Streitkultur früh erlernt: Debattierclubs für Schüler
Im Jugendalter beginnt für die meisten Menschen die Selbstbehauptung. Von daher ist es wahrscheinlich das ideale Alter für das Erlernen des Argumentierens.
Christine Leșcu, 25.05.2016, 17:45
Im Jugendalter beginnt für die meisten Menschen die Selbstbehauptung. Von daher ist es wahrscheinlich das ideale Alter für das Erlernen des Argumentierens. Das perfekte Format, in dem die Jugendlichen üben können, ihre eigenen Standpunkte zu vertreten, scheinen die Schuldebatten zu bieten. Die Methode ist zumindest seit vielen Jahren in den USA erfolgreich. Diese Art der intellektuellen Übung ist in den letzten Jahren auch bei den Gymnasiasten in Rumänien angekommen.
Zurzeit gibt es landesweit mehrere Debattierclubs, die ihre Diskussionsrunden auch in Form von sportlichen Wettkämpfen abhalten. Der letzte Debattierwettbewerb fand unter dem Namen Pache Open“ am Bukarester Gymnasium Mihai Viteazul“ statt. Der Wettbewerb wurde nach dem Debattierclub Pache“ benannt, der wiederum den Namen des Pache Protopescu-Boulevards trägt, an dem das Gymnasium Mihai Viteazul“ zu finden ist.
200 Teilnehmer waren mit von der Partie, darunter Schüler aus mehreren Gymnasien des Landes, Kampfrichter, Lehrer und Veranstalter. Die Schüler haben sich zu mehreren in Rumänien und im Ausland umstrittenen Themen Debatten mit Pro- und Contra-Argumenten geliefert. Der Jurastudent Andrei Petre ist der Vorsitzende des Debattierclubs Pache, er trat dem Club bereits als Schüler bei — der gleichnamige Wettbewerb habe bereits eine Tradition sagt er.
Wir haben unser 15-jähriges Jubiläum bereits hinter uns und sind demzufolge einer der traditionsreichen Clubs in Rumänien. Wir organisieren Debatten, vor allem Debatten zwischen Gymnasiasten, bei denen es immer um zwei Teams geht. Eines davon vertritt die Behörden oder die Regierung und ein zweites die Opposition. Jedem Team gehören drei Mitglieder an, die über einen gegebenen Antrag diskutieren. Das ist also das Gesprächsthema. Als ich zum ersten Mal an den Debatten teilnahm, vor acht Jahren, fanden nur an Wochenenden Wettkämpfe mit höchstens 20-30 Teilnehmern statt. Und unser Club hatte nur vier Mitglieder etwa. Jetzt nehmen einige Hundert Personen an unseren Wettkämpfen teil, also ist es ein Phänomen mit großem Zulauf.“
Neben dem Wettkampfgeist, der die Debatten beflügelt, gebe es noch andere Sachen, die die Schüler für diese Art von Argumentation begeistern, erzählt Teilnehmer Andrei Petre.
Es sind mehrere Dinge, die uns anziehen, über allem steht aber die Stimmung. Zweitens gefällt es uns, dass wir wegen der Debatten immer mit den neuesten Nachrichten auf dem Laufenden sein müssen, dass wir immer mehr Dinge erfahren und dass wir uns weiterentwickeln. Und letztlich glaube ich, dass wir durch die Debatten zu besseren Menschen werden, jedenfalls zu besser ausgebildeten Menschen. Wir sagen gerne, dass jedes Thema einer Debatte unterzogen werden kann. Die meisten Debatten, an denen wir teilnehmen, haben aktuelle Anträge zum Thema, bei anderen handelt es sich um Anträge zur Außenpolitik oder zur Wirtschaft. Und wir versuchen, diese Dinge miteinander zu vermischen, damit wir ein wenig über jedes Thema diskutieren können.“
Alice Kempf ist Schülerin der 12. Klasse am Gheorghe-Lazăr-Gymnasium in Bukarest. Sie hat beim Debattierwettbewerb den ersten Platz belegt und möchte gerne an der Fakultät für Internationale Beziehungen der Universität Bukarest studieren. Die Teilnahme an Debattierwettbewerben könne einen wichtigen Vorteil für den zukünftigen Beruf darstellen, sagt sie.
Ich habe generell eine große Leidenschaft für die Redekunst. Sie scheint mir von wesentlicher Bedeutung in einer Gesellschaft, die den Fortschritt sucht. Allerdings kann die Redekunst allein nicht ausreichend sein, wenn sie sich nicht auf eine seriöse Argumentation und relevante Informationsquellen stützt. Ich glaube, dass mich eigentlich dieser ganze Komplex an Elementen am meisten fasziniert und begeistert. Die Recherche ist für mich irgendwie zu einer Methode der Entspannung geworden. Mir bereitet es eine große Freude, Artikel zur internationalen Politik und Wirtschaft zu lesen, die über unseren Lehrplan hinausgehen.“
Die Debatten seien jedoch nicht nur mit Blick auf die berufliche Laufbahn nützlich, sagt Luca Mihăilescu, Schüler der 11. Klasse am Mihai-Viteazul-Gymnasium und Mitglied im Debattierclub Pache“.
Egal was ich in Zukunft machen werde, ist das hilfreich für mich. Praktisch geht es um eine notwendige Eigenschaft, die Kunst, in der Öffentlichkeit reden zu können, Argumente für den eigenen Standpunkt zu finden, anders als die Mehrheit zu denken, ‚to think outside the box‘, wie es so schön heißt. Ich glaube, dass all diese Eigenschaften in vielen Hochschulen im Ausland und sogar in Rumänien geschätzt werden. Und nach Abschluss sind sie nützlich, egal welchen Weg man einschlägt. Ich möchte zum Beispiel Physik studieren und bin der Ansicht, dass die Debatten für mich nützlich sein werden. Hier habe ich eine Denkweise entwickelt, die mir helfen wird, leichter einen Arbeitsplatz zu finden.“
Die Debatten würden nicht nur eine Denkweise, sondern auch eine Form der höflichen Ausdrucksweise fördern, die auf gut fundierten Argumenten gestützt ist. Genau das fehle in den öffentlichen Debatten in Rumänien, bemerkt Mihai Savastre, Schüler der 11. Klasse des Mihai-Viteazul-Gymnasiums und Mitglied des Teams, das beim Pache Open“ den zweiten Platz belegte.
Selten hört man Argumente, die aus logischer Sicht korrekt sind oder die von korrekten Prämissen ausgehen. Man hört oft eher Sophismen und andere Sachen, die in einer Debatte nichts zu suchen haben. Wenn mehr Menschen Zugang zu Debattierkursen hätten, könnten sie viele für die Zivilgesellschaft nützliche Dinge lernen. Hätten mehr Menschen Zugang zu Debatten und wären die Debatten weit verbreitet, würden wir mit Sicherheit auch die Vorteile erkennen.“
Rumäniens Gymnasiasten werden in Zukunft vielleicht die Möglichkeit bekommen, sich in der Öffentlichkeit auszudrücken. Bis dahin können sie in den außerschulischen Debattierwettkämpfen für den Ernstfall trainieren.