten Job, den Theaterjob, habe ich seit sechs Jahren, also habe ich im Grunde seit sechs Jahren zwei reguläre Jobs. In der Zeit dazwischen, bevor ich am Theater zu arbeiten begann, habe ich fast die ganze Zeit auch andere Dinge gemacht. Ich habe bei verschiedenen Theaterfestivals gejobbt, ich habe Bücher übersetzt, ich habe in Verlagen als Lektorin und Korrektorin gearbeitet. Es liegt auf der Hand, dass der finanzielle Aspekt in der Kulturpresse problematisch ist. Hier sind die Gehälter recht niedrig, und wenn man jünger ist, hat man so einige Bedürfnisse. Es gibt alle möglichen Probleme, die damit zusammenhängen, und das Fehlen eines zufriedenstellenden Einkommens beeinträchtigt irgendwie die Kreativität. Man kann nicht in seinem Elfenbeinturm sitzen und kreativ sein oder künstlerische Ideen entwickeln, während sich zu Hause die Rechnungen stapeln. Aber es war nicht nur der finanzielle Aspekt, der ausschlaggebend war. Es hat mir immer Spaß gemacht, neue Dinge zu lernen. Und die Kulturpresse hat mir sehr geholfen, verschiedene Bereiche zu entdecken und viele neue Leute kennenzulernen.“
Silvia hat sich mit einigen von den neuen Bekanntschaften sogar angefreundet, und da sie ähnliche Arbeitszeiten haben, können sie ihre Freizeit auch gemeinsam verbringen. Da sie außerdem eine flexible Arbeitszeit bei der Zeitschrift hat, konnte sie bis vor kurzem die beiden Jobs ohne große Schwierigkeiten unter einen Hut bringen. Wie das gelingt, erzählt sie zum Schluss unseres Features:
Am Anfang war es viel interessanter und viel schöner, und ich schien das Leben irgendwie zu meistern. Heutzutage kann ich sagen, dass es ziemlich schwer ist. Es bleibt nur wenig Zeit für das Privatleben, gerade weil sich diese Arbeit am Theater auf den zweiten Teil des Tages, sprich auf den Abend, auswirkt. Wenn man nach Hause kommt, bleibt nicht mehr viel Zeit für sich selbst, man zieht sich einen Film rein, geht ins Bett und am nächsten Tag fängt man von vorne an. Das einzig Gute, das diese Diskrepanz irgendwie ausgleicht, ist, dass deine Freunde, ob es dir nun gefällt oder nicht, immer noch in demselben Bereich tätig sind und dass man denselben Lebensrhythmus, denselben Tagesablauf hat. Und man kann etwas Zeit mit diesen Freunden verbringen, wenn man den Job erledigt hat, danach irgendwo hingeht und gemeinsam etwas trinkt. Wenn meine Freunde in anderen Bereichen arbeiten würden, hätte ich praktisch kein soziales Leben.“