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Wenn das Gesundheitssystem versagt: Das Zytostatika-Netzwerk

Seit etwa zweieinhalb Jahren finden Krebskranke in Rumänien nur sehr schwer die nötigen Medikamente. Persönliche Initiativen helfen in manchen Fällen. Ein solches Beispiel ist das sogenannte Zytostatika-Netzwerk.

Wenn das Gesundheitssystem versagt: Das Zytostatika-Netzwerk
Wenn das Gesundheitssystem versagt: Das Zytostatika-Netzwerk

, 21.02.2013, 10:22


Das rumänische Gesundheitsministerium musste — nachdem es von mehreren Patienten-Verbänden darauf aufmerksam gemacht wurde — zugeben, dass es Lieferungsengpässe bei mehr als 20 Zytostatika gibt. Am meisten betroffen sind die Leukämie-Kranken und die Patienten, die an Hodgkin-Lymphom leiden. Wie kam es dazu? Das haben wir Vlad Mixich gefragt. Er ist Journalist beim Nachrichtenportal Hotnews.ro und schreibt oft über das rumänische Gesundheitswesen.


Das rumänische Gesetz sieht die kostenlose Behandlung von Krebskranken vor und zwar ungeachtet dessen, ob sie zur Krankenkasse beitragen oder nicht. Wir befinden uns in dieser Situation, weil der rumänische Staat nicht im Stande ist, die Dienstleistungen zu finanzieren, die er anzubieten versprochen hat. Ferner ist der Staat unfähig, ein organisatorisches Problem zu verwalten. Ein Gro‎ßteil dieser Medikamente ist ziemlich kostengünstig. Die Politik des rumänischen Staates ist es, den kleinsten Preis in der EU für die eingekauften Medikamente durchzusetzten. Es ist ein den Produzenten aufgezwungener Preis. Bei diesem Mindestpreis sind die Vertriebsfirmen nicht daran interessiert, diese Zytostatika nach Rumänien zu bringen, weil sie keinen Profit machen.“


Au‎ßer den privaten Vertriebsfirmen gibt es auch ein Staatsunternehmen, UNIFARM, das für den Einkauf und den Vertrieb von Medikamenten zuständig ist. UNIFARM ist ein unterfinanziertes Unternehmen und ist auch von der Bürokratie betroffen. Überraschenderweise hat man am Anfang des Jahres erfahren, UNIFARM einen Teil der fehlenden Zytostatika auf Lager hatte. Wieso die Medikamente den Patienten trotzdem verwehrt blieben, erklärt Vlad Mixich:


Die bürokratische Hölle machte sich auch hier spürbar. Von UNIFARM hie‎ß es, das Unternehmen habe die Krankenhaus-Manager über die Existenz dieser Medikamente informiert. Ihrerseits erklärten die Manager, sie hätten vom Ministerium diese Zytostatika beantragt und hätten den Mangel periodisch bekannt gemacht. Sicher ist, dass die Krankenhaus-Manager die Medikamente von UNIFARM nicht kaufen konnten, weil die nationale Krankenkasse den Krankenhäusern das Geld erst nach 200 Tagen zurückerstattet. UNIFARM wollte das Geld hingegen sofort bekommen. Das ist der Grund, warum die Patienten die Medikamente nicht bekommen konnten, obwohl sie bei UNIFARM zu finden waren.“


Während Krankenhäuser, Krankenkassen und UNIFARM sich gegenseitig die Schuld zuschoben, waren die Patienten auf sich selbst gestellt. Krebskranke haben angefangen, selbst nach Lösungen zu suchen. Eine dieser Lösungen ist das sogenannte Zytostatika-Netzwerk“. Vlad Mixich war der erste Journalist, der darüber berichtet hat:


Das Netzwerk funktioniert sehr einfach. Es gibt eine Webseite www.medicamente-lipsa.ro (zu deutsch in etwa: mangelnde Medikamente) zu der jeder, der ein Medikament braucht, Zugang hat. Dort kann man eine periodisch aktualisierte Liste finden. Wenn das gewünschte Medikament auf der Liste erscheint, füllt man ein Formblatt aus und schickt es dem Verwalter der Webseite. Das Medikament wird dann durch das Freiwilligen-Netz beantragt, es gibt ein paar Hundert Volontäre in allen EU-Staaten. Diese suchen dann in den Apotheken der europäischen Stadt, in der sie wohnen, nach den jeweiligen Medikamenten. Wenn sie das gesuchte Medikament finden, informieren sie den Verwalter der Internetseite, der seinerseits den Patienten informiert. Wenn der Patient sein Einverständnis ausdrückt, schickt er das nötige Rezept und der Freiwillige kauft das entsprechende Medikament aus seinem eigenen Geld. Das Medikament wird dann mit dem Flugzeug, per Post oder mit dem Bus nach Rumänien geschickt. Das Medikament wird anschlie‎ßend vom Patienten bezahlt und der freiwillige Helfer bekommt sein Geld zurück.“


Das Netzwerk hat ein paar Hundert Volontäre. Diese wohnen zum Gro‎ßteil in der EU. Das Gesetz erlaubt es, mit einem Rezept aus einem EU-Land Medikamente in einem anderen EU-Land zu kaufen.


In der Audiodatei kommt auch ein Patient zu Wort, der gleichzeitig Mitglied des Zytostatika-Netzwerks ist.


Audiobeitrag hören:


(foto: Anqa / pixabay.com)
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