Unkonventionelle medizinische Behandlung – die Reit-Therapie
Im Jahr 1964 entdeckte der amerikanische Psychiater Boris Levinson eine neue Methode für die Therapie von Personen mit Behinderungen: die tiergestützte Therapie.
Ana-Maria Cononovici, 06.08.2014, 15:56
Im Jahr 1964 entdeckte der amerikanische Psychiater Boris Levinson eine neue Methode für die Therapie von Personen mit Behinderungen: die tiergestützte Therapie, bei denen Delfine, Fische, Papageien, Pferde, verschiedene Haustiere wie Hunde und Katzen zum Einsatz kommen.
Unterschiedliche Studien haben gezeigt, dass Vierbeiner wie der Hund sehr nützlich bei der Erkennung von nahenden Epilepsie-Anfällen sind, dass sprechende Papageien Herzbeschwerden mildern, dass Katzen den Blutdruck senken und Angst-, Depressions- und sogar Schizophreniezustände beträchtlich vermindern können. Delfine kommunizieren gut mit autistischen Kindern, Reiten trägt zur Entspannung und Wiederherstellung des psychen Gleichgewichts bei, die Beobachtung von im Aquarium leicht kreisenden Fischen entspannt ebenfalls.
Ziel der tiergestützten Therapie ist die Entwicklung der emotionalen Kompetenzen von Menschen mit unterschiedlichsten Einschränkungen sowie die soziale Integration. Manche Forscher haben bewiesen, dass Personen, die Zuneigung gegenüber Hunden und Katzen zum Ausdruck bringen, dieselben Gefühle ihren Mitmenschen gegenüber empfinden.
In Rumänien ist die unkonventionelle Therapieform vor kurzem eingeführt worden — sie kommt sowohl bei der Rehabilitation von Gefängnis-Insassen als auch bei der Betreuung von Kindern mit Behinderungen zum Einsatz. Frau Dr. Lilica Frăţiman ist Universitätslektorin, Kinderärztin und Abteilungsleiterin des Kreiskrankenhauses in Constanţa sowie Dekanin der Fakultät für Psychologie Andrei Şaguna“ in Constanţa. Sie erklärt die Rolle des Therapeutischen Reitens:
Die Hippotherapie ist auf mehreren Ebenen einsetzbar: Wir glauben, sie ist für die Therapie mit schwer sozialisierbaren Personen nützlich, aber auch für Personen mit gesundheitlichen Problemen. Darunter fallen Personen mit neuromotorischen und psychomotorischen Einschränkungen, das heißt Kinder mit Hirnlähmungen oder genetischen Syndromen, etwa dem Down-Syndrom. Bei uns hat sich die Reittherapie in der Beziehung zu Kindern mit Autismus oder verwandten Störungen weiterentwickelt. Und danach hat sie sich auch auf andere Bereiche ausgedehnt. Es ist sehr wohl bekannt, dass Kinder mit Autismus eben das Problem haben, nicht in unserer Welt zu leben, sie leben in ihrer eigenen Welt. Sie sind nicht unbedingt krank, sondern von der uns bekannten sozialen Wirklichkeit abgeschirmt. Pferde, mit ihren Schutzinstinkten und ihrem beruhigenden Gang, bringen die Kinder näher an unsere Realität heran. Das Pferd hilft einem autistischen Kind, sich ein wenig in der Wirklichkeit zu verankern. Sobald es auf das Pferd steigt, beruhigt ihn die Bewegung des Pferdes, sie entspannt ihn, es wird geistesgegenwärtig, es kann auch neue Bewegungen und Wörter dadurch erlernen — insgesamt hervorragende Fortschritte in der Entwicklung von Kindern mit Autismus. Und ebenso ist das bei weiteren Krankheiten gültig: genetische Krankheiten oder degenerative Krankheite, sowie Sekundärkrankheiten infolge von Hypoxie bei der Geburt.“
Wissenschaftliche Studien haben im Laufe der Zeit die positiven Wirkungen eines Haustieres auf die Psyche einer alleinlebenden, kranken Person oder auf die von Kindern mit unterschiedlichen Störungen belegt. Tiere können den Gemütszustand und die zwischenmenschliche Kommunikation verbessern sowie das Selbstvertrauen stärken. Während die Therapie mit Hunden und Katzen besser bekannt ist, weil diese zu den üblichen Haustieren gehören, scheint die Reittherapie einer eher exklusivere Option zu sein. Nichtsdestotrotz haben mehrere Reha-Zentren des Landes sich zusammengetan, um diese Form der Therapie zu fördern. Anfangs konnte die Reittherapie nur bei gutem Wetter, von Frühling bis Herbst, angeboten werden — jetzt verfügen immer mehr Zentren über überdachte Manegen, das heißt, dass Kinder das ganze Jahr über davon profitieren können.
Die Reittherapie mit Pferden oder Ponys wird auch für dynamischere Kinder empfohlen, weil der Rhythmus ihrer Schritte dem Herzrhythmus von Müttern nahekommt und er ein verstärkt entspanntes Gefühl verursacht. Durch Reittherapie kann auch extremer Autismus geheilt werden. Die autistische Person entdeckt beim Lenken des Pferdes den eigenen Körper und beginnt zwischen der eigenen Welt, die davor als alleiniges Universum angesehen wurde, und der Außenwelt zu unterscheiden. Wie effizient diese Therapiesitzungen überhaupt sind, weiß Lilica Frăţiman:
Je nach Komplexität des Falles und Art der behandelten Krankheit sind die Ergebnisse zu bewerten. Wir haben Kinder mit Autismus beobachtet, die ihr Verhalten von einer Sitzung zur anderen geändert haben. Als sie hierherkamen, schrien sie und verweigerten jedwelchen Kontakt zu den Menschen in ihrer Umgebung und zur Realität. Danach stiegen sie auf die Pferde, lächelten dabei und streichelten das Pferd bereits nach den ersten 30 Minuten. Die stabilen Ergebnisse sind nach einigen Wochen der Therapie festzustellen, in denen man zwei-drei Sitzungen pro Woche abhält.“
Eine Hippotherapie-Sitzung dauert zwischen 30 Minuten und einer Stunde, je nach Zustand des Patienten und seiner Kooperationsbereitschaft. Interessierte Verbände setzen sich für die Einführung der Reittherapie als Sekundärmaßnahme bei der Psychotherapie bestimmter Störungen ein. Sie schlagen ferner die Einführung eines Reittherapie-Kurses in das nationale System der Psychotherapie vor.
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