Überforderte Gesundheitsämter: Freiwillige einer NGO helfen in Callcentern
Die Pandemie hat Rumänien fest im Griff, die Behörden sind wegen Personalmangels oft überlastet. Eine NGO hilft dem Bukarester Gesundheitsamt mit einem eigens betriebenen Callcenter.
Christine Leșcu, 09.12.2020, 17:30
Die Corona-Pandemie hat Rumänien, so wie die ganze Welt, überrascht und ein Gesundheitssystem mit vielen Lücken und schlechtem Management aufgedeckt. Die lokalen Gesundheitsbehörden, die mit der Identifizierung und Quarantäne von Fällen des neuartigen Coronavirus beauftragt sind, haben es immer noch schwer, mit den Anfragen nach Tests, Rückverfolgung von Infektionsketten und öffentlicher Information fertig zu werden. Einer der Hauptgründe ist der Personalmangel. Aus diesem Grund ergriff eine einheimische NGO die Initiative, dem öffentlichen Gesundheitsamt in Bukarest (DSP), bei der Einrichtung eines Unterstützungszentrums zu helfen, um Telefonanrufe zu verwalten.
Die Koordinatorin des Callcenters, Diana Voicu, berichtete uns, wie es dazu kam:
Die Idee kam uns letzten Sommer. Es war noch im Juli, und uns wurde klar, dass wir, wenn die Sommer-Entspannung eintrifft, bald wieder einen Anstieg der Infektionszahlen erleben würden. Und siehe da, im Spätsommer, als die Zahl der Fälle tatsächlich stieg, wurde die Telefonleitung des Amts für öffentliche Gesundheit einfach überlastet und Anrufe wurden immer weniger beantwortet. Deshalb boten wir an, die Last zu übernehmen. Wir machten uns die Erfahrungen zunutze, die die Organisation »Geeks for Democracy« während des Lockdowns im Frühjahr gesammelt hatte, als wir das Projekt »Einkaufen vor Ihrer Tür« einführten, bei dem die Menschen Lebensmittel, Produkte des Grundbedarfs oder Medikamente kaufen konnten, wenn sie nicht aus dem Haus gehen konnten. Wir eröffneten ein Callcenter für dieses Projekt, und da wir bereits die Erfahrung hatten, wollten wir helfen. Leider konnten wir es erst ab dem 3. November in die Praxis umsetzen. Erst im Oktober stellte uns der rumänische Sondertelekommunikationsdienst die von einer anderen NGO, Impact HUB, geräumten Büros zur Verfügung, die uns 30 Plätze, Telefonleitungen, Computer und Festnetzanschlüsse zur Verfügung stellten. Am 3. November begannen wir mit der Beantwortung von Anrufen.“
Seit seiner Eröffnung arbeitet das Callcenter mit Freiwilligen, in Schichten von 8 Uhr morgens bis 22 Uhr abends. Gegenwärtig arbeiten hier über 170 Freiwillige in Schichten von drei oder mehrere Stunden, einige sogar von sechs Stunden. Diana Voicu erzählte uns, wie sie zu dieser Hilfe gekommen sind:
Dies ermöglichte es unseren Kollegen vom Gesundheitsamt, ihre Telefonisten auf andere Funktionen umzuleiten, denn das DSP hat viele Aufgaben. Die Suchteams, die epidemiologisches Tracking durchführen, wurden auch erweitert. Wir arbeiten gut mit ihnen zusammen, und wir haben ein großartiges Feedback erhalten, sowohl von ihnen, aber vor allem auch von den Menschen, die jetzt das Gefühl haben, dass man ihnen zuhört. Wir beantworten Anrufe von Menschen, die sich testen lassen wollen, die vermuten, dass sie Symptome zeigen oder die wegen Kontakt mit einer viruspositiven Person unter Quarantäne stehen und einen Krankenwagen brauchen. Andere möchten die Testergebnisse erfahren oder die richtigen Papiere für die Quarantäne erhalten, weil ihnen dadurch eine Gesundheitsversorgung zu Hause ermöglicht wird. Manchmal wollen sie wissen, was sie tun müssen, wenn sie reisen müssen oder wenn sie einen zahnärztlichen Notfall haben, wenn sie bereits zu Hause festsitzen. Das bedeutet, dass wir jeden Tag zwischen 500 und 800 Anrufe bearbeiten.“
Die Anrufer erhalten die richtigen Informationen oder werden an Experten weitergeleitet, wenn sie kompliziertere Fragen haben. Darüber hinaus hat die Organisation eine kostenlose Smartphone-App entwickelt, mit der alle Anfragen registriert werden können. Alle Anfragen erhalten eine Registrierungsnummer in einem Standardformular und werden an das DSP geschickt. Außerdem wird ein Kästchen markiert, wenn der Antrag bearbeitet wurde, was für den Antragsteller sichtbar ist.
Alexandra Turcu, die in den Niederlanden Software-Engineering studiert, gehört zu den Freiwilligen. Sie wohnt jetzt in Rumänien, besucht Fernkurse und beantwortet Anrufe, während sie ein Team von Freiwilligen leitet, von 8 Uhr morgens bis 14 Uhr. Sie erzählte uns, warum sie diese Wahl getroffen hat:
Ich habe mich für die Freiwilligenarbeit entschieden, weil ich eine Menge Leute kenne, die mit der folgenden Situation konfrontiert waren: Sie riefen das Gesundheitsamt an, aber niemand antwortete. Darüber hinaus arbeite ich seit 15 oder 16 Jahren als Freiwillige. Es gibt viele Menschen, die nicht nur mit der Krankheit zu kämpfen haben, sondern auch mit einer riesigen Bürokratie.“
Wir fragten Alexandra Turcu nach den häufigsten Anfragen, die die Menschen haben:
Im Moment sind die Bedingungen für eine Quarantäne das größte Problem. Es gibt Menschen, die keinen bezahlten Krankheitsurlaub nehmen können. Sie haben Angst, weil sie Bankkredite zahlen müssen, Kinder haben, die sie großziehen müssen, und die Feiertage nahen. Sie sind verzweifelt, weil sie die Quarantänepapiere nicht rechtzeitig erhalten. Wir versuchen, sie zu beruhigen und ihnen Informationen zu geben. Dies wäre das am weitesten verbreitete Problem. In den ersten Tagen, als wir anfingen, erhielten wir viel Dankesbezeigung von den Menschen, weil ihre Anrufe beantwortet wurden und sie am anderen Ende eine mitfühlende Stimme hatten, die ihnen zuhörte. Sie freuten sich über Rückmeldungen und konnten herausfinden, was mit ihnen oder ihren Papieren geschah. Es gibt viele Leute, die verärgert sind, aber wenn sie nach einem Gespräch mit und auflegen, tun sie das mit einem Lächeln.“
Da immer mehr Menschen ein Lächeln brauchen, sind die Menschen bei der Organisation Geeks for Democracy“ der Meinung, dass mehr Callcenter benötigt werden.