Traditionelle Festtagsgerichte: Slowfood oder Globalisierung?
Deftige Speisen wie Krautwickel, Braten, Würste und Sülze gehören zu den traditionellen Gerichten während der Winterfesttage in Rumänien. Doch wie heimisch sind diese noch in einer globalen Welt?
Christine Leșcu, 01.01.2014, 19:00
Die Winter-Festtage wie auch andere Festtage sind der Erholung, der Familie, aber auch dem Feiern gewidmet. Natürlich gehört Essen und Trinken dazu. Für die Rumänen bedeutet das der Genuss von traditionellen Gerichten wie Sauerkrautwickel, Würste, Sülze und Christstollen, begleitet von guten rumänischen Weinen. Inwieweit sind aber diese Speisen noch traditionell in einer globalisierten Welt? Stammen diese aus der lokalen Landwirtschaft oder Lebensmittelindistrie? Fördert der Kosum von Sauerkrautwickeln und Christstollen die Entwicklung der lokalen Fleisch- oder Mehl-Produktion?
Daran dachten mit Sicherheit die Initiatoren der sogenannten Slowfood-Bewegung. Diese Bewegung widersetzt sich den vorverpackten Lebensmitteln, die in Eile verzehrt werden. Die Slowfood-Bewegung entstand 1986 in Italien und fördert eine Alternative zur Lebensmittelindustrie. Sie hat als Ziel die Unterstützung der traditionellen und lokalen Gerichte. Inwieweit die rumänischen weihnachtlichen Sauerkrautwickel und Christstollen noch lokal sind, sagt uns Tiberiu Cazacioc, Vertreter der Slowfood-Bewegung in Rumänien:
Es mag für einige seltsam erscheinen, aber für die Slowfood-Philosophie ist es interessant und wichtig, die Lebensmittelkette zu betrachten, um zu sehen, ob ein Ei aus einem Haushalt, von einer mit Körnern gefütterten Henne stammt. Letzten Endes gehören diese aus der lokalen Wirtschaft stammenden Zutaten zum lokalen Spezifikum. Wir sprechen von traditionellen Gerichten, aber für die Sauerkrautwickel benutzen wir nicht rumänisches Schweinefleisch, sondern importiertes Fleisch. Das Produkt heißt Sauerkrautwickel, entspricht aber nicht mehr der Slowfood-Philosophie. Laut dieser muss man versuchen, mit lokalen Produkten zu kochen. Wenn die Produkte importiert wurden und aus anderen Landwirtschaften stammen, können wir nicht mehr von lokalem Spezifikum sprechen.“
In Großstädten wie Bukarest, aber auch in kleineren Städten, wurden in den letzten Jahren Filialen einiger internationaler Supermarkt-Ketten geöffnet. Folglich ist es schwer, lokale Zutaten einzukaufen, auch wenn einige Rumänen frische Produkte und nicht industriell verarbeitete Lebensmittel bevorzugen. Tiberiu Cazacioc bringt Details aus einer Marktstudie einer großen Supermarkt-Kette:
Die Studie bestätigt, dass die Rumänen Früchte eher auf dem Markt und nicht im Geschäft kaufen. Auf dem Markt findet man mehr lokale Produkte. Der rumänische Verbraucher möchte also lokale Früchte und lokales Gemüse kaufen. In der Extra-Saison bevorzugt er frische, schmackhafte Äpfel, und nicht importierte Äpfel, die keinen Geschmack haben. Beim Kauf von Wurstspezialitäten spielt die Qualität und die Frische sowie das Fehlen von Zusatzstoffen eine wichtige Rolle für die Rumänen. Die Rumänen wünschen sich also lokale, rumänische, frische Saison-Produkte. Andererseits möchten sie viel und gleichzeitig billig einkaufen, da die Industrie diese Botschaft leider so transportiert.“
Der rumänische Lebensmittel-Verbraucherverband ACPAR hat auch eine wissenschaftliche Studie durchgeführt. Er hat die rumänischen Äpfel mit Äpfeln aus anderen Ländern verglichen. Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit dem Nationalen Institut für die Erforschung und Entwicklung von Lebensmittel-Bioressourcen durchgeführt. Mihai Panait, Vorsitzender von ACPAR dazu:
Die ACPAR-Studie zu den Äpfeln umfasste zwei Themenbereiche, eine organoleptische Analyse und eine physisch-chemische Analyse. Infolge der Monitorisierung und Analyse einiger ausländischer Äpfel — aus Italien, Polen und der Türkei — und des Vergleichs mit inländischen Sorten wie Voineşti-Golden und Voineşti-Jonathan, konnten wir zu ganz klaren Schlussfolgerungen kommen: Die rumänischen Äpfel sind besser als die ausländischen. Sie sind süßer, beinhalten mehr Mineralien, sind nahrhafter.“
Bei der physisch-chemischen Analyse stellte sich heraus, dass der rumänische Jonathan um 20% süßer ist als der polnische. Die rumänischen Golden-Äpfel sind um 22% süßer als die italienischen und um 14% süßer als die türkischen. Auch wenn die rumänischen Verbraucher lokale Äpfel bevorzugen, sind die Ernten nicht allzu reich. Das Potential fehlt aber nicht. Mihai Panait:
Zum Glück haben wir gute Äpfel. Das Problem im Winter ist aber die Lagerung und die Konservierung sowie die schöne Aufmachung vor den Kunden. Im Herbst sind sie schön, aber über den Winter trocknen diese aus und verlieren ihr gutes Aussehen, auch wenn das bedeutet, dass sie natürlich angebaut wurden. Rumänien besitzt ein riesiges Potential in diesem Bereich. Wir nehmen im Moment den 15. Platz weltweit bei der angebauten Apfelbaum-Fläche und den 21. Platz bei der Äpfel-Produktion ein. Wenn man den 15. Platz der Fläche nach einnimmt, warum nur den 21. Platz bei der Produktion? Das bedeutet, dass die Produktivität nicht sehr groß ist.“
Man muss natürlich weiter analysieren, inwieweit diese Äpfel ökologisch angebaut sind. Die rumänischen Verbraucher scheinen aber auch in diesem Punkt Vertrauen zu haben. Eines kann man mit Sicherheit sagen: Auf allen Tischen sind zu dieser Zeit in Rumänien Sauerkrautwickel und Christstollen zu finden. Manche entsprechen der Slowfood-Philosophie, manche nicht.
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