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Studium für alle: in Rumänien eine Utopie

In der kommunistischen Epoche förderte das Regime das Proletariat und begründete dies ideologisch. Die Menschen waren nicht ermutigt, eine Hochschule zu besuchen.

Studium für alle: in Rumänien eine Utopie
Studium für alle: in Rumänien eine Utopie

, 06.09.2017, 17:30

Die Universitäten boten nur wenige Studienplätze an, die Aufnahmeprüfungen waren sehr schwer und die Konkurrenz sehr gro‎ß. Rumänien hatte folglich Anfang der 1990er Jahren ein Defizit von Universitätsabsolventen. Im Jahr 1992 hatten nur 5,8% der Gesamtbevölkerung einen Hochschulabschluss. 25 Jahre später wurden zahlreiche Fakultäten gegründet. Die staatlichen Universitäten haben die Anzahl der Studienplätze vergrö‎ßert und die Situation hat sich bedeutend verbessert. Die Anzahl der Studenten blieb jedoch verglichen mit den anderen europäischen Staaten klein. Rumänien hat die kleinste Anzahl von Hochschulabsolventen in der EU. Nur 25,6% der rumänischen Bevölkerung im Alter von 30-34 Jahren haben eine Hochschule absolviert. Der europäische Durchschnitt liegt 39,1%. Mihai Dragoş, der Vorsitzende des Jugendrates in Rumänien, erklärte, die Ursachen seien die die materiell prekäre Lage der Bevölkerung und das rumänische Unterrichtssystem.



Die Wurzel des Problems liegt in den Gymnasium. Nur 48% der Schüler bestehen die Reifeprüfung. Der Schulabbruch ist bis auf 18% gestiegen. Wir sprechen von Schulabbruch, auch wenn es um ein Hochschulstudium geht. Die meisten schlie‎ßen das Studium mit der Abschlussprüfung ab. Rund 35%-40% der Jugendlichen, die ein Hochschulstudium anfangen, absolvieren das Studium nicht. Die Studenten wählen nicht richtig, sie studieren Fächer, die gar nicht zu ihrem Profil passen. Nach einer Zeit bemerken sie, dass sie sich etwas ganz anderes wünschen und besuchen eine andere Hochschule, oder suchen sich verschiedene Jobs, um Geld zu gewinnen. Es gibt auch Studenten, die ihr Studium leider nicht mehr finanzieren können.“




Es gibt Familien in Rumänien, die sich die Kosten der Bildung nicht leisten können. Einige meinen sogar, es lohne sich nicht, so lange zu studieren, weil das nicht unbedingt den Erfolg im Leben sichert. Die Erhebungen beweisen, dass die meisten Arbeitslosen keine Hochschulabsolventen sind. Victoria Stoiciu von der rumänischen Vertretung der Friedrich Ebert“-Stiftung sagte, für die Uniabsolventen ist es einfacher, einen Arbeitsplatz zu finden:



Eine Frage, die heute oft vorkommt, ist, ob es sich noch lohnt, eine Uni zu besuchen. Die Investition ist gar nicht klein. Es gibt zahlreiche Jugendliche, die nicht in Universitätsstädten geboren sind oder leben. Bildung bringt auch Kosten mit sich. Bildung bedeutet Geld. Man braucht Geld für die Wohnung, für den Transport, für die Nahrung. So kommen wir zum Verhältnis Kosten-Nutzen Effizienz. Ist es effizient, in meine Bildung vier Jahre lang zu investieren, um ein Diplom zu bekommen, mit dem man einen mittelmä‎ßig bezahlten Job finden kann? Eine andere Variante wäre, nach Italien oder Spanien auf Arbeitssuche zu fahren, wo man einen Mindestlohn von 800-900 Euro im Monat bekommt. Für die meisten Rumänen lautet daher die Antwort Nein, es bringt nicht viel, in Bildung zu investieren.“




Die Realität widerspricht aber dieser Mentalität, die vom Unterrichtssystem und der Familie korrigiert werden muss, so Mihai Dragoş:




Den Schülern und den Jugendlichen wird nicht geholfen, die Dynamik der Gesellschaft sehr gut zu verstehen. Die europäischen Statistiken zeigen, dass die Nachfrage für Arbeitsplätze für unqualifizierte Personen auf EU-Ebene abnimmt, während die Nachfrage für Personen mit abgeschlossenem Unistudium steigt. Die Welt bewegt sich in Richtung Automatisierung. Das passiert schon in einigen Fabriken. Bestimmte Berufe werden in kurzer Zeit nicht mehr existieren. Der rumänische Arbeitsmarkt bewegt sich ebenfalls in Richtung Hochschulstudium. Rumänien muss den Tendenzen gewachsen sein. Sonst werden wir die Zeugen einer höheren Arbeitslosenquote, besonders in den Reihen der Jugendlichen, sein. Es ist möglich, dass wir in 20-30 Jahren die Jugendarbeitslosigkeit nicht mehr eindämmen können.“



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Die Friedrich Ebert“-Stiftung in Rumänien forschte nach den Ursachen der niedrigen Anzahl der Hochschulabsolventen in Rumänien durch das Projekt Soziales Amtsblatt und berücksichtigte das Brain drain“-Phänomen. Mit dem obengenannten Phänomen lassen sich aber nicht alle Probleme erklären. In Rumänien werden jährlich nur 10 Abschlussdiplome je 1000 Personen im Alter von 15-64 Jahren gewährt, viel unter dem EU-Durchschnitt, so das Soziale Amtsblatt. Victoria Stoiciu meint, das Studium, die Bildung haben in Rumänien an Wert verloren:




Die Bildung wird nur aus der Sicht der Effizienz betrachtet und nach der Art und Weise, wie der Arbeitsmarkt darauf reagiert. Es ist nicht total falsch, doch die Universität bedeutet mehr. Die Bildung ist nicht da, nur um Arbeitskraft zu erzeugen. Das ist nicht die einzige Rolle der Bildung. Die Bildung formt Bürger, Menschen mit einem kritischen Denken, sie lehrt uns, uns zu entwickeln. Diese idealistische Dimension der Bildung, der Erziehung wird heute ganz vernachlässigt. Man bevorzugt das Praktische.“




Die Experten, die das Soziale Amtsblatt koordinieren, empfehlen eine Erhöhung des Haushaltes, das der Bildung zugeteilt wird. In den letzten 10 Jahren wurden dem Unterrichtswesen nur rund 5% des Staatshaushaltes zugewiesen — den geringsten Anteil im europäischen Vergleich.

(foto: Anqa / pixabay.com)
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