Transplantationen und Organspenden in Rumänien: Immer weniger Spender bei mangelnder Transparenz
Tausende schwerkranke Rumänen warten auf eine zweite Lebenschance durch eine Transplantation. Die Listen mit Patienten sind lang, aber die Zahl der Organspender wird mit jedem Jahr kleiner.
România Internațional, 12.12.2018, 17:30
Die Organspende ist ein heikles Thema in Rumänien, man kann sogar von einer Krise in diesem Bereich sprechen. In den letzten Jahren ist die Zahl der Organspender landesweit auf ein Fünftel des Ausgangsbestandes zurückgegangen, was dazu führte, dass von ursprünglich einigen Hundert heute nur noch einige Dutzend Transplantationen im Jahr durchgeführt werden. Schuld daran seien der Mangel an Transparenz im rumänischen Gesundheitssystem und der verbreitete Verdacht auf illegalen Organhandel, das heißt, dass bei Transplantationen gewisse Patienten bevorzugt werden, während andere Patienten die lebensnotwendigen Organe nicht bekommen und sterben müssen. Viele Transplantationen wurden vorwiegend bei reichen Patienten vorgenommen; dadurch wurden die Überlebenschancen der finanziell schwachen Patienten, die seit vielen Jahren auf eine Transplantation warteten, gleich Null. Letztes Jahr sind in Rumänien mehr als 500 Menschen gestorben, weil sie kein Organ bekommen haben. Aus diesem Grund haben die Rumänen ihr Vertrauen in das System verloren und sind immer weniger daran interessiert, Organspender zu werden.
Rumänien ist eines der Schlusslichter in Europa in puncto Organspende. Wegen der niedrigen Zahl an Organspendern ist Rumänien auch nicht Mitglied der Stiftung Eurotransplant, einer Vermittlungsstelle für Organspenden mit Sitz in Leiden (in den Niederlanden). Mitglieder von Eurotransplant sind zur Zeit die Benelux-Länder, Deutschland, Österreich, Slowenien, Kroatien und Ungarn. 2018 wurden in Rumänien 102 Nieren-, 46 Leber-, 3 Lungen- und 5 Herztransplantationen durchgeführt. Zum Vergleich: In Ungarn gab es dieses Jahr 60 Herztransplantationen. Ana Baculea, Leiterin der Nationalen Agentur für Transplantation, spricht über die Situation der Transplantationen in Rumänien:
In den letzten zwei Jahren wurde in der Tat ein Rückgang der Organtransplantationen in Rumänien vermerkt, weil die Anzahl der hirntoten Organspender zurückgegangen ist. Wir organisierten Treffen mit den Krankenhausmanagern und mit Anästhesieärzten, die die Situation der hirntoten Organspender genau kennen, um die existierenden Probleme und die Ursachen für die kleinere Zahl von Organspendern zu erörtern. Eine Hauptursache wäre, dass die Familienmitglieder keine Einwilligung zur Organspende geben wollen, wahrscheinlich auch wegen der negativen Medienberichte der letzten Jahre. Wir haben beschlossen, mit den Medien zusammenzuarbeiten und Sendungen mit Experten im Bereich Transplantation zu machen, um die Öffentlichkeit besser zu informieren. Die Familien der hirntoten Patienten sollten verstehen, dass in jenen schmerzhaften Augenblicken die Einwilligung zur Organspende eine edle Geste ist, die mehrere Menschenleben retten kann.“
Durch das Nationale Transplantationsprogramm wurden in Rumänien 41 Krankenhäuser für Organentnahme akkreditiert, aber dieses Jahr haben nur 11 Krankenhäuser solche Operationen durchgeführt. Laut Angaben der Nationalen Agentur für Transplantation wurden im Jahr 2018 zwar 160 hirntote Patienten als mögliche Organspender identifiziert, aber nur in 59 Fällen wurden Organe für Transplantationen entnommen. Leider waren viele Familien der potentiellen Organspender mit der Organentnahme nicht einverstanden, und bei anderen Organspendern gab es Krankheiten, die die Organentnahme unmöglich machten. Mehr dazu von Ana Baculea, Leiterin der Nationalen Agentur für Transplantation:
Auf den Wartelisten sind mehr als 5.000 Patienten eingetragen, die auf eine Transplantation warten. 4.000 Patienten warten auf eine Nierentransplantation, mehr als 500 auf eine Lebertransplantation und mehr als 30 auf eine Herztransplantation. Wir haben schon eine Anzahl an potentiellen Organspendern identifiziert, aber nur in 59 Fällen haben die Familien ihre Einwilligung zur Organentnahme gegeben. Das ist sehr wenig in Vergleich zu den vergangenen Jahren, als es zwischen 130 und 150 Organspender gab. Auch wenn die jetzige Zahl sehr klein ist, kann ich Ihnen auch eine gute Nachricht geben: Nach unserem Treffen in November in Cluj/Klausenburg wurden 12 hirntote Organspender gemeldet und die Organentnahme durchgeführt. Zwölf neue Organspender binnen eines Monats — das lässt uns hoffen, dass die Anzahl der Organspender und der Transplantationen steigen könnte.“
Die rumänischen Behörden versuchen, das Problem zu lösen: Sie haben ein neues Transplantationsgesetz erarbeitet, das zur öffentlichen Debatte steht und bis Ende dieses Jahres in Kraft treten könnte. Das neue Gesetz sieht unter anderem vor, dass die rumänischen Bürger sich zu Lebzeiten als Organspender anmelden können und in ein Organspender-Register eingetragen werden. Die Fachleute im Gesundheitssystem ermuntern die Rumänen, sich ins Register der Freiwilligen Organspender eintragen zu lassen und ihre Zustimmung für eine Organentnahme zu geben. Dadurch wird ein hirntoter Patient automatisch zum Organspender, ohne Einwilligung der Familie. Die Transplantationspatienten werden nach dem Schwierigkeitsgrad ihrer Krankheit und nach ethischen Kriterien ausgewählt. Bei einer Organentnahme von einem hirntoten Kind wird ein krankes Kind das Organ bekommen und Priorität vor einem erwachsenen Transplantationspatienten haben. In Rumänien fehlt aber eine einheitliche Liste für spezifische Organe auf nationaler Ebene — auch dieses Problem sollte durch das neue Transplantationsgesetz gelöst werden.