Zurückgelassene Kinder von Arbeitsmigranten: gravierende psychologische Folgen
Psychologen sprechen von Trennungsängsten und abnormen emotionalen Entwicklungen bei Kindern, die ohne elterliche Nähe aufwachsen müssen.
Luiza Moldovan, 15.02.2023, 18:00
Die rumänische Regierung hat unlängst einen Gesetzesentwurf verabschiedet, mit dem die Trennung der Kinder von Arbeitsmigranten von ihrer Familie verhindert werden soll. Der Gesetzestext bezieht sich insbesondere auf vulnerable Bevölkerungsgruppen, die ständige Unterstützung benötigen. Die prekäre wirtschaftliche Lage dieser Familien zwingt viele Eltern, das Land zu verlassen, um einen etwas besser bezahlten Job im Ausland zu finden, was dramatische emotionale Folgen für die zurückgelassenen Kinder hat.
Wenn Sie für einen besser bezahlten Jobs das Land verlassen, gehen viele Eltern in dieser Situation das Risiko ein, das emotionale Gleichgewicht ihrer Kinder zu opfern. Durch die fehlende Nähe und Liebe ihrer Eltern emotional verkrüppelt, entwickeln manche Kinder abnormes Verhalten. Sie haben Probleme in der Schule, streiten mit anderen Familienmitgliedern, sie rebellieren auf alle möglichen Arten. Die Schule weiß oft nicht, wie sie mit diesen Krisen umgehen soll, und andere Familienmitglieder auch nicht. Zu Hause finden die Eltern während der Urlaube ganz andere Kinder vor als die, die sie zurückgelassen hatten.
Gerade hier will man mit der jüngsten Gesetzesinitiative Abhilfe schaffen. Laut Regierungssprecher Dan Cărbunaru wird der Gesetzentwurf die Umsetzung von Maßnahmen zur Verhinderung von Trennungen durch die Gewährung von Soforthilfe für diese Familien ermöglichen. Der Gesetzentwurf sieht die Einrichtung einer nationalen Beobachtungsstelle für Kinder vor — ein Informationsmodul, das in das nationale Digitalsystem integriert werden soll. Im Klartext heißt das, dass die lokalen Behörden genaue Aufzeichnungen über jede von Trennung bedrohte Familie mit Kindern zur Verfügung haben werden. Das Projekt umfasst auch Maßnahmen zur Rehabilitierung von Kindern mit Behinderungen, psychologische Interventionsdienste und Psychotherapie für diese Kinder.
Denn mit der psychologischen und emotionalen Entwicklung der Kinder sei nicht zu spaßen, geben Experten zu bedenken. Kindheitstraumata können einen Menschen ein ganzes Leben lang verfolgen, und wenn man nicht frühzeitig eingreift, wird es später noch schwieriger sein, alles wieder ins Lot zu bringen. Psychologen sprechen von einem Unterschied zwischen Trennungsfurcht und Verlustangst. Elena Maria Dumitrescu ist kognitive Verhaltenstherapeutin und erklärt sehr anschaulich, was Trennungsfurcht und Verlustangst bedeuten:
Ich denke, es ist wichtig, zwischen Trennungsfurcht und Verlustangst zu unterscheiden. Von Geburt an brauchen wir Sicherheit, und das führt dazu, dass der Säugling bzw. das Kleinkind Trennungsängste gegenüber der Bezugsperson entwickelt. Es ist ein natürlicher Prozess, den wir alle in unserer frühen Entwicklung durchlaufen. Wichtig ist, wie wir diese Phase durchlaufen, und das hat damit zu tun, wie die wichtigen Menschen in unserem Leben sowohl unsere emotionalen als auch unsere materiellen Bedürfnisse befriedigen.“
Folglich ist die Angst vor dem Verlassenwerden die größte Angst des Neugeborenen und des Kleinkindes, und die Art und Weise, wie die Eltern ihre Zuneigung zum Ausdruck bringen, ist entscheidend für die ausgewogene Entwicklung des Kindes.
Besonders verletzlich sind die Kinder in vulnerablen Gemeinschaften und Familien, in denen die Eltern nicht wissen, wie sie am besten über die Runden kommen sollen — ob sie ihnen zuerst materielle Unterstützung geben und dafür ihre Kinder emotional vernachlässigen, oder ob sie ihnen Liebe aus der unmittelbaren Nähe geben, aber im Gegenzug Armut und Entbehrungen aller Art in Kauf nehmen müssen. Hier beginnt ein Wechselbad der Gefühle bei den Kindern, und die Eltern wissen oft überhaupt nicht, wie man das emotionale Gleichgewicht wiederherstellen kann. Die Psychotherapeutin Elena Maria Dumitrescu erklärt, wie sich das Verhalten von Kindern verschlechtern kann, wenn sie keine Liebe von ihren Eltern erhalten:
Bestimmte Ereignisse sowie die unzureichende Befriedigung dieser Bedürfnisse werden vom Kind als Verunsicherung empfunden und führen zu einem Übergang von Trennungsangst zu Verlustangst und damit zu einer als geringer wahrgenommenen Kontrolle der Realität. Wir sehen das bei Kindern, die als Folge der Verunsicherung ihre Möglichkeiten einschränken, ihre Umwelt zu erkunden, neue Fähigkeiten zu entwickeln, sich neuen Herausforderungen zu stellen oder Hilfe zu suchen. Es gibt Situationen, in denen das Kind von seiner Familie getrennt ist und sowohl physische als auch emotionale Distanz zu den geliebten Menschen in seinem Leben empfindet. Dies führt zu einer abnehmenden Toleranz gegenüber Ungewissheit, die der Angst zugrunde liegt.“
Es bleibt abzuwarten, wie erfolgreich die Programme sein werden, die die Regierung in vulnerablen Gemeinschaften umsetzen will. Im ostrumänischen Landkreis Tulcea werden zurzeit mehr als 300 zurückgelassene Kinder durch ein europäisches Projekt der Stiftung Sera România“ betreut. Dies ist eine höhere Zahl von Kindern als ursprünglich im Projekt angesetzt, was zeigt, wie notwendig die Entwicklung solcher Programme ist.