Umweltschützer gegen illegalen Holzschlag
Nach der Wende von 1989 nahmen illegale Abholzungen rasant zu. Doch umweltbewusste Bürger stellen sich immer mehr dem Kahlschlag immer stärker entgegen.
Christine Leșcu, 03.05.2017, 17:20
Obwohl das Gesetz den Holzschlag nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässt, werden die Vorschriften so massiv verletzt, dass die Situation geradezu dramatisch erscheint: Die Waldfläche erreicht heute nur etwas mehr als 27 Prozent des Landesgebiets, viel weniger als der europäische Durchschnitt von über 32%. Nach einer Studie von Greenpeace Rumänien schrumpfte der Forstbestand allein zwischen 2000 und 2014 um drei Hektar pro Stunde. Aktivisten von Greenpeace und anderen Vereinen haben am meisten dazu beigetragen, dass die Öffentlichkeit über die Zustände Bescheid weiß. Sie nehmen Anzeigen von Bürgern auf, sind aber selbst in den Waldgebieten vor Ort aktiv, erläutert Greenpeace-Kampagnenchef Valentin Sălăgeanu. Es geht in erster Linie darum, gleichzeitig an mehreren Stellen zu sein, und das haben wir versucht. Wir haben dafür eine Onlineplattform eingerichtet, wo jeder Bürger sich einbringen und illegale Abholzungen anzeigen kann“, sagt Sălăgeanu. Diesen Internetauftritt nutzen die Umweltschützer sehr häufig, weil Hinweise von überall eingehen — es sind begeisterte Bergwanderer oder Dorfbewohner, die illegalen Holzschlag in ihrer Umgebung bemerken. Greenpeace prüft dann jede Anzeige nach und wo der Anfangsverdacht sich bestätigt, gehen die Aktivisten selber hin, um alles professionell zu dokumentieren.
Sălăgeanus Kollege Gabriel Păun von der Umweltorganisation Agent Green berichtet über ähnliche Ansätze. Unsere Arbeit fing in den Nationalparks an — den theoretisch symbolträchtigsten Plätzen, weil sie ja auch das Naturvermögen des Landes darstellen. Hier gibt es die meisten Urwälder Rumäniens. Ich stand mitten in einem solchen Nationalpark und sah Tag und Nacht Transporter mit dicken Baumstämmen auf- und abfahren — so dick, dass manchmal nur zwei auf die Ladefläche passten. Und dann setzte ich dem Transport einfach nach; ich wollte sehen, wohin er führt, denn letztendlich liegt die Schuld nicht nur bei dem, der die Bäume fällt und sie transportiert“, meint Păun. Es sei eine Verkettung von Verantwortlichkeiten, glaubt er — die Schuld liege aber letztendlich bei demjenigen, der das Holz bestellt und dann in verschiedenen Formen auf den Markt bringt.
Nach einer Recherche zu den Hintergrunddaten des Transports machen sich die Umweltschützer schließlich auf den Weg, um die Ladung abzufangen. Dass sie dabei auch Risiken in Kauf nehmen, ist klar, sagt Valentin Sălăgeanu von Greenpeace Rumänien: Es gibt ganz banale Risiken — dass sich die Leute im Team im schwierigen Gelände verletzen. Und es gibt die Risiken des Kontakts mit den Menschen, die in den betreffenden Fall verwickelt sind: Forstarbeiter, Beschäftigte der Kommunalverwaltung oder Gendarmen. Zu einer Auseinandersetzung per se ist es nie gekommen, weil wir uns gründlich vorbereiten und gut argumentieren können, warum wir da sind. Wir dokumentieren in Film und Bild; das Material überlassen wir den zuständigen Behörden, die dann ermitteln können“, so Sălăgeanu.
Doch sein Kollege Gabriel Păun von Agent Green weiß leider auch anderes zu berichten. Grundsätzlich besteht die Arbeit darin, in Videos und Bildern zu dokumentieren. Es ist mir meistens gelungen, dabei versteckt zu bleiben. Manchmal habe ich Videokameras im Gelände getarnt und später nach der Aufnahme wieder abgeholt — doch in manchen Fälle wurden sie entdeckt und gestohlen. Eine oder zwei habe ich aber gerettet und dann die Bilder eingesetzt… In einigen Fällen bin ich aber direkt auf die Holzwilderer gestoßen. Viele sind freundlich und friedlich, einige aber waren aggressiv — ein Zeichen, dass etwas nicht in Ordnung war mit ihrer Arbeit. Sie wurden handgreiflich und es kam zu Verletzungen. Ich bin auch mehrmals im Krankenhaus gelandet“, führt Gabriel Păun von Agent Green aus.
Seit etwa einem Jahr, nachdem auch ein neues Forstgesetzbuch verabschiedet wurde, sind auch die Behörden aktiver und entwickeln Instrumente für die Überwachung der Abholzungen, sagt Valentin Sălăgean von Greenpeace. In den letzten Jahren, nachdem es 2015 auch Straßenproteste gegen den Holzschlag gab, ist die Branche transparenter geworden. Es gibt den Forstradar, der es ermöglicht, dass jemand über die Notrufnummer 112 einen Transport nachprüft. Auch eine mobile Anwendung für Smartphones und Tablets wurde vom Umweltministerium angeboten und dort kann man direkt nachprüfen, ob es ein legaler Holztransport ist, ohne die Notrufnummer anzurufen. Man ruft dort nur an, wenn der Transport illegal ist“, erklärt Greenpeace-Mitarbeiter Sălăgean.
Doch die App und die dazugehörige Internetseite, auf der Informationen über bestehende Abholzungsarbeiten und Transportdokumente abgerufen werden können, sind lediglich in einer Probezeit und arbeiten in einem relativ rechtsfreien Raum. Der Termin, zu dem die einschlägige Regierungsverordnung in Kraft treten sollte, ist bis auf den 21. Oktober 2017 verschoben worden. Die Umweltschützer versuchen aber auch so zu retten, was noch zu retten ist — in 2001 lagen noch 62% aller Urwälder Europas in Rumänien. Heute sind viele von ihnen verschwunden.